Nach 60 Jahren Grab der Schwester gefunden
Jean Dupont besucht letzte Ruhestätte der kleinen Maria
sb. Fredenbeck. Es war ein ergreifender Moment. Knapp 60 Jahre nachdem die kleine Maria Kocinbko auf der Stader Geest im Alter von nur zehn Tagen an Unterernährung starb, stand jetzt ihr Bruder Jean Dupont am Grab seiner Schwester in Fredenbeck. Nicht nur, dass er die Kleine nie kennenlernte. Dupont hatte erst vor drei Jahren erfahren, dass Maria überhaupt existierte. Langwierige Recherchen führten ihn zu ihrer letzten Ruhestätte. Jetzt legte er dort eine Tafel mit persönlicher Widmung nieder.
Wie das WOCHENBLATT berichtete, wurden während des zweiten Weltkriegs im Landkreis Stade rund 7.000 ausländische Zwangsarbeiter eingesetzt, die in dieser Zeit auch Kinder zur Welt brachten. Die Babys galten nach der nationalsozialistischen Rassenideologie als minderwertig und waren auf vielen Arbeitsstellen unerwünscht. In diesen Fällen mussten die Arbeiterinnen ihre Kinder in speziellen Heimen für fremdvölkerische Kinder zurücklassen. Eine dieser Einrichtungen befand sich in Fredenbeck. Wegen mangelhafter Versorgung starben alle dort in Obhut gegebenen Kinder innerhalb weniger Tage. Ein Gedenkstein mit den Vornamen der Kinder und eine Infotafel erinnern heute an das grausame Schicksal der Babys.
Vor drei Jahren erfuhr der Belgier Jean Dupont von einem Onkel, dass er noch eine Schwester hat. Seine Eltern hatten das Kind während ihrer Kriegsgefangenschaft in Deutschland gezeugt. Weil Duponts Mutter den frühen Tod ihrer kleinen Tochter nur schwer verkraftet hatte, wurde über das Thema später nie mehr gesprochen.
Jean Dupont ließ das Thema nicht mehr los. Bei den Recherchen nach dem Grab seiner Schwester stieß er im Internet auf den Namen von Wolfgang Weh aus Fredenbeck. Der Fredenbecker Ratsherr hatte sich stark für die Errichtung des Gedenksteins mit Infotafel auf dem Friedhof eingesetzt. Weh fand heraus, dass die Schwester Duponts eines der Anfang 1945 in dem Fredenbecker Heim verstorbenen Babys war. In den Unterlagen ist sie als "Maria Kocinbko, geboren am 18. Februar 1945, verstorben am 28. Februar 1945, Herkunft unbekannt" verzeichnet.
Um der kleinen Maria zu gedenken und sich bei Wolfgang Weh persönlich zu bedanken, reiste Jean Dupont kürzlich nach Fredenbeck. Als Zeichen seiner Verbundenheit zu seiner Schwester, die er nie kennenlernen durfte, brachte er ein kleines Grabmal mit ihrem Namen und ihren Lebensdaten mit.
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