Der Landkreis und die Leitplanke - eine schräge Geschichte
Posse oder Trauerspiel: Ärger um eine kleine Straße und einen Graben in Nordkehdingen
jd. Stade. Diese Geschichte um offenbar selbstherrliches Behörden-Gebaren ist eine typische Provinzposse. Hauptakteure sind ein Grundeigentümer sowie seine Nachbarn und die Abteilung Kreisstraßen im Umweltamt des Landkreises Stade. Eine wichtige Rolle spielt dabei eine geplante Leitplanke: Denn es geht um die Frage, ob diese Leitplanke sinnvoll ist oder nicht. Zum Trauerspiel wird das Ganze aber, wenn man auf die Kosten schaut: Der Landkreis Stade will 280.000 Euro ausgeben, um eine wenig befahrene Straße zu sichern. Eine alternative Lösung würde womöglich nur 10.000 Euro kosten.
Hier spielt die Handlung: Eine kleine Straße namens Hohenlucht, die irgendwo in den Weiten Nordkehdingens zwischen den Dörfern Oederquart und Balje verläuft, soll nach dem Willen des Landkreises auf einem Teilstück gegen das Abrutschen in den parallel verlaufenden Graben abgesichert werden. Diese Kreisstraße 10 ist wenig befahren und wird hauptsächlich von Anwohnern, Radfahrern sowie hin und wieder Ausflüglern genutzt.
Der etwas breitere Graben, in der Region heißt so etwas Wettern, befindet sich mitsamt Böschung bis hin zum Fahrbahnrand in Privatbesitz. Eigentümer ist Christian Volquardts, dem das nahegelegene Gut Eggerkamp und die umliegenden Ländereien gehören. Dieser hat im Prinzip nichts gegen eine Sicherungsmaßnahme, ließ zu diesem Zweck sogar eine sogenannte Grunddienstbarkeit einrichten, denn der vom Landkreis gewünschte Verkauf eines zehn Meter breiten Uferstreifens kam für ihn nicht in Frage.
Das geschah bereits 2017. Volquardts dachte, dass sich beide Seiten einig gewesen seien. Er ging damals davon aus, dass in den Grabenrand lediglich eine niedrige Spundwand eingezogen werden sollte, um die Böschung zu stabilisieren. Die Jahre zogen ins Kehdinger Land, nichts passierte, bis sich vor wenigen Wochen der zweite Akt in diesem Possenspiel ankündigte: Plötzlich hieß es vom Landkreis, dass obendrauf noch eine Leitplanke installiert werden soll. Nun stellen nach Angaben von Volquardts sämtliche Anwohner der Straße die Frage: Was soll denn diese Leitplanke bringen?
Der Sinn dieser Maßnahme erschließt sich ihnen nämlich nicht. "Warum soll ein 140 Meter langes Ungetüm in Zink-Silber ohne Not das Landschaftsbild verschandeln?", fragt sich Volquardts. In den vergangenen 50 Jahren sei auf dieser Strecke nichts passiert und die Kollision mit einer Leitplanke könne für Biker oder Radfahrer gefährlicher sein, als im seichten Graben zu landen. Für diese Baumaßnahme inklusive Leitplanke mehr als eine Viertelmillion Euro auszugeben, stelle geradezu eine Verschwendung öffentlicher Mittel dar.
Ohne weitere Informationen zur baulichen Ausführung zu erhalten, habe der Landkreis von ihm verlangt, dem Vorhaben zuzustimmen, so Volquardts. Er habe nachgehakt und Gegenvorschläge gemacht. "Darauf erhielt ich die schlichte Antwort, man würde jetzt prüfen, ob die Leitplanke auch ohne meine Einwilligung errichtet werden könnte", berichtet der Kehdinger.
Brüske Abfuhr im Stader Kreishaus
Der nächste Akt spielte sich im Stader Kreishaus ab: Volquardts suchte trotz der brüsken Abfuhr weiterhin den Dialog mit der Straßenbaubehörde des Landkreises. Diesmal im Rahmen der Einwohnerfragestunde des Bau- und Wegeausschusses. Doch dort wurde er von einem sichtlich missmutigen Behördenchef geradezu abgebügelt. Der zuständige Abteilungsleiter erklärte, bereits viel Zeit und Arbeit in die Maßnahme investiert zu haben und keine Änderungen mehr vornehmen zu wollen. "Der Fall liegt jetzt beim Rechtsamt", so die lapidare Auskunft.
