Altenheime, Industrie, Schwimmbäder, Gewerbe
Wie sparen Unternehmen Energie?
Steigende Energiepreise und eine drohende Gasknappheit im Winter: Verbraucher sind angehalten, wo möglich Strom zu sparen und bei kalten Temperaturen ab Herbst die Heizung herunterzudrehen. Doch wie sieht es bei den Unternehmen, Institutionen und Betrieben in der Region aus? Um ihren Betrieb aufrecht zu erhalten, sind sie auf Strom und Wärme angewiesen. Gibt es bei ihnen überhaupt Einsparpotenzial? Und führen die steigenden Energiekosten am Ende zu Preissteigerungen für die Verbraucher? Das WOCHENBLATT hat nachgefragt bei Sportvereinen, Industrie, Gastronomie, Krankenhäusern, Gewerbetreibenden, Stadtwerken, Landwirten und Schulen in den Landkreisen Harburg und Stade.
Krankenhaus
In tiefer Sorge blickt Arturo Junge, Betriebsleiter der Elbe Kliniken in Stade und Buxtehude, in die Zukunft. Bundesweit drohen den Krankenhäusern aktuell bis zu 40-prozentige Preissteigerungen bei Energie und mehr als 10 Prozent bei den Sachkosten, berichtet Junge: "Anders als andere Unternehmen können Krankenhäuser diese Belastungen nicht weitergeben, sodass wir dringend auf Hilfe seitens des Gesetzgebers angewiesen sind, damit eine finanzielle Überlastung der Kliniken abgewendet werden kann." Eine Reaktion der Politik auf die Hilferufe der Krankenhäuser und ihrer Verbände sei bisher leider gänzlich ausgeblieben. "Alle Krankenhäuser sind bundesweit daher in tiefer Sorge, werden wir doch in wirtschaftlich ganz instabilen Zeiten im Herbst wieder gefordert sein, unseren Teil dazu beitragen, dass den kommenden Coronawellen erfolgreich entgegengewirkt werden kann."
Auf Grund der alten Gebäudestruktur sowie der Vielzahl an medizinischen Geräten sind im Elbe Klinikum Stade sind die Verbräuche überdurchschnittlich hoch. Der Ersatzneubau Pflege, der voraussichtlich im Spätsommer 2023 fertiggestellt sein wird, wird laut Junge dazu beitragen, Energieverbräuche zu senken. Es gelte allerdings, jetzt Maßnahmen umzusetzen, um Energiekosten zu senken. In den Elbe Kliniken ist bereits ein Krisenstab eingerichtet worden, um Energiesparmaßnahmen kurzfristig auf den Weg zu bringen. Identifiziert, bewertet und teilweise in Umsetzung sind bisher mehr als 40 Maßnahmen.
Einen hohen Stromverbrauch gibt es u.a. dort, wo medizinische (Groß-)Geräte wie z.B. Computertomographen (CT) zum Einsatz kommen. Die Elbe Kliniken arbeiten bereits daran, die Stand-by-Zeiten aller Geräte zu minimieren. Auch die Klimatisierung von sensiblen Bereichen, wie OP oder Intensivstationen, ist sehr energieintensiv.
"Die Energieeffizienz-Optimierung fängt bereits bei der Sensibilisierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an", ist Junge überzeugt. In der aktuellen Hitzeperiode könne die Lüftungsstrategie in den frühen Morgenstunden, wo möglich, optimiert werden, um Raumtemperaturen abzusenken. Im Winter können Zentralheizungen z.B. um ein bis zwei Grad niedriger gestellt oder nicht benutzte Geräte mit einem Zwischenschalter komplett vom Stromnetz genommen werden. Wir prüfen aktuell eine energieeffizientere Beleuchtung und den weiteren Einsatz von LED-Technik. Der Einsatz von effizienteren PCs und Fernseher befindet sich bereits in der Umsetzung. "Da wir in unseren Häusern allerdings gesundheitlich gefährdete Menschen versorgen, müssen wir hier immer sorgfältig abwägen, was medizinisch, pflegerisch, hygienisch und technisch möglich ist", betont der Betriebsleiter.
Seniorenheim
Andrea Buro ist Direktorin des Seniorenheims "Kursana Domizil" in Buchholz. Die Einrichtung plane keine Energieeinsparung durch Absenken der Heizungstemperatur: "Unsere Bewohner sind ein heimeliges Wohnen mit gewissen Temperaturen gewohnt und benötigen dieses auch. Wir haben aber alle Bewohner und Mitarbeiter für das Thema sensibilisiert. Das bedeutet, dass die Zimmertemperatur nicht durch das Öffnen und Schließen der Fenster reguliert werden sollte, sondern durch Betätigung des Heizungsreglers."
