Egestorf-Döhle: Schon wieder Wolfsrisse
20 tote, sechs verletzte Schnucken

Totgebissen und liegengelassen: Für diese Heidschnucke kam jede Hilfe zu spät | Foto: Aevermann
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  • Totgebissen und liegengelassen: Für diese Heidschnucke kam jede Hilfe zu spät
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Schockierende Bilder am Sonntagmorgen: Auf einer Heidschnuckenweide im Egestorfer Ortsteil Döhle wurden in der Nacht zum Sonntag,17. September, 20 Heidschnucken getötet und und sechs weitere verletzt, fünf davon mit dem wolfstypischen Kehlbiss. "Das Schadbild lässt auf einen Wolfsriss schließen", bestätigte Wolfgang Ehrecke, Sprecher der Landwirtschaftskammer Niedersachsen LKN. Endgültig kann das aber erst nach DNA-Tests bestätigt werden, die jetzt laufen. An den gerissenen Tieren wurden entsprechende Proben entnommen. Ob es ein oder mehrere Tiere waren, steht ebenfalls noch nicht fest.

Muttertiere und Lämmer gerissen

Die Wiese der Schnucken grenzt an ein Wohngebiet. Anwohner berichteten, es sei geradezu eine Schneise in die etwa 60-köpfige Herde gerissen worden. Der oder die Wölfe hätte ausschließlich Muttertiere und Lämmer gerissen, sagt Besitzerin Gesine Aevermann, noch immer schockiert von dem Blutbad auf ihrer Weide. Zwei der Lämmchen hatte sie im Frühjahr mit der Flasche im Haus großgezogen.

Gab es Schutzmaßnahmen gegen Wolfsangriffe? "Das Gelände ist mit einem Wolfszaun eingefriedet", bestätigt Gesine Aevermann. "An einer Ecke zum Nachbargrundstück hat der Wolf oder mehrere, das steht noch nicht fest, sich durchgebuddelt und seiner Mordlust dann freien Lauf gelassen. Von der einen Schnucke, die er wohl gefressen hat, lag nur noch der Kopf da." Wie kann das passieren? "Der Zaun entsprach wohl nicht in allen Punkten den Vorgaben der Richtlinie Wolf", sagt Wolfgang Ehrecke. "Es gab wohl eine Schwachstelle."

Schon Ende August hatten ein oder mehrere Wölfe in Gräpel an der Oste 55 Schafe trotz Schutzzaun gerissen (das WOCHENBLATT berichtete), woraufhin die Jägerschaft im Landkreis Stade ein verstärktes Wolfsmanagement - gemeint sind gezielte Abschüsse - gefordert hatte. Ist die Zunahme von Angriffen ein subjektiver Eindruck, oder werden es wirklich mehr? "So wie es aussieht, werden es tatsächlich mehr Übergriffe", bestätigt Bernard Wegner, Kreisobmann der Jägerschaft des Landkreises Harburg. "Ich gehe von einer Zunahme von etwa 30 Prozent aus." Allein im Raum Buchholz gebe es derzeit drei Rudel: Ein bestätigtes im Buchholzer Gebiet sowie zwei unbestätigte in Holm-Seppensen und im Raum Klecken/Kleckerwald, bei denen für die offizielle Bestätigung nur noch die DNA-Probe fehle.

Wolfsattacke an der Oste: 55 tote Schafe in Gräpel

In ganz Niedersachsen sind laut Wegner 450 Wölfe ansässig plus wandernder Jungwölfe auf der Suche nach einem eigenen Revier - eine deutlich zu große Dichte, findet er. "Man muss sich fragen: Wie viele Wölfe verträgt unsere Kulturlandschaft?" Für Niedersachsen sieht Wegner eine Zahl von 200 als "natürlich" an. Er plädiert für einen Abschuss, wenn eine festgelegte Quote erreicht sei, "wie bei anderen Tieren auch". Denn: "Die Entnahme einzelner Problemwölfe ist schwierig: Woran soll ich den - möglichst noch in einem fremden Gebiet - erkennen?"

