"Das kann nicht unser Deutschland sein"

Bendestorfs Bürgermeister Bernd Beiersdorf (li.) freut sich, dass die Premiere des Films von Ivar Buterfas-Frankenthal im Filmmuseum stattfindet
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Bundesverdienstkreuz-Träger Ivar Buterfas-Frankenthal möchte mit einem Film die Jugend wachrütteln. 

mum. Bendestorf. "Es liegt mir am Herzen, jungen Menschen von der schrecklichen NS-Zeit zu berichten", sagt Ivar Buterfas-Frankenthal (86). "Aber ich bin alt und irgendwann werde ich nicht mehr vor Schülern sprechen können." Aus diesem Grund hat sich Buterfas-Frankenthal entschlossen, seinen Vortrag in der St. Katharinen-Kirche in Hamburg Mitte des Jahres filmen zu lassen. Entstanden ist ein gut einstündiges Plädoyer für Frieden und Toleranz. Am Mittwoch, 6. November, feiert die Dokumentation "Ein Leben nach dem Holocaust" im Zuge einer Feierstunde im Filmmuseum Bendestorf Premiere vor geladenen Gästen. Im Anschluss begibt sich der 86-Jährige auf eine kleine Tournee. Erste Station ist Aurich. Am 8. und 9. November findet dort eine Veranstaltung zum Thema "Ostfriesland gegen Rechts" statt. Am 11. November spricht der 86-Jährige vor mehr als 500 Schülern im Gymnasium am Kattenberge. Am 15. November nimmt er an einer Veranstaltung in der Kaiserpfalz in Goslar teil, bei der außer Ex-Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprechen wird. Steinmeier war es übrigens, der Buterfas-Frankenthal auf die Idee brachte, diesen Film zu produzieren. "Er war der Meinung, dass an deutschen Schulen die Aufklärung über die schreckliche Zeit von 1933 bis 1945 zu kurz kommt", erinnert Buterfas-Frankenthal, dem auch eine Einladung nach Wien vorliegt.
Buterfas-Frankenthal geht noch einen Schritt weiter als Steinmeier: "Meine Vorträge an Schulen und Universitäten haben mir gezeigt, dass über die NS-Zeit nicht oder zu wenig gesprochen wird und das Wissen äußerst mangelhaft ist." Dabei sei Aufklärung das Wichtigste, was "wir unseren jungen heranwachsenden Menschen schuldig sind". Buterfas-Frankenthal ist sich sicher: "Noch nie war in Deutschland die Situation so schrecklich wie heute: Ausländerfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus machen sich offen breit." Der 86-Jährige spielt damit auch auf die jüngsten Angriffe auf Juden an. "Viele jüdische Mitbürger sitzen schon wieder auf gepackten Koffern. Das kann nicht unser Deutschland sein." Sein Film macht deutlich, jeder kann seinen Teil dazu beitragen, dass Frieden herrscht.

• Ivar Buterfas-Frankenthal möchte, dass möglichst viele Jugendliche seinen Film sehen. Aus diesem Grund stellt er Kirchen und Schulen 1.000 USB-Sticks zur Verfügung - kostenlos. Privatpersonen, die darüber hinaus den Film gern erwerben möchten, können DVD, Blue-ray oder Stick bei ihm zum Preis von 15 Euro bestellen. Die Adresse lautet Adolf-Meyer-Weg 11 in 21227 Bendestorf.

Dem Holocaust knapp entgangen
Ivar Buterfas-Frankenthal ist national und international bekannt in seiner Rolle als Zeitzeuge und Holocaust-Überlebender. Seit Jahrzehnten hat er in mehr als 1.500 Veranstaltungen an deutschsprachigen Gymnasien, Hochschulen und Universitäten aus erster Hand über die Judenverfolgung im Dritten Reich berichtet. Buterfas-Frankenthal wird im Januar 1933 in Hamburg geboren. Sein Vater - ein Jude - wird erst von den Nazis eingesperrt und kommt dann in Kriegsgefangenschaft. Seine Mutter - eine Christin - flieht mit ihren acht Kindern erst aufs Land und später zurück nach Hamburg. Nur mit Mühe und Not überleben sie.
Bekannt wurde Buterfas-Frankenthal unter anderem auch durch sein Engagement zum Erhalt der Hamburger Nikolaikirche als Kriegsruine, die er mit einem von ihm gegründeten Förderverein sicherte und als Mahnmal gegen Ausländerfeindlichkeit, Rassenhass und Antisemitismus etablierte. Für sein großes Engagement wurde ihm neben vielen weiteren Preisen auch das Bundesverdienstkreuz verliehen.

Auf ein Wort
Wir tragen Verantwortung
"Ihr müsst alle dabei helfen, die Demokratie zu schützen!" Ivar Buterfas-Frankenthal richtet am Ende seines gut einstündigen Filmes einen leidenschaftlichen Appell an die jugendlichen Zuhörer in der St. Katharinen-Kirche in Hamburg. Ich bin der Meinung, es müssen viel mehr junge Leute die Schilderungen des Bendestorfers hören. Deswegen muss sein Film unbedingt in jedem Klassenzimmer gezeigt werden. Die Botschaft des 86-Jährigen lautet, dass nichts so wichtig ist wie Toleranz und Frieden. Dabei spielt Religion keine Rolle.
Gerade die jüngsten Ereignisse - der feige Anschlag auf eine Synagoge in Halle und das erschreckend gute Abschneiden der AfD in Thüringen mit einem Faschisten an der Spitze - sind deutliche Alarmzeichen, dass viele Deutsche beginnen, zu vergessen. Unsere Eltern und Großeltern waren es, die nicht verhindert haben, dass mehr als sechs Millionen europäische Juden getötet wurden.
Unter diese Tatsache kann man keinen Schlussstrich ziehen. Die heutige Generation trägt an den Gräueltaten der Nazis zwar keine Schuld. Wir tragen dafür die Verantwortung, dass sich das dunkelste Kapitel Deutschlands nicht wiederholt. Bildung ist ein Weg, damit sich das Rad der Geschichte nicht rückwärts dreht.
Ivar Buterfas-Frankenthal sagt: "Für mich sind das heute Verhältnisse wie 1933. Und worin das endete, wissen wir." Ich bin sicher, dass der Film einen Beitrag leisten wird, dies zu verhindern. Nur dazu muss er gesehen werden - und im Anschluss sollte eine Diskussion stattfinden.
Sascha Mummenhoff 

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"Ein Leben nach dem Holocaust" lautet der Titel einer Dokumentation von Ivar Buterfas-Frankenthal (Foto). Bendestorfs Ehrenbürger möchte damit vor allem junge Menschen wachrütteln. "Manches heute erinnert mich an die Zeit des Nationalsozialismus", so der 86-Jährige. "Das darf nicht sein."
Redakteur:

Sascha Mummenhoff aus Jesteburg

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