Friseur
Als Obermeisterin der Friseur-Innung des Landkreises Harburg repräsentiert Katharina Kalinowsky 65 Betriebe mit ca. 180 Beschäftigten. Zwar hätten die Betriebe in den vergangenen Jahren schon viel für die Energie-Effizienz getan. "Doch durch die Pandemie sind in den Betrieben die Wasserverbräuche um mindestens 30 Prozent gestiegen, da alle Trockenhaarschnitte aus Hygienegründen verboten wurden. Hier am warmen Wasser zu sparen, wäre kontraproduktiv", sagt Kalinowsky. Als mögliche Maßnahmen, den Energieverbrauch zu senken, werde u.a. eine Einschränkung der Öffnungszeiten auf Kernzeiten diskutiert sowie die Abschaltung von Warmwasserspeichern über Nacht und am Wochenende. "Aber grundsätzlich sind warmes Wasser und Strom zum Trocknen der Haare unerlässlich, um unseren Beruf auszuüben."
Würden gesetzlich Einschränkungen zum Energiesparen vorgegeben, würde das für die Kunden mit Sicherheit zu weiteren Preissteigerungen führen, um die Salons trotzdem minimal rentabel zu halten. Zusätzlich zur Energiekrise seien die Steigerungen beim Mindest- und Tariflohn eine große finanzielle Herausforderung, die zu Preissteigerungen führen könnte. Gewinneinbrüche, Abwanderung in die Schwarzarbeit und Schließung von Betrieben wären die Konsequenz. "Die letzten Jahre waren durch die Zwangsschließungen der Betriebe geprägt und haben die Rücklagen vernichtet. Verteuert sich jetzt der große Block der Energiekosten um 200 bis 300 Prozent, können keine ausreichenden Gewinne mehr im Friseurhandwerk realisiert werden."
Industrie
Um Energie zu sparen, hat das Unternehmen RSH POLYMERE mit Standorten in Garstedt und Hamburg erheblich in moderne, emissionsarme und energiesparende Produktionsanlagen investiert. Zusätzlich pflegt RSH ein Energiemanagementsystem mit jährlichen Einsparzielen. Rohstoffbasis des Unternehmens sind saubere Kunststoffabfälle der Industrie, die es zu Rezyklaten verarbeitet, die wie Neuware einsetzbar sind. Laut Wolfgang Bühl von der Geschäftsleitung (Foto) wiegt die Energiepreisentwicklung schwer: “Die Preissteigerungen können wir natürlich nicht komplett an unsere Kunden weitergeben. Ein Problem ist auch, dass wir künftig nach der EEG-Novelle durch die Reduzierung der antragsberechtigten Wirtschaftszweige nach Maßgabe neuer Leitlinien der EU-Kommission aus der Begrenzung der Stromumlagen herausfallen. Hersteller von Kunststoffneuware profitieren weiter von den Entlastungen, die Recyclingbranche wird durch diese Wettbewerbsnachteile massiv geschwächt.“
Schule
"Aktuell überprüft und optimiert die Verwaltung des Landkreises Harburg bereits die Heizungsanlagen und deren Einstellungen in den Schulen und anderen kreiseigenen Gebäuden", teilt Kreissprecherin Katja Bendig mit. Parallel finden regelmäßige Treffen mit Beteiligung des Landkreises und den Kommunen statt. Ziel ist es, kurz-, mittel- und längerfristige Energiesparmaßnahmen unter Berücksichtigung sozialer, aber auch wirtschaftlicher Aspekte zu definieren. Auch mit anderen Beteiligten, z.B. den Schulen und Energieversorgern finden Gespräche statt: "Landkreis und Kommunen erstellen gemeinsam einen Stufenplan. Ein erster Entwurf soll bis Ende August vorliegen", so Bendig.
Sportverein
Der Todtglüsinger Sportverein betreibt u.a. eine Fitnesshalle und mehrere Saunen und hat bereits seit Anfang Juni die Temperatur bei den Duschen gedrosselt. "Unter 60 Grad darf man jedoch nicht gehen, weil dann die Gefahr von Legionellenbildung besteht'", erklärt die Vorsitzende Renate Preuß. Hilfreich wäre, wenn die Mitglieder und Trainer nur ganz kurz duschen würden, um Geld zu sparen. Denn eine Preissteigerung, bzw. die Erhöhung der Mitgliedsbeiträge kann nicht ohne weiteres beschlossen werden - dafür wäre eine Mitgliederversammlung notwendig. "Außerdem möchten wir unsere Mitglieder, solange es geht, verschonen", sagt Preuß.
