Das erste Stader Encrochat-Verfahren
Mit Drogen für 1,5 Millionen Euro gehandelt
tk. Stade. Sie wähnten sich mit ihren Kryptohandys sicher. Das wurde drei Männern aus der Samtgemeinde Horneburg zum Verhängnis. Französische und niederländische Polizeibehörden sowie auf EU-Ebene Europol hatten "Encrochat", so hieß der Handydienstleister, geknackt und lieferten deutschen Sicherheitsbehörden die Daten frei Haus. Im Frühjahr klickten die Handschellen. Es war der bislang größte Drogenfund, der jemals im Landkreis Stade gemacht wurde: Wohnungen in Horneburg und Nottensdorf wurden durchsucht und Rauschgift im Wert von rund 1,5 Millionen Euro beschlagnahmt. Jetzt hat der Prozess gegen die drei Männer vor dem Landgericht Stade begonnen. Es ist der erste Fall der in Stade verhandelt wird, der aufgrund der Encrochat-Protokolle aufgedeckt wurde.
Zwei Brüder (24 und 36) als Hauptbeschuldigte und ein Mittäter (40) der die Drogen gelagert haben soll, stehen vor der 1. Großen Strafkammer. Die Verteidiger der Brüder haben gleich zu Prozessbeginn darauf hingewiesen, dass die Encrochat-Daten nicht verwendet werden dürfen. Der Buxtehuder Strafverteidiger Lorenz Hünnemeyer: "Die Nutzung der Daten entspricht nicht den deutschen Rechtsgrundsätzen." Von den zehn angeklagten Taten, so der Jurist, stünden acht im Zusammenhang mit den Encrochat-Protokollen.
Die Verteidiger lehnen die Verwertbarkeit der abgehörten Kommunikation ab, weil - vereinfacht formuliert - eine ausländische Behörde ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat und ohne richterliche Genehmigung die Handykommunikation von deutschen Staatsbürgern im Inland abgefangen hat. Die Strafverteidiger beziehen sich in ihrer Argumentation auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Berlin. Das hatte Encrochat-Protokolle aus diesen Gründen nicht zugelassen. Das Stader Gericht wird die Zulässigkeit prüfen.
Die Staatsanwaltschaft Stade ist dagegen optimistisch, die abgefangene Kommunikation im Prozess nutzen zu können. Mehrere Oberlandesgerichte hätten die Zulässigkeit bereits bestätigt, so Oberstaatsanwalt Johannes Kiers, Sprecher der Ermittlungsbehörde. Und die Berliner Entscheidung sei nicht endgültig. Die dortige Staatsanwaltschaft habe Rechtsmittel eingelegt.
Jenseits dieser juristischen Fragen dürfte eine Verurteilung dennoch ziemlich sicher sein. Die Drogen sind schließlich vorhanden. 80 Kilogramm Marihuana, 54 Kilogramm Haschisch, 15 Kilogramm Amphetamine sowie 900 Gramm Kokain wurden im Frühjahr von der Polizei beschlagnahmt.
Für die zwei Hauptbeschuldigten ist der jetzt gestartete Prozess nur ein Teil der juristischen Aufarbeitung ihrer Drogengeschäfte. Ein weiteres Verfahren ist gegen sie anhängig. Ein ebenfalls aus dem Landkreis Stade stammenden Mann flog auf, als er mit einer Drogenlieferung aus Holland kam. Er räumte ein, sechs Mal 20 Kilogramm Rauschgift transportiert zu haben. Vor dem Landgericht Kleve wurde er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Unabhängig von Encrochat-Protokollen rückten die Brüder auch dabei ins Visier der Polizei. Für sie sollen die Drogenlieferungen bestimmt gewesen sein. Wenn auch in dieser Sache ein Verfahren beginnt, wird es in Stade stattfinden. "Beides müsste zusammengelegt werden", fordert Lorenz Hünnemeyer.
Die Encrochat-Protokolle haben weltweit für Verfahren gegen die organisierte Kriminalität gesorgt. Der französischen und niederländischen Polizei war es im Sommer 2020 gelungen, den Encrochat-Server zu hacken. Encrochat war sozusagen das WhatsApp der Kriminellen und galt als abhörsicher. Millionen von Chatnachrichten landeten bei der Polizei. Die Ermittler in Frankreich leiteten ihre Erkenntnisse an deutsche Ermittlungsbehörden weiter. Über das Bundes- und die Landeskriminalämter gingen die Daten bis zu den Ermittlern vor Ort - wie bei dem Mega-drogenfund durch die Stader Polizei.
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