Rechnung ohne den Wirt
(jd). Wohin mit der Konfirmationsgesellschaft? Früher ging es in den Gasthof, heute ins Vereinsheim. Zwischen Ostern und Pfingsten finden jetzt überall Konfirmationen statt. Bei einer großen Verwandtschaft fehlt oft der Platz, um zu Hause zu feiern. Vor ein paar Jahren war das kein Problem: Familien mit größeren Festgesellschaften richteten die Konfirmationsfeier im Dorfgasthof aus. Diese Möglichkeit schwindet zunehmend: Der Grund ist das Verschwinden der Gasthäuser auf dem platten Land.
Vor einigen Jahrzehnten gab es selbst in Dörfern mit ein paar Hundert Einwohnern zwei bis drei Gastwirtschaften. Viele dieser kleinen Wirtshäuser verfügten nur über eine bescheidene Gaststube, in der man sich abends zum Feierabend-Bierchen traf und am Sonntagvormittag der Stammtisch zusammenkam. Stand eine größere Feier an, wurde es vielerorts wie im Geestdörfchen Ahrensmoor gehandhabt: Der Wirt deckte die Festtafel einfach in seinem geräumigen Wohnzimmer.
Solche kleinen Dorfkneipen waren dann die ersten, die ihre Pforten für immer schlossen. Ein paar durstige Männer sowie hin und wieder eine Familienfeier reichten nicht mehr, um davon zu leben. Einige wenige dieser Mini-Wirtschaften blieben bestehen, weil sie im Nebenerwerb betrieben wurden, so wie - ein paar Dörfer weiter von Ahrensmoor - in Brest: Dort führte ein Rentner den Gasthof "Zur Linde", den er von seiner Tante geerbt hatte.
Stand sein Fahrrad vor der Tür des Wirtshauses, wussten die Leute Bescheid: Die Kneipe hat geöffnet. "Der kleine Gasthof besaß in der dörflichen Gemeinschaft schon eine gewisse soziale Funktion", sagt Brests Bürgermeister Dieter Tomforde. Viele der älteren Dorfbewohner hätten sich dort zum Klönschnack getroffen. Doch damit ist seit drei Jahren auch Schluss: Der "Linden"- Wirt starb und mit ihm auch ein Stückchen Dorfleben. Nun schlummert das in die Jahre gekommene Wirtshaus im Dornröschen-Schlaf: Beim Ortstermin fühlte sich der WOCHENBLATT-Reporter in die Zeit seiner Kindheit zurückversetzt: Seit den 1960er Jahren dürfte sich das Interieur nicht verändert haben.
Inzwischen gibt es in der Gemeinde Brest keine einzige Gastwirtschaft mehr. Ihre Funktion wurde zum Teil von den drei Dorfgemeinschaftshäusern und den Vereinsheimen übernommen. Gerade diese Einrichtungen sind es, die seitens der Gastronomen-Verbandes DEHOGA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) im Kreuzfeuer der Kritik stehen. Stichwort "Schwarzgastronomie". Der DEHOGA beklagt sich immer wieder - wie unlängst in seinem "Schwarzbuch" -, dass Kommunen solche Häuser für private Feste vermieten, ohne dass ein Wirt hinzugezogen werden muss.
Bürgermeister Tomforde lässt solche Kritik nur bedingt gelten: "Wir haben händeringend nach einem Gastwirt gesucht, der bei Privatfeiern in einem unseren Dorfgemeinschaftshäuser die Bewirtung übernimmt. Doch alle, die wir angesprochen haben, lehnten ab." So bleibt vielen Familien in den Dörfern nichts anderes übrig, als die Rechnung ohne den Wirt zu machen: Sie nehmen die Ausrichtung der Konfirmationsfeier in die eigene Hand und gehen damit ins Vereinsheim oder ins Dorfgemeinschaftshaus.
Ohne ein gutes Konzept läuft nichts
Längst hat das Gasthof-Sterben auch größere Saalbetriebe im Landkreis erfasst: Mal fehlt ein Nachfolger, mal sind die Kosten zu hoch, um behördliche Auflagen etwa beim Brandschutz zu erfüllen. So mussten Traditionslokale wie das Hotel Eichhorn in Harsefeld oder der Delmer Hof in Apensen schließen. "Es trifft vor allem diejenigen, die nicht rechtzeitig in die Modernisierung investiert haben", sagt ein Gastwirt von der Stader Geest, der lieber anonym bleiben will. Er habe die Nachfolge geregelt, immer wieder modernisiert und ein Konzept entwickelt, um mit den verschiedensten Aktionen Gäste ins Haus zu holen. Sein Credo: "Ein Gastwirt, der nicht mit der Zeit geht, muss beizeiten gehen."
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