"Erschreckende Fremdenfeindlichkeit" in Kutenholz
Nach rechtsradikalen Protesten gegen Heim für minderjährige Flüchtlinge: Kirchen erstatten Anzeige wegen Volksverhetzung
tp. Kutenholz. In der von rechtsradikalen Protesten begleiteten Diskussion um die bislang gescheiterte Errichtung eines Heimes für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge und deutsche Jugendliche ohne Familienanschluss in Kutenholz (das WOCHENBLATT berichtete) meldet sich jetzt die Kirche mit einem Appell um ein "respektvolles Miteinander" zu Wort. Anlass des gemeinsamen öffentlichen Statements des Mulsumer Kirchenvorstandes und des Kirchenkreises Buxtehude geben eine Vielzahl an Briefen, E-Mails und Telefonaten. Die Beiträge mit teilweise "fragwürdigen und fremdenfeindlichen Argumentationen haben uns erschreckt", heißt es in der Stellungnahme.
Gegen den Absender eines unbekannten Schreibens haben die Kirchen Strafanzeige wegen Volksverhetzung erstattet. Laut der für Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Pastorin, Christa Haar-Ratjen, enthielt der Brief, der im Briefkasten des evangelischen Gemeindehauses steckte, Ausschnitte aus Boulevardzeitungen mit "menschenverachtenden Schmähparolen".
Das anonyme Pamphlet ist nicht der einzige Vorfall, der in den vergangenen Wochen Unruhe ins Dorf brachte: Laut Bürgermeister Gerhard Seba gab es eine Sammlung von rund 400 Unterschriften gegen die Heim-Pläne, die durch eine kleine Gruppe von Gegnern unter Lügen und falschen Vorwänden, wie "wenn du keine Verbrecher im Dorf willst, unterschreibe", zustande gekommen sei. Nicht zuletzt wegen Ermangelung jeglicher Form wie Angaben zum Initiator und zum Anlass habe der Gemeinderat die "erhaschte" Liste, die an Samtgemeinde-Bürgermeister Ralf Handelsmann übergeben wurde, keine weitere Beachtung geschenkt und sie "nicht kommentiert".
Ein weiteres Strafverfahren wurde gegen einen Graffiti-Sprayer eingeleitet, der Gebäude mit rechtsradikalen Parolen beschmierte.
Sämtliche Vereine und Institutionen sowie Firmen, die sich seit Jahren vielfach erfolgreich für die Integration von Flüchtlingen einsetzen, seien bestürzt über die Entwicklungen und sehen ihre ehrenamtliche Arbeit missachtet, was sogar zum Rücktritt des angesehenen Sprechers der Arbeitsgruppe Zukunft, des Arbeitskreises Verbund Dorfentwicklung und Sprechers des "Runden Tischs Kutenholz", Manfred Tiemann, führte. Am "Runden Tisch", der sich vor 19 Jahren nach gewaltsamen Übergriffen auf Bewohner der damaligen Asylbewerberunterkunft im Ortsteil Aspe durch die Neonazi-Gruppierung "Bomber" gründete, hat man sich klar gegen die Geschehnisse positioniert.
Unterdessen stehe der Gemeinderat den zur Zeit auf Eis liegenden Plänen zur Umnutzung der Ex-Gaststätte Tripke gegenüber des Pendlerbahnhofes durch die Firma B+S Soziale Dienste aufgeschlossen gegenüber. Nach Abriss des Gasthofs sollen in einem Neubau bis zu zehn jüngere Jugendliche vor der Berufsausbildung in Wohngruppen betreut werden.
Auch bei der Kirche will man die Dialog über das Vorhaben fortsetzen: "Wir setzen uns mit vielen anderen Engagierten dafür ein, dass Menschen Zuflucht bei uns finden können, die durch Hunger, Gewalt und Krieg zur Flucht aus ihrer Heimat gezwungen wurden. Wir wenden uns gegen jegliche herabsetzenden Äußerungen gegen Menschen aufgrund ihrer Herkunft. Als Christ fühle man sich Jesu Gebot verpflichtet: „Du sollst deinen Mitmenschen lieben wie dich selbst.“
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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