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Umstrittene Klinikreform auch im Bundesrat bestätigt - ländliche Kliniken nun in Sorge

Quo vadis Apensen?
Keine Einigung im Apenser Samtgemeinde-Rat

Samtgemeindrat und Zuhörer
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Es war ein Schlagabtausch ohne Ergebnisse: Die Ratssitzung der Samtgemeinde Apensen endete, ohne dass sich die Parteien einig wurden, ob und wie eine Zusammenarbeit mit der Samtgemeindebürgermeisterin Petra Beckmann-Frelock weiterhin möglich ist.

Den Tagesordnungspunkt "Aussprache über den Zustand der Verwaltung der Samtgemeinde Apensen und sich daraus ergebende Konsequenzen" hatten die CDU und die Grünen gefordert, nachdem bekannt worden war, dass auch der Ordnungsamtsleiter und Vize-Rathaus-Chef Edgar Rot das Rathaus verlassen wird. Die Politiker befürchten unter anderem, dass die Verwaltung ihren Aufgaben aufgrund des Personalmangels im Rathaus nicht mehr nachkommen kann, der Landkreis infolge dessen die Verwaltung übernimmt, und sie machen der Samtgemeinde-Bürgermeisterin schwere Vorwürfe (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach). "Die Samtgemeinde Apensen ist ein Scherbenhaufen, ein 'Weiter so' ist nicht möglich", sagt der CDU-Fraktionsvorsitzende Suhr.

Im Raum stand jetzt die Frage, ob der Rat die Abwahl der Samtgemeinde-Bürgermeisterin auf den Weg bringen soll. Diese Möglichkeit wurde im späteren Verlauf der Sitzung zwar nur zögerlich, aber dennoch ausgesprochen. Um ein Abwahlverfahren zu initiieren, müsste der Rat mit einer Dreiviertelmehrheit dafür stimmen. Er würde damit jedoch nur den Weg frei machen, denn die Samtgemeinde-Bürgermeisterin wurde von den Bürgern gewählt und kann auch nur von diesen abgewählt werden. Für eine Abwahl müssten dann 25 Prozent der Wahlberechtigen stimmen.

Doch so weit kommt es gar nicht, denn die Parteien im Rat werden sich gar nicht einig. SPD, Freie Wähler und UWA gehen den Weg der CDU und Grünen nicht mit. Und Sören Wallin von der IGB will ohnehin erst einmal fundiert informiert werden. (Da die IGB nicht im Samtgemeindeausschusses vertreten ist, ist er u.a. bei Gesprächen mit dem Landkreis nicht dabei und kennt auch die Ergebnisse nicht. Aktuell möchte er z.B. über den letzten Schriftwechsel zwischen der Kommunalaufsicht und Verwaltung informiert werden, von dem er nur durch die Presse in Kenntnis gesetzt wurde.)

Frank Buchholz (FWG) wies in der Sitzung darauf hin, dass er als Bürgermeister der Gemeinde Apensen häufig im Rathaus und die Stimmung dort sehr gut sei. Damit widerspricht er dem Vorwurf der CDU und Grünen, dass für die sogenannte Personalflucht aus dem Rathaus die Samtgemeindebürgermeisterin verantwortlich sei. Buchholz teilt mit Petra Beckmann-Frelock und Noch-Vizechef Edgar Rot die Auffassung, dass viele der Mitarbeiter Angst hätten, bei Fehlern von den Politikern öffentlich vorgeführt zu werden und ihre Namen dann in der Presse lesen zu müssen. Er selber hätte anfangs auch Probleme mit der Samtgemeinde-Bürgermeisterin gehabt, sich mit ihr zusammengerauft und erwarte das Gleiche auch von anderen. Dafür bekam Buchholz Applaus von vielen der zahlreich anwesenden Zuhörer und Zuhörerinnen.

