"Das Schweigen brechen"
jd. Harsefeld. Rund 90 Demonstranten zogen durch Harsefeld, um an Wehrmachts-Massaker zu erinnern
Es waren mehr Polizisten als Protestler auf der Straße: Rund 90 Antifaschisten zogen am Samstagnachmittag durch Harsefeld, um die Bürger darauf hinzuweisen, dass in der Nähe der im italienischen Verona als Kriegsverbrecher verurteilte Alfred L. (87) wohnt. Der friedliche Demonstrationszug wurde von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Mehr als 100 Beamte - größtenteils ausgerüstet mit Helmen und Schlagstöcken - waren im Einsatz. Die Kundgebung endete vor L.s Haus an der K 46 Richtung Ohrensen. Dort wurde der ehemalige Feldwebel der Wehrmacht aufgefordert, sich der italienischen Justiz zu stellen.
"Übernehmen Sie endlich die Verantwortung für ihre Taten", tönte es vom Lautsprecher-Wagen, der an der Auffahrt zu L.s Grundstück postiert wurde. Direkt davor waren Bereitschaftspolizisten in voller Kampfmontur in Stellung gegangen. Sie sollten verhindern, dass Demonstranten zu dem abseits der Straße gelegenen Haus von Alfred L. vordringen. Doch das war nach Angaben des Veranstalters der genehmigten Demo, der Kampagne "Mai Più Fascismo" (Nie wieder Faschismus), auch nie geplant: "Unser Ziel war es, L. mit seiner Vergangenheit zu konfrontieren und das Schweigen hier vor Ort zu brechen", erklärte Kampagnen-Sprecher Olav Bergmann: "Dafür müssen wir kein Grundstück stürmen."
Kritik übte Bergmann an der Vorgehensweise der Polizei: Vor allem zu Beginn der Demo hätten sich die Einsatzkräfte durch "unangemessen aufdringliches Verhalten hervorgetan". Ebenso monierte er, dass Polizeibeamte die gesamte Kundgebung filmten, obwohl alles ruhig verlief. Bevor sich die Antifa-Aktivisten, die überwiegend per Zug aus Hamburg und Bremen angereist waren, auf den Weg nach Ohrensen machten, ging es vom Harsefelder Bahnhof auf einem Rundkurs durch den Ort.
"Kein Vergeben, kein Vergessen", stand auf dem Transparent, das vorangetragen wurde. Von der deutschen Justiz verlangten die Kundgebungs-Teilnehmer, gegen Alfred L. Anklage zu erheben, um ihn auch hierzulande wegen der ihm in Italien zur Last gelegten Taten zu belangen.
Entlang ihrer Marschroute verteilten die Demonstranten Flugblätter an die Passanten und steckten Info-Material in die Briefkästen. Darin geht es um die Hintergründe zum Gerichtsverfahren gegen Alfred L., dessen Beteiligung an Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung auch ein Berufungsgericht in Rom als erwiesen ansah. Parallel wurden die Harsefelder per Megaphon gebeten, L. auf seine Vergangenheit anzusprechen: "Egal, wann sie L. treffen, ob beim Bäcker oder sonstwo - stellen sie ihm die Frage, was er damals getan hat."
"Besonders gefreut haben wir uns über ein Grußwort des 'Vereins Angehörige der Opfer von Monchio'", erklärt Bergmann. Monchio ist eines der kleinen Bergdörfer, in denen die Wehrmachts-Division von L. Zivilisten umgebracht hat. Das Grußwort mache deutlich, wie wichtig es sei, an die NS-Verbrechen zu erinnern, so Bergmann. In seinem Gedächtnis seien besonders die eindringlichen Worte eines Dorfbewohners haften geblieben, der damals einen Teil seiner Verwandten verlor: "Ich denke immer nur an Monchio, an die Familie meines Vaters, an die 136 Toten, an die vergewaltigten Frauen, an die in die Luft geschleuderten kleinen Kinder."
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