Jobcenter-Mitarbeiter: überfordert oder überheblich?
bim. Tostedt. „Ich halte Termine ein, schreibe Bewerbungen und sitze nicht den ganzen Tag mit einer Chipstüte auf der Couch. Man sollte Hartz IV-Empfänger nicht immer mit Vorurteilen begegnen“, so die alleinerziehende Andrea Höhn (47) aus Tostedt. Sie hat zwei Putz-Stellen, ist aber dennoch auf Hartz IV-Unterstützung angewiesen, um sich und ihren Sohn Dean (8) über die Runden zu bringen. „Doch im Buchholzer Jobcenter herrschen katastrophale Zustände“, sagt sie. So seien mehrfach ihre Unterlagen verschwunden. Wochenlang musste sie auf Geld warten. So erging es auch Carola M. (56) aus Meckelfeld, über die das WOCHENBLATT kürzlich berichtete.
Die gelernte Einzelhandelskauffrau Andrea Höhn ist mit Unterbrechungen seit dem Jahr 2009 auf Hilfe vom Amt angewiesen. Schon damals habe man ihr zu verstehen gegeben, dass sie mit über 40 und einem Kind praktisch unvermittelbar sei. Was die Job-Auswahl angehe, sei sie flexibel, betont An-
drea Höhn, allerdings nicht bei den Arbeitszeiten, weil sie sich ohne Familienangehörige alleine um ihren Sohn kümmern muss.
Alle halbe Jahre muss Andrea Höhn einen neuen Antrag beim Jobcenter stellen. Einmal sei sie mit einer anderen Frau mit gleichem Namen aber anderem Wohnsitz verwechselt worden. Ein anderes Mal sagte man ihr, ihre Unterlagen seien im falschen Fach gelandet, wo sie sechs Wochen (!) gelegen hatten. Und dass, obwohl die 47-Jährige ihre Unterlagen stets rechtzeitig und aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen nur noch persönlich und mit Datumsstempel abgibt. Zuletzt habe man ihr die Schuld für die verschollenen Unterlagen in die Schuhe schieben wollen, weil sie die Zettel für ihren Antrag zusammengeheftet hatte. „Ich fühlte mich so verarscht“, sagt Andrea Höhn.
Dreimal schon habe ihre Vermieterin auf die Miete warten müssen, weil das Jobcenter die Miete einmal gar nicht und zweimal fälschlicherweise auf ihr Konto überwiesen habe, was sie aber zu spät festgestellt habe, berichtet Andrea Höhn. Im Januar hätten sie und ihr achtjähriger Sohn zu allem Überfluss wegen der zwischenzeitlich verschollenen Unterlagen ganz ohne Geld dagestanden. „Ich habe zum Glück Freunde, die uns mit durchgefüttert haben, aber das war mir peinlich“, sagt Andrea Höhn. Weil sie sich nicht noch weiter demütigen lassen wollte, verzichtete sie auf die vorgeschlagene Möglichkeit, Lebensmittelgutscheine vom Amt anzunehmen.
Wie beim Jobcenter Buchholz mitunter gearbeitet wird, habe ihr ein Mitarbeiter unter vorgehaltener Hand gestanden. „Er erzählte, dass die Leistungsabteilung teilweise für eine Woche geschlossen ist, weil die Mitarbeiter Arbeit aufholen müssten“, sagt Andrea Höhn. Antragsteller würden in diesen Zeiten abgewiesen.
Die seien auch bei den schwer verständlichen Bescheiden auf sich gestellt. Und beim kleinsten Versäumnis oder Missverständnis würde ihnen sofort mit Sanktionen gedroht.
Überhaupt bereitet ihr Bauchschmerzen, mit welcher Überheblichkeit mitunter mit den Hartz IV-Empfängern umgegangen wird. Am sogenannten Empfang säße ein Mitarbeiter, der die Jobcenter- „Kunden“, wie die Mitarbeiter die Antragsteller beschönigend gerne nennen, derart unfreundlich als lästige Bittsteller behandele, dass Andrea Höhn inzwischen sogar längere Wartezeit in Kauf nimmt, um nicht an diesen Herrn zu geraten.
Innerhalb von fünf Jahren hatte Andrea Höhn bereits 16 Sachbearbeiter und am 31. März soll sie den nächsten, den 17., kennenlernen. „Ich muss nächste Woche wieder zum Amt. Mir geht es schon ganz schlecht“, meint sie zu der für sie belastenden Situation.
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