Besonders heftig kritisierte Siegfried Stresow (SPD) die Vorgehensweise der CDU und Grünen, nannte sie eine Hetzkampagne und verglich sie mit einer modernen Hexenverbrennung, bei der auch die Presse "locker mitmische".
Die Ursache für die Problematik in der Samtgemeinde Apensen sieht Stresow in der Personal-Entscheidung der Landesregierung, dass jeder Bürger und jede Bürgerin ohne Ausbildung und Verwaltungserfahrung hauptamtlicher Bürgermeister werden könne. Das funktioniere in kleinen Gemeinden wie Apensen nicht, so Stresow, weil die Bürgermeisterin zu sehr in die Verwaltungsarbeit eingreifen müsse. 
Daher sieht Stresow Petra Beckmann-Frelock auch nicht in der Verantwortung für die Probleme in Apensen. Sie sitze nur auf der Anklagebank, weil sie eine Wahl gewonnen habe, die sie nicht hätte gewinnen dürfen. 
Gleichwohl gibt er zu, dass es Ende vergangenen Jahres schon einmal einen Versuch im Samtgemeinderat gegeben hat, einen Abwahlantrag auf den Weg zu bringen, und die SPD ihre Zustimmung davon abhängig gemacht hat, eine geeignete Person als Alternative zur Wahl vorschlagen zu können. 
"Aus heutiger Sicht kann man festhalten, dass das Verhältnis zwischen Frau Beckmann-Frelock, den Politiker vor Ort, und der Bevölkerung in großen Teilen zerrüttet ist", sagt Stresow in seiner Erklärung. "Ich gebe einer weiteren Zusammenarbeit zwischen den Gremien der Samtgemeinde keine großen Chancen mehr."
Als Vorschlag, wie es in Apensen weitergehen kann,  nennt Stresow u.a. weitere Gespräche sowie den Beitritt zur Hansestadt Buxtehude oder zur Samtgemeinde Harsefeld.

Die beiden Mitglieder der UWA, Matthias Plehn und Any Knuth, erschienen nicht zur Sitzung, reichten beim WOCHENBLATT jedoch zuvor eine Presseerklärung mit ihrer Stellungnahme zu den Kritikpunkten der CDU und Grünen sowie Lösungsvorschlägen für die Situation ein. 

Wird die Politik zuschauen oder handeln?

Auszug aus Pressemitteilung der UWA

"Grundsätzlich halten wir es für geboten, die einzelnen Problemfelder sachlich und differenziert zu betrachten und nicht in Verallgemeinerung oder gar Populismus zu verfallen.
So ist die Erstellung der fehlenden Jahresabschlüsse nach einem gemeinsamen Ratsbeschluss bereits an einen externen Dienstleister vergeben. Der erste Jahresabschluss (2019) soll bis zum 31.10.23 fertig erstellt sein. Laut Aussage der Verwaltung ist dieser Termin auch aktuell weiter zu halten. Die nächsten Jahresabschlüsse sollen im Frühjahr 2024 folgen. Dieses Vorgehen war weitgehender Konsens des Rates und stellt somit derzeit keinen Grund zur Diskussion dar. Die Kosten, die durch den Steuerzahler zu tragen sind, sind ärgerlich. Ganz zu verschweigen hierbei ist allerdings nicht, dass die Situation auch durch fehlendes Personal entstanden ist. Hierbei wurden also, wenn auch unfreiwillig, Personalkosten eingespart, die den finanziellen Schaden ein gutes Stück weit relativieren dürften.

Die fehlenden KiTa-Gebührenbescheide beziehen sich unserer Kenntnis nach auf das Jahr 2021. Aktuellere Gebühren sind beschieden und in Rechnung gestellt. Auch hier gilt es selbstverständlich diesen Rückstand möglichst zügig abzuarbeiten. Es ist aber mitnichten so, dass die Bescheide seit zwei Jahren im Rückstand sind, wie in der örtlichen Presse zu lesen war.

Dass Anfragen von Gewerbetreibenden nicht oder nur unzureichend beantwortet werden sollen, ist uns nicht bekannt. Hier würden wir uns wünschen, dass zumindest in konkreten Beispielen diese Fälle benannt werden, um erkennen zu können in welchen Bereichen diese Probleme entstehen. Darauf muss dann selbstverständlich die Verwaltung reagieren und diese eventuellen Missstände abstellen.

