Tendenz steigend: Senioren als Unfallverursacher
Ältere Autofahrer blenden oft die Risiken aus / Verkehrswacht bietet spezielle Seminare an
tk. Landkreis. Mittwochmorgen auf dem Buxtehuder WOCHENBLATT-Parkplatz: Minutenlang kurbelt der Autofahrer, um in eine normal breite Parklücke zu rangieren. Am Ende steht er gleich auf zwei markierten Parkplätzen. Der alte Herr humpelt weg, ohne sich um sein platzverschwendendes Parken zu kümmern. Eine Kleinigkeit im Vergleich zu den stetig steigenden Unfallzahlen, bei denen ältere Autofahrer die Verursacher sind: In diesem Jahr hat es bereits zwei tödliche Unfälle im Landkreis Stade gegeben, bei denen Fahrer, älter als 70 Jahre, die Verursacher waren. Tendenz steigend: Im gesamten Jahr 2011 gab es insgesamt 301 Verkehrsunfälle mit Ü70-Fahrer, in diesem Jahr sind es bereits 324.
"Die Zahlen für den Landkreis Stade spiegeln die deutschlandweite Entwicklung wieder", sagt Siegfried Häußler von der Verkehrswacht Buxtehude. Er kümmert sich besonders um das Thema Mobilität im Alter. 2015 sind deutschlandweit 48.690 Menschen nach Unfällen, die von Senioren (65 plus) verursacht wurden, im Krankenhaus gelandet. "So viele, wie in einer mittelgroßen Stadt leben. Das gibt zu denken", sagt er.
"Ich fahre doch nur täglich ganz langsam nach Harsefeld zum Einkaufen", zitiert Häußler eine über 90-jährige Dame, die sich bei einem seiner Vorträge in Seniorenkreisen "sicher mobil - mobil bleiben" zu Wort gemeldet hatte. Der pensionierte Polizist, früher Leiter der Verkehrseinheit der Davidwache in Hamburg, benennt das Grundproblem: "Wir werden immer älter und wollen mobil bleiben". Gerade auf dem Land fehle es aber an Nahverkehrsmitteln und Einkaufsmöglichkeiten.
Weil es im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern in Deutschland keine Pflicht zur Kontrolle der Fahrtüchtigkeit ab einem bestimmten Alter gibt, rät Häußler zu behutsamer Überzeugungsarbeit. "Reden Sie mit den Älteren, wenn Sie der Meinung sind, Autofahren geht nicht mehr." Grundsätzlich stehe er einem Gesetz, dass Fahrtüchtigkeitsprüfungen vorschreibt, positiv gegenüber. "Auch wenn ich mit jetzt 72 Jahren dann selbst dran bin", sagt Häußler.
Bei seinen Vorträgen stellt er häufig fest, dass ältere Autofahrer die Einschränkungen bewusst ausblenden. Seh- und Hörfähigkeit lassen nach, die Reaktionsfähigkeit ebenso, Medikamente können Einfluss auf die Fahrtüchtigkeit haben. "Das wollen viele nicht wahrhaben", so Häußler.
Es könne helfen, einmal mit einem Fahrlehrer eine Stunde zu vereinbaren, um Defizite zu erkennen und auszugleichen. Außerdem sollten Senioren nicht zur Hauptverkehrszeit fahren, wenn es auch einen anderen Zeitpunkt für die Tour gibt." Sich auf die immer komplexere Technik und ausgeklügelte Assistenzsysteme zu verlassen, sei eine trügerische Sicherheit. "Technik kann im Alter auch überfordern", so Häußler.
Grundsätzlich müsse es seiner Meinung nach nicht nur bei Gesetzen, sondern auch im Denken eine Veränderung geben. "Ohne Auto bin ich ein Nichts", würden zu viele Menschen denken. Bitten Sie Ihre Nachbarn und Bekannten, sie zu fahren", rät Häußler. Wer freundlich frage, dem werde meistens auch geholfen.
• Die Verkehrswacht Stade und Buxtehude bietet im kommenden Jahr erneut Fahrtraining für Senioren an. Die Termine werden auch im WOCHENBLATT angekündigt
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