Für Volquardts und seine Mitstreiter aus der Nachbarschaft ist dieses Verhalten ein Unding. Wenn die Verantwortlichen beim Landkreis auf stur schalten, wollen auch sie jetzt hartnäckig bleiben und weiter Widerstand leisten gegen diese Verschwendung von Steuergeldern.
Sie fordern, dass der Landkreis die Idee von Volquardts prüft, einfach den Graben einen Meter weiter weg von der Straße zu versetzen. "Das ist wesentlich günstiger als eine Spundwand hochzuziehen, die - wie ich erst jetzt erfahren habe - bis zum Fahrbahnniveau reichen soll. Das wäre ja wie eine Kaimauer ohne Hafen", meint Volquardts.
Der Wirtschaftsingenieur rechnet vor: Das Ausbaggern und eine Befestigung aus Naturmaterialien kämen auf rund 10.000 Euro, höchstenfalls 20.000 Euro. Diese kostengünstige Alternative hat er bereits zu Papier gebracht und sie den Mitgliedern des Bau- und Wegeausschusses als Vorschlag unterbreitet. Volquardts hofft, dass die Politik einsichtiger als die Verwaltung ist.
Lenkt der Landkreis etwa doch ein?
Wie geht es weiter im Streit um die Schutzplanke? Letztlich hängt es vom Landkreis ab, ob es in der Kehdinger "Planken-Posse" womöglich doch noch ein Happy End geben wird. Das WOCHENBLATT konfrontierte Kreisbaurätin Madeleine Pönitz mit den Vorwürfen, wollte von ihr die weiteren Schritte des Landkreises erfahren und fragte nach, ob nicht doch noch Chancen für eine Einigung bestehen. Dabei räumt Pönitz ein, dass in den Vorgesprächen mit Christian Volquardts zum Bau der Spundwand die Errichtung einer Leitplanke nicht thematisiert wurde.
Nach Auskunft von Pönitz untersuche ihre Behörde derzeit, ob die von Volquardts vorgeschlagene kostengünstige Alternative (Verlegung der Wettern) umsetzbar ist. Dabei gehe es nicht nur um die reinen Kosten für die Herrichtung eines neuen Grabens, sondern auch um die Frage der späteren Unterhaltung und der Langlebigkeit.
"Der Landkreis wird den Vorschlag umfassend prüfen und bewerten sowie gegebenenfalls bei der weiteren Planung berücksichtigen, sofern sich im Ergebnis herausstellen sollte, dass dieser nicht nur kostengünstiger, sondern insgesamt wirtschaftlicher ist", sagt die Kreisbaurätin. Das klingt schon einmal wesentlich moderater als die Äußerungen von Pönitz' Abteilungsleiter im Ausschuss.
Bei der grundsätzlichen Frage nach dem Sinn und Unsinn einer Leitplanke hingegen scheint der Landkreis auf seiner Position zu beharren: Pönitz verweist auf einschlägige Richtlinien, "die im Regelfall eingehalten werden sollten". Angesprochen auf die Kritik, eine solche Leitplanke verschandele die Landschaft, räumt sie dem Sicherheitsaspekt absoluten Vorrang ein: "Die Gewährleistung von Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs steht bei der Umsetzung der Maßnahme im Vordergrund."
Wie berichtet ist der Fall dem Rechtsamt zur Bewertung übergeben worden. Es sollte geprüft werden, ob die Maßnahme auch ohne Volquardts Einverständnis umgesetzt werden kann. Das Ergebnis liege jetzt vor, so Pönitz: "Das Rechtsamt hat nach Prüfung festgestellt, dass das Einverständnis des Eigentümers z.B. für die Errichtung einer Schutzplanke auf dem betroffenen Teil seines Flurstücks nicht erforderlich ist, da es sich dabei um einen Bestandteil der Straße handelt, für deren Bau und Unterhaltung allein der Straßenbaulastträger verantwortlich ist."
Das heißt im Klartext: Kommt es zu keiner Einigung, kann der Landkreis seinen Willen auch so durchsetzen.
Weitere Erläuterungen zu dem Thema gibt Christian Volquardts in einem Youtube-Video:
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