Auch wir würden eine etwas offensivere Kommunikation seitens der Bürgermeisterin hinsichtlich entstehender und auch gelöster Probleme grundsätzlich begrüßen. Zugleich täte es aber auch der Kommunalpolitik gut, nicht aus jedem kleinen Fauxpas einen Skandal zu konstruieren und diesen ziemlich einseitig und tendenziös in die lokale und inzwischen bereits auch überregionale Presse zu bringen. So etwas verstellt den Blick für das Wesentliche und wird dem Wunsch nach einer positiven Gestaltung der Heimat nicht gerecht.
Die Personalfluktuation innerhalb der Verwaltung gibt tatsächlich Anlass zur Sorge. Ein differenzierter Blick auf die Sachlage eröffnet hier ebenfalls Lösungsmöglichkeiten.
Wenn ein Mitarbeiter über sich selbst regelmäßig in der Zeitung liest, dass seine Verpflichtung rechtswidrig war und eine unzulässige „Ablöse“ für ihn gezahlt wurde (was so nicht korrekt ist), ist das sicherlich für die Motivation und Loyalität nicht förderlich.
Wenn einer befristet Beschäftigten durch ein Ratsmitglied signalisiert wird, dass ihr Arbeitsvertrag ohnehin nicht verlängert wird, ist es nicht verwunderlich, wenn sie sich selbst um ein neues Tätigkeitsfeld kümmert.
Wenn einem Fachbereichsleiter durch die Kommunalpolitik wiederholt aufgezeigt wird, dass sein berufliches Fortkommen und der nächste Karriereschritt offenbar nicht gewünscht ist, verwundert es nicht, wenn dieser zu einem Arbeitgeber wechselt, der ihm diese Möglichkeiten bietet.

Wie also lassen sich diese Dinge zukünftig verbessern?
Aus unserer Sicht gibt es hier ein ganzes Bündel von Ansatzpunkten:
Zunächst halten wir es nicht für sinnvoll, dass sich alle Bewerber/-innen für Arbeitsplätze innerhalb der Verwaltung im Samtgemeindeausschuss vorstellen müssen. Die Vergangenheit zeigt, dass viele Bewerber diese Termine absagen (und sich offenbar für einen anderen Arbeitgeber entscheiden). Offensichtlich macht dieses Verfahren das Einstellungsprozedere zu langwierig und möglicherweise ist für einige die Hemmschwelle zu hoch. Zudem ist diese Herangehensweise in den Nachbarkommunen (und damit Wettbewerbern) unüblich. Das Beispiel der Erzieher zeigt, dass sich die Personalsituation hier deutlich entspannt hat, seitdem diese direkt durch die Verwaltung eingestellt werden. Ausdrücklich ausgenommen hiervon, sollte die Fachbereichsleiterebene bleiben.
Thema Geld: In Zeiten des Fachkräftemangels stehen die potenziellen Arbeitgeber im Wettbewerb zueinander. Immer wieder fällt auf, dass verschiedene Kommunen unterschiedliche Eingruppierungen hinsichtlich der Entgeltstufen bei vergleichbaren Tätigkeiten ausloben. Sicherlich müssen hier Wege gefunden werden um auch innerhalb der Grenzen des TVöD mit anderen potenziellen Arbeitgebern konkurrenzfähig zu bleiben.
Die derzeit vakanten Fachbereichsleiterstellen zu besetzen, sollte für uns höchste Priorität haben. Hier würden wir uns, wenn alle anderen Versuche fruchtlos geblieben sind, für ein Engagement eines Headhunters aussprechen.
Das absehbare Argument, hier ein gebranntes Kind zu sein, können wir entkräften. Der letzte Headhunter-Einsatz, den wir seinerzeit scharf kritisiert haben, bezog sich auf eine Person, die von der Bevölkerung zu wählen war (nämlich dem Bürgermeister). Diese Wahlmöglichkeit sollte den Bürgern genommen werden.

Bei den Fachbereichsleitern handelt es sich um Direkteinstellungen der Verwaltung, was die Lage völlig verändert.
Zum guten Schluss sollte noch einmal die Wertschätzung der Mitarbeitenden durch die Politik betrachtet werden. Es muss nicht jede Ungenauigkeit öffentlich ausgeschlachtet werden. Viele Missverständnisse lassen sich im persönlichen Gespräch klären. Vermeintlich unrichtige Protokolle können durch Anhören der Audioaufnahmen korrigiert werden. Ein paar falsch ausgestellte Strafzettel sind kein Skandal. Auch sollten wir uns von dem Gedanken freimachen, das Personal nur als Kostenfaktor zu betrachten.

Wir sind davon überzeugt, dass die Belegschaft jegliche aufkommenden Fragen der Politik in ihren jeweiligen Fachgebieten gern beantwortet, soweit ihnen dies möglich ist.
Wir möchten an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass wir den Ansatz dieser Debatte als richtig und wichtig erachten. Den Zeitpunkt unmittelbar nach der Sommerpause und vor diversen Einstellungsgesprächen mit potenziell neuem Personal halten wir jedoch für mindestens unglücklich. Zudem ist der gewählte Weg über die Presse bestenfalls dazu geeignet, den Druck auf Rat und Verwaltung zu erhöhen.

Redakteur:

Nicola Dultz aus Buxtehude

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