"Kein menschlicher Kontakt mit Asbest"
Warum Dow Stade jährlich 40 Tonnen des krebserregenden Faserstoffs braucht / Materialschleuse und Roboter
tp. Stade. Die EU-Kommission fordert die Abschaffung des stark krebserregenden, in Gebäuden längst verbotenen Natur-Faserstoffs Asbest auch aus Industrieanlagen bis 2017. Das Zeitlimit setzt den Chemie-Giganten Dow in Stade als Europas letzte Industrieanlage, die Asbest noch als Hilfsstoff einsetzt, unter technischen finanziellen Druck. Der Konzern bereitet, wie berichtet, eine Petition vor, die eine Verlängerung der Ausnahmegenehmigung bis 2025 zum Ziel hat. Dow beruft sich dabei auf hohe Sicherheitsstandards: "Hier ist jeder menschliche Kontakt mit Asbestfasern ausgeschlossen", sagt der Stader Dow-Pressesprecher Joachim Sellner.
In der Chlor-Elektrolyse-Anlage, die das Herzstück des Chemie-Werks an der Elbe ist, werden in bestimmten Behältern, den Elektrolyse-Zellen, aus Wasser und Salz unter hohem Stromverbrauch Natronlauge und Chlor hergestellt. Diese Chemikalien sind Ausgangsstoffe für alle weiteren Produkte, die in den 15 Stader Dow-Anlagen produziert werden. Bei Dow hat sich eine Beschichtung der Trennwände (Diaphragmen) in den Elektrolyse-Zellen mit dem extrem langlebigen Asbest bewährt.
Die Zellen werden fertig aus den USA angeliefert. Doch permanent sind Instandsetzungen erforderlich. Die Arbeit erledigt ein 14-köpfiges Team der Abteilung Elektrolysezellen-Bau unter der Leitung von Elektro-Ingenieur Stephan Peter (54). Besondere Sicherheitsvorkehrungen in dem Gebäude verhindern ein Entweichen von Asbestfasern in die Umgebung.
Für die Instandhaltung der Trennwand-Beschichtung benötigt Dow Stade jährlich 40 Tonnen Asbest. Der hohe Bedarf erklärt sich durch die gigantischen Dimensionen des Werkes. Dow Stade ist Europas größter Chlor Produzent, stellt in dem von Asbest abhängigen Verfahren jährlich eine Millionen Tonnen der Chemikalie her. Im Einsatz sind mehr als 1.500 Zellen mit einer mit Asbest beschichteten Diaphragma-Fläche in der Größe von 21 Fußballfeldern.
Die Asbestfasern stammen aus Minen in Kanada und Brasilien und werden in fest verschlossenen Containern angeliefert und gelangen durch eine menschenleere Materialschleuse ins Gebäude. Automatisch erfolgt auch das Aufschlitzen der mit Folie umwickelten Asbest-Pakete. Die Maschinen bedient ein Mitarbeiter per Computer in einem mit Wand und Fenster abgetrennten Kontrollraum.
Das Auftragen des Asbests auf die Trennwände der Elektrolyse-Zellen, bei der die Fasern zuvor mit Salzwasser vermischt werden, erledigen Roboter in hermetisch abgeschlossenen Räumen. Asbestpartikel werden aus der Innenluft abgesaugt und gefiltert.
Asbestreste werden in einem eigens bei Dow entwickelten Ofen bei 1.300 Grad verbrannt. Dabei werden die Fasern vollständig zerstört. Zurück bleibt ungiftige Schlacke.
Rund vier Mal im Jahr muss ein zweiköpfiges Team für Wartungsarbeiten die abgeriegelte Zone betreten. Dafür liegen in Schränken Einmal-Overalls sowie Einweg-Unterwäsche bereit. Die Mitarbeiter tragen Atemschutz und müssen nach der Arbeit duschen.
Die Asbest-Technik galt hinsichtlich des Stromverbrauchs jahrelang als die sparsamste. Erst seit Kurzem steht der Dow ein gleichwertiges asbestfreies Verfahren zur Verfügung. Die Umrüstung auf Zellen mit einer Beschichtung aus teflon-ähnlichem Material hat begonnen. Joachim Sellner: "Für eine komplette Umrüstung auf das neue Verfahren brauchen wir noch Zeit bis 2025."
• Internet: www.openpetition.de/petition/online/zukunftssicherung-des-dow-chemical-werk-stade-nds, www.dow.com/de-de/deutschland/standorte/dow-stade
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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