Klinik-Atlas: Waldklinik-Chef empört
"Das macht uns schwer zu schaffen"
Eigentlich sollte der Bundes-Klinik-Atlas es für Patienten leichter machen, die für sie richtige Klinik zu finden. Was sagen Fachleute: Ist das gelungen? Dr. Hans-Heinrich Aldag, Geschäftsführer der Jesteburger Waldklinik, findet klare Worte: "Der Bundes-Klinik-Atlas in der bisher bekannten Form wird von uns abgelehnt."
"Gewünscht war ein einfacher Transparenzatlas. So etwas aber geht absolut an den differenzierten Leistungsnotwendigkeiten vorbei!", ärgert sich Dr. Aldag. Wenig durchdacht und nicht gerade sorgfältig ausgearbeitet, lautet sein Gesamturteil. "Dass wir uns dafür nun rechtfertigen müssen, macht uns gerade schwer zu schaffen."
Denn schon die Erfassung der Fallzahlen funktionierte nicht sinnvoll: Die Waldklinik Jesteburg ist als Fachkrankenhaus mit 75 Betten in den Niedersächsischen Krankenhausplan aufgenommen. Als solches werden ausschließlich Patienten zur neurologisch-neurochirurgischen Frührehabilitation aus Akutkrankenhäusern aufgenommen, zum Beispiel Wachkomapatienten oder Patienten nach schweren Hirnblutungen, Schlaganfällen oder Operationen am Nervensystem. Dazu kommt der spezielle Reha-Bereich der Waldklinik mit 190 Betten und Tagesplätzen, die vom Klinik-Atlas gar nicht erfasst werden.
Im Klinik-Atlas taucht die Waldklinik deshalb nur als Krankenhaus mit "sehr wenig" Patienten auf. Wie schwer krank diese sind und wie lange sie deshalb - geplant - im Krankenhaus bleiben müssen, ignoriert der Klinik-Atlas. Hier werde das Bild enorm verzerrt, indem Allgemeinkrankenhäuser mit zahlreichen Fachabteilungen, durchschnittlich kurzen Liegedauern und häufig nur leicht betroffenen Patienten in ihrer Fallzahl mit hoch spezialisierten Fachkliniken verglichen würden, sagt Dr. Aldag. Und: "Aus geplant langen Verweildauern resultieren aber nun mal - im Vergleich mit Normalstationen - niedrige Fallzahlen."
Genauso werde dem Patienten zum Beispiel vorenthalten, dass hinter der Kombination Krankenhaus - Reha ein gewolltes und medizinisch sinnvolles Gesamtkonzept steht: "Die so wichtige sektorübergreifende Funktion von Fachkrankenhäusern mit angeschlossenen Weiterbehandlungskapazitäten wird dem Laien schon mal komplett vorenthalten", so Dr. Aldag.
Tatsächlich suchen sich die Waldklinik-Patienten die Klinik in aller Regel gar nicht selbst aus. "Die in unserem Krankenhausbereich betreuten Patienten werden ausschließlich aus anderen Krankenhäusern zu uns verlegt", erklärt Dr. Aldag.
Komplett falsch sei die Angabe, das Krankenhaus biete eine "Notfallstufe 1". Die gebe es in der Waldklinik wie auch in vielen anderen Fachkliniken nicht. "Wir haben in der Waldklinik in den letzten Tagen schon - nicht ernst gemeinte - 'Glückwünsche' zu der uns vom Transparenzatlas offiziell attestierten Notfallstufe 1 entgegennehmen dürfen", erzählt Dr. Aldag. "Wir haben aber nach wie vor keine und bei Fachabteilungen wie unserer ist auch keine vorgesehen." Er sei fassungslos, wie wenig umsichtig mit wichtigen Strukturdaten umgegangen werde. Bei vorhandenen Vergleichsportalen (z.B. "Weiße Liste", AOK-Krankenhausnavigator) würden Daten differenzierter und verantwortungsbewusster zusammengestellt.
Auch den „Pflegepersonalquotient“ findet keine Gnade vor Dr. Aldags Augen: Es sei in der Branche bekannt, dass er "wenig aussagekräftig und nicht sinnvoll einsetzbar" sei. "Dies alles ist im Moment frustrierend für uns und unsere Teams. Unsere Klinik gilt zumindest in Niedersachsen als mit führend in ihrem Fachbereich und kann dies auch belegen."
Wie wurde die Atlas-Daten ermittelt? Das sei ihm nicht bekannt, so Dr. Aldag. Die Waldklinik selbst sei jedenfalls nicht befragt worden. Wahrscheinlich stammten die Daten aus ohnehin vorgeschriebenen Meldeverfahren. Dr. Aldag: "Wir gehen davon aus, dass Herr Bundesminister Lauterbach, der zwar regelmäßig Entbürokratisierung verspricht, auch an dieser Stelle weitere Meldeverpflichtungen einführen wird."
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