Ein Job für "verrückte" Rentner
Wie ehrenamtliche Bürgermeister die Doppellast Verwaltung und Politik schultern / "Nachfolge wird schwierig"
tp. Himmelpforten. Dorfbürgermeister - bald nur noch ein Ehrenamt für Rentner mit viel Tagesfreizeit? Angesichts der sich stark verändernden Funktionen ländlicher Gemeinden weg vom Bauerndorf hin zum Wohn-, Gewerbe- und Versorgungsstandort mit städtischen Ansprüchen ihrer Bewohner steigen die Erwartungen an die "Häuptlinge".
Holger Falcke, Kreisgeschäftsführer des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes aus Himmelpforten, möchte noch nicht von einem Trend sprechen, doch immer weniger Freiwillige seien bereit, den Bürgermeisterposten neben der Berufstätigkeit auszufüllen und geben den Verwaltungspart an Profis aus dem Rathaus ab. In der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten ist dies schon in drei von zehn Mitgliedsgemeinden geschehen.
Traditionell, so Holger Falcke, der auch Chef der Samtgemeinde Oldendorf-Himmelpforten ist, erfüllen Gemeindebürgermeister ehrenamtlich als Gemeindedirektor Verwaltungs- und als Bürgermeister politische Funktion. Doch nicht mehr in den Geest-Gemeinden Kranenburg, Burweg und Hammah. Dort übertrugen die Räte bereits die Direktoren-Aufgabe an Holger Falcke bzw. seine Stellvertreterin Ute Kück. In der Samtgemeinde Fredenbeck regieren traditionell zwei Personen.
In Himmelpforten hingegen will man die Gestaltungs- und Entscheidungsgewalt im Dorf behalten und kann sich glücklich schätzen, einen Vollblut-Ehrenamtlichen zu haben, der die ganze Bandbreite der Tätigkeit abdeckt: Bürgermeister Bernd Reimers (56), Postler im Vorruhestand. Jüngst trug ihm der Rat auf, für ein Vermögen von rund 300.000 Euro mit einem Unternehmen in Kaufverhandlungen um Grundstücke für ein künftiges Einkaufszentrum zu treten. In der Kreisstadt Stade erledigt so etwas der Erste Stadtrat und Jurist Dirk Kraska.
"Man muss schon verrückt sein", sagt Reimers, der wöchentlich allein rund 30 Stunden Büroarbeit leistet, an anstrengenden Tagen mit Meetings und Sitzungen morgens um neun Uhr das Haus verlässt und erst gegen 22 Uhr heimkehrt. Die "Arbeit am Limit" leistet er für 550 Euro Aufwandsentschädigung.
Das erforderliche Know-How in Sachen Kommunalverwaltung und Planungsrecht hat sich der Macher in jahrelanger Praxis erworben. Wenn er fachlich an seine Grenzen stößt, konsultiert er die Samtgemeinde- oder Kreisverwaltung, und nur im Notfall ein externes Expertenbüro, das teure Gutachter-Honorare verlangt. Das Geld will er lieber direkt für die Menschen im Ort investieren, die ihn gewählt haben.
Ähnliches Bild im Nachbardorf Düdenbüttel: Nur ein einziges Mal in seiner 25-jährigen Bürgermeisterlaufbahn hat Heinz Mügge Gutachter zu Rate gezogen: Da ging es um Belastbarkeit der Zufahrtstraße sowie um Ammoniakausstoß des umstrittenen Riesen-Schweinemaststalls, dessen Planung die Gemeinde mehrere Jahre beschäftigte. Ansonsten profitierte er von seinem Beruf als Sparkassenbetriebswirt, der Kenntnisse in Jura und Finanzen beinhaltet.
Nach eigenen Angaben arbeitet Mügge zu Hause in seinem Büro von Montag bis Sonntag täglich von 8 bis 12 Uhr. Unter anderem ist er für das Personal im kommunalen Kindergarten zuständig. Hinzu kommen Sitzungstermine, repräsentative Aufgaben und Öffentlichkeitsarbeit. "Es wird ständig anspruchsvoller" sagt Mügge, für den die 410 Euro Bürgermeister-Salär tatsächlich nicht mehr als eine Aufwandsentschädigung sind.
Mügge und Reimer sagen ohne Eitelkeit: "Es wird schwierig, Nachfolger zu finden."
Redakteur:Thorsten Penz aus Stade |
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