Das sagen EU-Politiker

Der Wolf ist durch eine Vorgabe der Europäischen Union, die Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) aus dem Jahr 1992, streng geschützt und darf nicht getötet werden. In einigen EU-Ländern gibt es aber Ausnahmen vom generellen Wolfsabschussverbot. Das WOCHENBLATT fragte niedersächsische EU-Abgeordnete, was sie in Sachen Wolf unternehmen werden: 

• Jan-Christoph Oetjen (FDP): "Die Zeiten von Einzelabschüssen und wolfssicheren Zäunen als alleinige Maßnahmen ist meiner Meinung nach vorbei. Wie wir zuletzt in Gräpel sehen konnten, wurden die Tiere trotz eines wolfssicheren Zaunes gerissen. "Der Schutzstatus des Wolfes muss endlich herabgestuft werden. (...) Der günstige Erhaltungszustand der norddeutschen Wolfspopulation ist nämlich längst erreicht. Das muss von Umweltministerin Steffi Lemke endlich der Europäischen Kommission gemeldet werden. Nur dann kann die Europäische Kommission den Erhaltungszustand prüfen undneue Maßnahmen ergreifen."

• Lena Düpont (CDU): "Das Europäische Parlament beriet in der vergangenen Woche über die Neubewertung der europäischen Wolfsrichtlinie, deren Novellierung es dringend benötigt, um der aktuellen Situation in großen Teilen Europas und besonders in Niedersachsen gerecht zu werden. Die EVP-Fraktion spricht sich weiterhin aktiv für Herdenschutzmaßnahmen und deren Finanzierung aus, um so die Gefahr von Angriffen auf Nutztiere zu reduzieren. (...) Es bedarf als weiteren Baustein in der Wolfsstrategie eine konsequente Entnahme aus der Population.

(...) Bereits im November 2022 wurde die Europäische Kommission seitens der CDU dazu aufgefordert, die Entwicklung der Wolfspopulation in Europa regelmäßiger zu überprüfen und so den Schutzstatus des Wolfes in bestimmten Regionen flexibel ändern zu können. Anfang des Monats startete die Kommission nun eine Initiative, die Institutionen und Bürger dazu auffordert, aktuelle Daten über die Wolfspopulationen vor Ort und dokumentierte Folgen durch die Raubtiere zu melden. Die eingereichten Beiträge werden seitens der Kommission analysiert und anschließend verwendet, um den rechtlichen Rahmen gegebenenfalls anzupassen."

Von Bernd Lange (SPD) und Katrin Langensiepen (Bündnis 90/ Die Grünen) gingen leider noch keine Antworten ein.

Auch Regionalpolitiker melden sich zu Wort:

• Landrat Rainer Rempe (CDU): „Die Wolfsrisse in Döhle unterstreichen den dringenden Handlungsbedarf beim Thema Wolf durch den Gesetzgeber. (...) Den Weidetierhaltern ist es nicht länger zuzumuten, der Situation mehr oder weniger hilflos gegenüberzustehen. Umso wichtiger ist es, dem Schutz von Weidetieren, die nicht zuletzt auch in unserem Landkreis einen wichtigen Beitrag zum Natur- und Deichschutz leisten, eine hohe Priorität einzuräumen.Ich unterstütze absolut die Forderung, die bürokratischen Hürden für Herdenschutzmaßnahmen abzubauen und so einen schnelleren und einfacheren Zugang zu Fördergeldern, aber auch zu Entschädigungen zu schaffen. Gleichzeitig brauchen wir dringend ein regional differenziertes Wolfsmanagement, wie jüngst auch auf Landesebene angekündigt. Hier sind nun Bund und EU am Zug.“

• André Bock (CDU), Landtagsmitglied: "Ich frage, was braucht es noch, damit grüne Politiker in Bund und Land endlich aus ihren Träumereien aufwachen, der Wolf sei ein friedliches Tier? Der Bestand muss endlich reguliert werden, wie in anderen Ländern. Alles, was über einer festgelegten Quote ist, wird rigoros abgeschossen!"

• Bernd Althusmann (CDU), Landtagsmitglied: "Der Wolf ist kein Kuscheltier, sondern ein Raubtier, das zu einer Gefahr für Tiere und womöglich auch Menschen werden kann. Immer neue Dialogforen und Appelle gehen am Kern vorbei. Es muss endlich gehandelt werden! Das ist schon eine Vorstufe oder eine Art unterlassener Hilfeleistung durch die Landesregierung. Stuhlkreispolitik mit fatalen Folgen!"

Scheu vor Menschen geht auch verloren
Redakteur:

Gabriele Poepleu aus Jesteburg

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