Bibbern vor der ersten Stunde - Grundschule ließ Kinder bei minus 15 Grad fast eine halbe Stunde vor der Tür stehen
mi. Hollenstedt. Eine Woche hatte der Winter uns in seinem eisigen Griff: Temperaturen von minus 15 Grad, Schnee, schneidend kalter Wind,- vor der Kältewelle wurde bei einschlägigen Wetterdiensten sogar gewarnt, es drohten Erfrierungen, besonders Kinder seien gefährdet, hieß es da. Auch die Grippe grassiert derzeit wie lange nicht mehr. Ungeachtet all dessen ließ man an der Glockenbergschule, einer Grundschule in der Samtgemeinde Hollenstedt, morgens als die Kälte am schlimmsten war, rund 240 Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren fast eine halbe Stunde vor dem verschlossenen Schulgebäude bibbern.
Hintergrund: An der Glockenbergschule gibt es seit Mitte Februar eine sogenannte Frühaufsicht draußen vor dem Gebäude. Das Schulhaus bleibt verschlossen und zwei Lehrer, gekennzeichnet durch rote Westen, organisieren im Freien eine Frühbetreuung für die Schüler.
Mit dieser ungewöhnliche Maßnahme will die Schule, nach Angaben von Schulleiterin Sandra Pankow-Waller, eine bessere Kontrolle darüber erhalten, wer das Schulgebäude betritt. Dafür hat die Schulleiterin auch einen triftigen Grund, denn in der Vergangenheit nutzten immer wieder schulfremde Personen den Weg durch das Schulhaus als Abkürzung um die dahinter liegende Tostedter Straße zu erreichen. Anstatt um das an einem Hang liegende Gebäude herumzulaufen, gingen Spaziergänger - sogar mit Hunden - einfach mitten durch. Ein weiteres Ärgernis waren übereifrige Helikopter-Eltern, die ihre Sprösslinge bis ins Klassenzimmer begleiteten, auch ihnen schob die Schule mit der späten Öffnung des Gebäudes im wahrsten Wortsinn einen Riegel vor.
Die neue Regel gilt seit Februar. Besonders betroffen sind davon die Schüler, die mit dem Bus zur Schule gebracht werden. Die Schulbusse sind bereits zwischen 7.15 und 7.20 Uhr Uhr an der Schule. Schlimmstenfalls müssen Buskinder also bis zu 25 Minuten ausharren, bis um 7.40 Uhr das Schulgebäude öffnet.
Viele Eltern begrüßten die neue Praxis dennoch bis dahin. Jetzt steht das System der verschlossenen Tür aber heftig in der Kritik. Denn auch während des massiven Kälteeinbruchs Ende Februar ließ die Schule die Kinder nicht früher rein. Zumindest von Montag bis Mittwoch blieben die Lehrkräfte mit den Kindern auch bei Temperaturen um die minus 15 Grad draußen.
Das bracht viele Eltern auf die Palme. "Das ist echt ein Hammer", schreibt ein Mutter. Mit der Schule sei abgesprochen gewesen, dass die Frühbetreuung bei schlechtem Wetter in der Pausenhalle stattfinden sollte. "Kinder, nur um ihnen Pünktlichkeit abzufordern, frieren zu lassen, was soll das? Das ist ein klares Minus in Sachen Kommunikation und in Sachen Verständnis für Eltern und Schüler", heißt es in einer anonymen E-Mail an das WOCHENBLATT. Ein Vater, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, sagt: "Es kann nicht sein, dass unsere Kinder in der Kälte stehen müssen, nur weil es für die Lehrer so bequemer ist Aufsicht zu führen." Die Sache rege nicht nur ihn auf, sondern sehr viele Eltern seien empört. "Das ist schon ein Thema, es gab deswegen mehrere Beschwerden", bestätigt Elternratsvorsitzender André Klindworth. Er könne die Kritik in soweit verstehen, als dass die Aufsicht führenden Lehrer bei der Kälte vielleicht mehr Augenmaß hätten walten lassen können. Klindworth: "Sie hätten die Betreuung in die Pausenhalle verlegen müssen." Klindworth bekräftigte jedoch, dass der Elternrat die neue Regelung der späten Öffnung der Schule für richtig und sinnvoll halte.
Schulleiterin Sandra Pankow-Waller kann die Empörung über das Vorgefallene nicht nachvollziehen. Über die Maßnahme sei frühzeitig informiert worden. Sie diene vor allem der Sicherheit der Kinder. Es sei an den Eltern ihre Kinder anzuhalten, sich der Jahreszeit entsprechend anzuziehen. Sandra Pankow-Waller: "Wer nur im dünnem Kleidchen und Strumpfhose rumläuft, dem ist natürlich kalt. Das ist aber nicht die Schuld der Schule." Im Übrigen sei die Frühaufsicht mit den Kindern nur an drei Tagen draußen geblieben. "Die Kinder fanden das fast alle klasse, auch der Schülerrat hat auf Rückfrage nichts dagegen gesagt. Es sind einzig die Eltern, die sich jetzt aufregen", so die Schulleiterin. Rückendeckung erhält Sandra Pankow-Waller auch von ihrem Dienstherren. Die Niedersächsische Landesschulbehörde in Lüneburg stellt sich demonstrativ vor die Schulleiterin. "Die Regelung der Schule entspricht der allgemeinen Praxis und den gesetzlichen Vorschriften", erklärte dazu knapp Behörden-Sprecherin Bianca Schöneich.
Redakteur:Mitja Schrader |
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