Ole Bernatzki kämpft um sein Lebenswerk
Pflegedienst AHD Jesteburg beantragt Insolvenz in Eigenverwaltung
Paukenschlag im Gesundheitswesen: Die Ambulanter Hauspflege Dienst GmbH (AHD) mit Sitz in Jesteburg, vertreten durch den Geschäftsführer Ole Bernatzki, hat beim Amtsgericht Tostedt den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gestellt. Es betrifft auch die AHD Solewo GmbH, die den Jesteburger Hof betreibt. Als Gründe für den Schritt nannte Bernatzki drastisch gestiegene Kosten aufgrund des Tariftreuegesetzes sowie die unzureichende Refinanzierung seitens der Kranken- und Pflegekassen. Ziel dieses Verfahrens ist die Erhaltung und wirtschaftliche Stärkung des Unternehmens. Der Betrieb laufe vollumfänglich weiter. Die Belegschaft wurde am Donnerstag informiert.
Rechtzeitig Berater eingeschaltet
Der AHD hat sich rechtzeitig die Fachkompetenz bei der renommierten Beratungsgesellschaft Thomas Uppenbrink & Collegen GmbH aus Hagen eingeholt. Diese empfahl dem Unternehmen nach umfänglichen Prüfungen, eine Insolvenz in Eigenverwaltung zu beantragen. Das vorläufige Insolvenzverfahren wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Tostedt vom Mittwoch, 5. April, eröffnet. Justus von Buchwaldt von der Hamburger Kanzlei BBL Brockdorff wurde zum Sachwalter bestellt.
Knackpunkt Tariftreuegesetz
Wie kann es passieren, dass ein Betrieb mit 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, der neue Patienten mangels Kapazitäten sogar ablehnen muss, in so eine finanzielle Schieflage gerät? „Die Corona-Pandemie und damit verbundene hohe Krankenstände der Mitarbeiter haben uns sehr zugesetzt", berichtet Ole Bernatzki. Auch mit der Inflation und der Energiekrise habe das Unternehmen zu kämpfen. "Aber das hätten wir alles irgendwie hinbekommen", betont der AHD-Geschäftsführer. In eine wirklich schwierige Situation sei AHD durch das Tariftreuegesetz geraten, das am 1. September 2022 in Kraft trat. Dieses habe zu Lohnsteigerungen von mehr als 25 Prozent geführt, die aber seitens der Pflege- bzw. Krankenkassen nicht ausreichend refinanziert wurden. "Ich begrüße dieses Gesetz ausdrücklich, bin aber wütend, dass die Finanzierung nicht geregelt wurde", kritisiert Bernatzki. Auf dieses Problem wies er bereits im Januar im Gespräch mit dem WOCHENBLATT hin. Jede Firma in der freien Wirtschaft könne bei höheren Kosten ihre Preise erhöhen. "Wir dürfen das nicht und sind den Kassen vollständig ausgeliefert!", betont Ole Bernatzki.
Vergütungsverhandlungen zögen sich endlos hin und führten oft zu einer wirtschaftlich nicht tragbaren Lösung. "Noch nie in der 25-jährigen AHD-Geschichte haben wir uns so im Stich gelassen gefühlt. Und ich muss leider feststellen, dass die Politik hier völlig versagt hat", echauffiert sich Bernatzki. AHD habe "ohne Ende zu tun", der Jesteburger Hof funktioniere und nun bringe ein eigentlich gut gemeintes Gesetz das Unternehmen in eine missliche Lage. Bernatzki: "Ich kann es immer noch nicht glauben und bin unfassbar wütend, zugleich aber auch tieftraurig.“
Insolvenz in Eigenverantwortung
Bei der Insolvenz in Eigenverwaltung behält die Geschäftsführung die vollen Befugnisse über das Unternehmen. Das heißt konkret, die Ansprechpartner für Patienten und Lieferanten bleiben die AHD-Mitarbeiter, Ole Bernatzki ist weiterhin Geschäftsführer. Der amtlich bestellte Sachwalter überprüft, koordiniert und unterstützt dabei die Unternehmensleitung bei dem Fortgang des Verfahrens.
Abläufe auf dem Prüfstand
Erste Einschätzungen der Beraterfirma haben laut dem AHD ergeben, dass die Firma eine sehr starke und wichtige Position am Markt habe und unverschuldet in diese Situation geraten sei. Trotzdem stehen alle Abläufe auf dem Prüfstand und werden gegebenenfalls optimiert. Hauptanliegen ist es, die Pflege- und Krankenkassen zu bewegen, die gesetzlich vorgeschriebenen Mehrkosten zu refinanzieren.
Versorgung vollständig gesichert
Für die Kunden des AHD ändere sich nichts, versichert Bernatzki. Die Versorgung sei vollständig gesichert. Auch der Jesteburger Hof laufe normal weiter und freue sich auf viele Gäste. Die Mitarbeiter erhalten für drei Monate ihr volles Gehalt von der Bundesagentur für Arbeit, die Rechnungen der Lieferanten würden vollständig bezahlt.
Ziel: das Unternehmen erhalten
Das erklärte Ziel seitens AHD und der Beraterfirma ist es, das gesamte Unternehmen in eine gesicherte Zukunft zu führen. Die Option "Insolvenz in Eigenverwaltung" diene dazu, Firmen zu erhalten anstatt abzuwickeln. Ole Bernatzki: „Der AHD ist mein Lebenswerk und ich kämpfe mit Wut im Bauch dafür, dass dieses im Sinne meiner Mitarbeiter und Kunden erhalten bleibt. Und ganz wichtig: Niemand muss befürchten, dass Rechnungen nicht bezahlt werden oder keine Pflegekraft mehr kommt. Unser eingeschlagener Weg ist rechtlich abgesichert und garantiert die volle Handlungsfähigkeit des AHD.“ (os).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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