Der Verein hat bereits viele Energiesparmaßnahmen umgesetzt: Bewegungsmelder und Energiesparleuchten statt ständig brennender Lampen, an den Waschtischen wurde der Heißwasserverbrauch drastisch zurückgefahren, die Sauna läuft nur dann auf Hochtouren, wenn sie gebraucht wird, und die Nutzung von warmem Brauchwasser wird mit Solarenergie unterstützt.
Beim TSV Winsen werden mögliche Energieeinsparungen derzeit geprüft. Und zwar zunächst anhand einer Checkliste, die der Landessportbund (LSB) herausgegeben hat. Anschließend wolle man dann weitersehen, heißt es.
Schwimmbad
Im Hallenbad "Insel" in Winsen wurden bereits im Mai die Wasser-, Luft- und Duschtemperatur jeweils um ein Grad gesenkt, berichtet Hans-Georg Preuß, Geschäftsführer der Stadtwerke Winsen. Auch die Lüftungsanlagen und Pumpen wurden bereits optimiert und für das Außenbecken eine Abdeckung bestellt, die nach Betriebsschluss angebracht wird, sodass weniger Energie verloren geht. "Außerdem haben wir die gasbetriebene Banja-Sauna seit Mai abgeschaltet und die Wasserspareinätze in den Duschen von neun auf sechs Liter umgestellt. In Planung befindet sich der Austausch alter Umwälzpumpen gegen energieeffiziente Pumpen sowie die Erneuerung der Riesenrutsche in 2023 mit Dämmung."
Gastronomie
Mit reduzierten Öffnungszeiten reagieren Nele Landschof und Sven Dierksen, Geschäftsführer des Ringhotels Sellhorn in Hanstedt, auf die Energiekrise. "Vorher war uns immer wichtig, dass das Gebäude von außen hübsch beleuchtet ist. Inzwischen achten wir auf Energieeinsparungen. In Räumen, die wir nicht nutzen, wird das Licht ausgeschaltet". Zudem wurden die Heizzeiten der Sauna von 15 auf fünf Stunden reduziert. "Die Wassertemperatur des Schwimmbeckens können wir nicht senken. Die Technik und Dichtungen sind zu sensibel."
Auch die Hotelgäste können ihren Teil zum Energiesparen beitragen, indem sie auf die tägliche Zimmerreinigung und den Handtuchwechsel verzichten.
Was eine mögliche Preissteigerung angeht, so machen dem Betrieb aktuell die gestiegenen Rohstoffpreise stärker zu schaffen als der Energiepreis: "Der Wareneinkauf ist in allen Bereichen betroffen. Dies müssen wir weiterreichen bei Speisen, Getränken und Übernachtungen."
Landwirtschaft
Für Niklas Plath aus Stade, der in dem landwirtschaftlichen Milchviehbetrieb seiner Eltern arbeitet, ist die Energiepreissteigerung spürbar. "Dass betrifft momentan jeden. Wir sind aber im Frühjahr schon Kontrakte eingegangen, die uns kostengünstigeren Diesel zusichern, deshalb sind wir nicht unmittelbar abhängig von den Spritpreisen. Eine drastische Kostensteigerung des Futtermittels wäre schlimmer für unseren Betrieb. Die Milchpreise sind derzeit akzeptabel und sollten in jedem gut geführten Betrieb auch kostendeckend sein. Der größte Stromkostenfaktor ist die Kühlung der Milch, jedoch ist unser Betrieb da gut aufgestellt gewesen. Viel mehr ist nicht machbar."
Auch über Investitionen in eine eigene Energieversorgung hat Familie Plath schon nachgedacht. "Eine Photovoltaikanlage, Bio-Gas oder vermehrt auf Roboter-Technik umzusteigen ist sicherlich etwas, das in Betracht gezogen wird."
Eine Viehbestandsreduzierung lohne sich für den Milchviehbetrieb Plath aktuell nicht, so Niklas Platz. "Für uns ist das momentan kein Faktor, wir sind auf einem guten Niveau. Aufstocken würden wir momentan aber auch nicht. Hinzu kommt, dass Mineraldünger auch teurer wird. Durch unsere Kühe haben wir die Chance uns den Nährstoffkreislauf zu Nutzen zu machen und mit Gülle zu düngen."
(ah/as/bim/ce/jd/pm/sv)
Redakteur:Christine Bollhorn aus Buchholz |
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