Reaktionen unserer Leser
Geschlechtertrennung an der Glockenbergschule Hollenstedt
bim. Hollenstedt. An der Glockenbergschule, der Grundschule in Hollenstedt, werden Mädchen und Jungen derzeit getrennt unterrichtet, um die Abstände im Zuge des Corona-Infektionsschutzes einzuhalten (das WOCHENBLATT berichtete). Schulleiterin Sandra Pankow-Waller hatte diese Einteilung nach einer Entscheidung des Schulvorstands mit bestehenden Freundschaften begründet. Eine Mutter kritisierte, dass auf diese Weise Stereotype gefördert würden. Das WOCHENBLATT hatte Sie, liebe Leserinnen und Leser gefragt, was Sie davon halten. Hier einige der Reaktionen, die auf Wunsch annonym sind *.
"Es hat keinem von uns geschadet"
"Mein Mann und ich waren beide in Schulen mit reinen Mädchen- bzw. Jungenklassen und zwei unserer Söhne auch. Ich glaube, es hat keinem von uns geschadet. Wir haben alle Ehepartner gefunden und je drei und vier Kinder und keiner ist geschieden ... Ich glaube aber, dass Jungen oder Mädchen mit nur gleichgeschlechtlichen Geschwistern wichtige Erfahrungen fehlen könnten."
"Wo ist das dritte Geschlecht?"
"Wir leben in einer vielfältigen und komplexen Welt, in der geschlechtergetrennte Schulen nicht mehr zeitgemäß sind. Geschlechtertrennung in Mädchen und Jungen fördert Stereotype. Es werden wieder veraltete patriarchale Strukturen zurückgeholt, anstatt sich weiterhin anzunähern und untereinander Freundschaft zu schließen. Gemeinsamer Unterricht für Mädchen und Jungen war ein Sieg der Frauenbewegung. Im Übrigen, wo ist das dritte Geschlecht Divers?"
"100 Prozent Zufriedenheit wird es nicht geben"
"Eine Aufteilung, bei der 100 Prozent Zufriedenheit herrscht, wird es leider nicht geben. Dennoch ist die Aufteilung nach Geschlecht sehr starr und unflexibel. So gibt es nun Klassen an der Grundschule Hollenstedt, in denen an einem Tag fünf Mädchen kommen, am anderen Tag elf Jungen und auch sechs Mädchen und zwölf Jungen. Das ist nicht im Sinne des Infektionsschutzes und nicht fair für die Chancengleichheit (Stichworte: Größe der Lerngruppe, Verteilung von Kindern mit besonderen Bedürfnissen, ...). Auch aus diesem Grund besteht eine Unzufriedenheit bei den Eltern.
Weiterhin ist anzumerken, dass der größte Wunsch der Eltern mit mehreren Kindern an der Schule darin besteht, dass die Geschwisterkinder am selben Tag zur Schule gehen. Das ist natürlich ebenfalls unmöglich, wenn das Aufteilungssystem unflexibel und starr bleibt."
* Namen sind der Redaktion bekannt
Auch die Politik meldet sich zu Wort
Der Hollenstedter Grünen-Ratsherr Manfred Thiel bezieht ebenfalls Stellung. "Die demokratische Entscheidung des Schulvorstandes ist zu respektieren. Allerdings fehlt mir nicht nur das feine Fingerspitzengefühl bei dieser Entscheidung. Andere sinnvollere Kriterien für die Aufteilung wären schulbehördlich auch möglich gewesen. Eine erhellende Begründung für diese besondere 'Corona-Maßnahme' wurde bisher leider nicht genannt. Die Entscheidung der Glockenbergschule halte ich für falsch und für einen ersten Schritt zurück in die Pädagogik der 1950er Jahre", sagt er.
Und weiter: "Koedukation hat mehr Vorteile als Nachteile. Das ist wissenschaftlich schon lange erwiesen. Die Trennung nach Geschlecht in bestimmten Altersgruppen und bestimmten Fächern kann nur die Ausnahme von der Regel sein und ist nur in bestimmten Fällen sinnvoll. Koedukation bildet außerdem am besten die Breite der Gesellschaft in der Schulklasse ab. Und genau auf das Leben in dieser Gesellschaft hat Schule möglichst chancengleich vorzubereiten. Warum sollte also nicht zusammen ein kleiner Rüpel mit einer kleinen Zicke auf Distanz in einer kleineren Lerngruppe als sonst unterrichtet werden - so wie in Vor-Corona-Zeiten eben auch? Das Treffen mit einem Freund oder einer Freundin kann bestimmt auch außerhalb der Schule vernünftig organisiert werden."
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