Große Herausforderungen für Lehrer, Eltern und Schulleitung
Viele Regeln in der Hollenstedter Glockenbergschule zu beachten
bim. Hollenstedt. "An der Glockenbergschule werden jetzt Mädchen und Jungen getrennt unterrichtet. Stereotype zu fördern, geht gar nicht", echauffierte sich eine wütende Mutter gegenüber dem WOCHENBLATT. Diese Klasseneinteilung an der Hollenstedter Grundschule zur Einhaltung der Abstände im Zuge des Corona-Infektionsschutzes klingt zugegeben zunächst nach gesellschaftlichem Rückschritt. Schulleiterin Sandra Pankow-Waller erklärt, wie es dazu gekommen ist.
Wie in vielen Bereichen stehen auch Schulen vor der Herausforderung, Abstands- und Hygieneregeln zu organisieren. Das geschieht meist durch Klassenteilung und wechselnde Anwesenheit der Schüler. Stufenweise sollen die Kinder, angefangen mit den Viertklässlern, in den Schulalltag zurückkehren. Doch welche Konstellationen soll man wählen? "Klassen ab zehn Grundschülern müssen geteilt werden. Wie das erfolgen kann, beschreiben Modelle in einem Leitfaden des Kultusministeriums", erläutert die Schulleiterin. In Frage kämen etwa die Einteilung nach Größe der Kinder, nach Alphabet, dem Wohnort und damit nach Bus- und Fußgänger-Kindern oder nach leistungsstarken und -schwachen Schülern. Letzteres wäre jedoch stigmatisierend gewesen, weil die Kinder - einfach ausgedrückt - als schlau oder dumm eingestuft worden wären. Eine weitere Möglichkeit war die Einteilung nach bestehenden Freundschaften.
Auch die Frage, ob der Wechsel zwischen schulischem Unterricht und Homeschooling im wöchentlichen, im zwei- und dreitägigen oder im täglichen Wechsel erfolgen soll, musste geklärt werden.
"Nach Diskussionen und einem Abwägen des Für und Wider haben wir uns für die Trennung der Klassen nach Mädchen und Jungen, die im täglichen Wechsel in die Schule kommen, entschieden", sagt Sandra Pankow-Waller zu der einstimmigen Entscheidung des Schulvorstandes, dem vier Elternvertreter und vier Lehrer inklusive ihr als Schulleitung angehören. Schließlich zeige sich in den Pausen, dass jeweils die Mädchen und die Jungen miteinander die Zeit verbringen und spielen würden.
Auf den Fluren der Glockenbergschule, der Grundschule in Hollenstedt, ist es mucksmäuschenstill. Pfeile auf dem Boden weisen den Weg in die Klassenräume. Nichts deutet darauf hin, dass hier für 30 Kinder der Unterricht wieder begonnen hat. Von Schulalltag kann bislang noch keine Rede sein. Seit dem 4. Mai kehren die Kinder stufenweise in die Schulen zurück, an den Grundschulen zunächst die Viertklässler. An der Glockenbergschule betrifft das rund 60 Mädchen und Jungen in drei Klassen sowie zehn Grundschüler aus anderen Jahrgängen in der Notbetreuung. "Es ist für uns die erste Erfahrung mit dieser Art von Schule", sagt Schulleiterin Sandra Pankow-Waller.
Verschiedene Modelle diskutiert
Bevor es so weit war, gab es für Schulleitung, Kollegium und auch die Eltern einiges zu entscheiden. Zunächst diskutierte der Schulvorstand in einer Videokonferenz über Modelle, wie die Schüler unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln nach und nach zurückkehren können. "Die Modelle hatten wir im Vorfeld auch den Eltern geschickt. Uns war es wichtig, die Elternwünsche, zum Beispiel im Hinblick auf deren Arbeit, zu berücksichtigen", erklärt die Schulleiterin. Letztlich fiel die Wahl auf den getrennten Unterricht von Mädchen und Jungen im täglichen Wechsel. "Von 60 Familien gab es nur eine negative Rückmeldung", so Sandra Pankow-Waller.
Drei Bereiche auf dem Pausenhof
In den Klassenräumen gibt es eine feste Sitzordnung. Desinfektionsmittel sowie Mund-Nase-Masken stellte eine ortsansässige Apotheke zur Verfügung. Der Pausenhof wurde in drei Bereiche aufgeteilt. Festgelegt werden musste weiterhin: Welche Klasse nutzt welche Toilette? Wer hat Aufsicht und achtet aufs Händewaschen? "Ich habe Fotos der Eingänge, Flure und Klassen gemacht, einen Videofilm gedreht und den Eltern zur Verfügung gestellt, damit sie ihre Kinder auf das Abstandhalten vorbereiten können. Die Eltern haben das hervorragend gemacht. Der Start lief so gut, weil sie so toll mitgemacht haben", lobt die Schulleiterin.
Unter Einbeziehung des Personalrates musste zudem geklärt werden, welche und wie viele Lehrerinnen eingesetzt werden. Um für wenig Kontakte und für Beständigkeit zu sorgen, sind derzeit fünf Lehrkräfte eingesetzt.
Briefe an die andere Gruppe
Da sich Jungen und Mädchen derzeit nicht begegnen, haben manche begonnen, Briefe zu schreiben und im Klassenraum zu hinterlegen. Doch wie finden die Kids den getrennten Unterricht? Beim WOCHENBLATT-Besuch sind sich die sieben Schülerinnen einer der vierten Klassen einig, dass es "cool ist, nur mit Mädchen" und: "Vor allem nerven die Jungs nicht".
Freude auf Schule
Abstandhalten finden die Mädchen allerdings nicht so gut. "Am liebsten würde man jeden knuddeln", sagen zwei von ihnen nach der langen Zeit, in der sie sich nicht treffen konnten. Auch das Spiel "Miraculous", bei dem man gegen Schurken kämpft, funktioniere nicht auf Distanz. Das Masketragen fühlt sich für alle komisch und ungewohnt an und störe bei Laufspielen. Aber alle sind sich einig - und das hört man selten: Sie haben sich darauf gefreut, wieder zur Schule gehen zu können.
Ab dem 18. Mai folgen die Drittklässler, dann sind 60 der insgesamt 240 Kinder in der Schule. Ab dem 25. Mai soll eine weitere Gruppe folgen. "Wir müssen unendlich viele Entscheidungen treffen und wissen nicht, ob sie richtig sind", sagt Sandra Pankow-Waller. Die erste Dienstbesprechung drei Tage nach Unterrichtsbeginn gibt eine erste positive Einschätzung. "Laut den Rückmeldungen funktioniert der Unterricht nach diesem Modell gut. Mädchen und Jungen haben gleich gut gearbeitet", berichtet die Schulleiterin.
- Was sagen Sie, liebe WOCHENBLATT-Leser: Ist die Geschlechtertrennung in der Grundschule problematisch oder nicht? Schreiben Sie uns an bianca.marquardt@kreiszeitung.net.
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