Bremst die Bürokratie die Trecker-Konvois aus?
Genehmigungs-Wirrwarr bei Lichterfahrten in Niedersachen

Welche Bestimmungen gelten, damit eine Lichterfahrt genehmigt werden kann? Dazu gab es jetzt verwirrende Aussagen aus dem niedersächsischen Verkehrsministerium | Foto: Funken Crew
  • Welche Bestimmungen gelten, damit eine Lichterfahrt genehmigt werden kann? Dazu gab es jetzt verwirrende Aussagen aus dem niedersächsischen Verkehrsministerium
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Seit 2020 ist in den ländlichen Regionen eine ganz neue Tradition entstanden: Bunt geschmückte Trecker tuckern in der Adventszeit in langen Kolonnen über die Straßen und sorgen für weihnachtliche Vorfreude.
Auch in den Landkreisen Harburg und Stade fanden in den vergangenen Jahren die sogenannten Lichterfahrten statt. Diese Lichterkorsos wurden von den Landwirten ursprünglich als Zeichen der Hoffnung und als Protest gegen die Agrarpolitik in Berlin und Brüssel initiiert. Mittlerweile gelten die funkelnden Treckerkonvois, mit denen die Landwirte die Menschen auf die Weihnachtszeit einstimmen wollen, fast schon als modernes ländliches Brauchtum. Doch noch immer tun sich viele Behörden schwer damit, die Lichterfahrten zu genehmigen. Im Vorjahr sagten Landwirte Touren ab, weil die Auflagen zu hoch und kaum zu erfüllen waren. In Niedersachsen gab es in den vergangenen Tagen erneut Verwirrung darüber, nach welchen rechtlichen Vorgaben Lichterfahrten genehmigungsfähig sind. Anlass war ein Rundschreiben des niedersächsischen Verkehrsministeriums, in dem darauf hingewiesen wird, dass eine zusätzliche Beleuchtung an den Traktoren - wie etwa Lichterketten - nicht zulässig ist. Nach kritischen Medienberichten - u.a. im WOCHENBLATT - versucht das Verkehrsministerium jetzt die Wogen zu glätten. Nun heißt es aus dem Ministerium auf einmal, dass es eigentlich gar kein Problem gebe. 

Hier rollen leuchtende Trecker durch die Kreise Stade und Harburg

Ein Brief des niedersächsischen Verkehrsministeriums an die kommunalen Spitzenverbände (Landkreistag, Städtetag, Städte- und Gemeindebund) sorgte Mitte November für Aufregung. Die Botschaft: Lichterketten an Treckern sind auf öffentlichen Straßen „gesetzlich verboten“. Das würde zum Verlust der Betriebserlaubnis und dem Erlöschen des Versicherungsschutzes führen. Die Konsequenz laut Ministerium: Die Lichterfahrten wären nur zulässig, wenn die jeweiligen Straßen für den übrigen Verkehr komplett abgeriegelt sind. Laut Kritikern kommt das einem faktischen Verbot der bunten Trecker-Konvois gleich, da die hohen Auflagen kaum zu erfüllen sind. Nach einem negativen Medienecho reagierte das Verkehrsministerium in dieser Woche. In einer Pressemitteilung gibt man sich geradezu empört über Falschmeldungen, in denen behauptet werde, das Ministerium "erschwere angeblich die Durchführung von Lichterfahrten".

Veranstaltung nach Straßenverkehrsordnung

„Lichterfahrten können weiterhin durchgeführt werden wie in der Vergangenheit auch“, steht in einer Pressemitteilung aus dem Haus von Verkehrsminister Olaf Lies (SPD). Doch die Realität sieht komplizierter aus: Auf seiner eigenen Homepage erklärt das Ministerium, dass Trecker-Korsos weiterhin unter Paragraf 29, Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO) fallen ("Veranstaltungen, für die Straßen mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen werden, insbesondere Kraftfahrzeugrennen, bedürfen der Erlaubnis"). Das bedeutet, dass die Veranstalter umfangreiche Genehmigungen einholen und strenge Sicherheitsauflagen erfüllen müssen. In den Vorjahren hat dies immer wieder zu Problemen geführt, die auch den Organisatoren der Faslams- und Karnevalsumzüge im Landkreis Harburg Kopfzerbrechen bereiten.

Lichterfahrten brachten viele Augen zum Leuchten

Umsetzung in der Praxis schwierig

Die Praxis zeigt, dass Auflagen wie die zwingende Vorgabe, der Trecker-Korso muss "abgetrennt vom fließenden Verkehr fahren", kaum zu stemmen sind. Dafür Straßen komplett abzusperren, ist oft logistisch und personell nicht möglich. Die Sicherheitsvorkehrungen, die aus haftungsrechtlichen Gründen nötig sind, stellen eine weitere Hürde dar. Wiederholt wiesen Landkreise darauf hin, dass eine Genehmigung der Lichterfahrten nach verkehrsrechtlichen Bestimmungen höchst problematisch ist.

"Treckerführerschein" reicht nicht aus

Ein weiteres Hindernis bei einer Genehmigung nach der Straßenverkehrsordnung: Die klassischen "Trecker-Führerscheine" der Klassen L und T, die bereits ab 16 Jahren erworben werden können, genügen nicht, um sich mit seinem Traktor in einem solchen Konvoi einzureihen. Das räumt selbst das Verkehrsministerium ein. "Der gegenwärtige Stand der rechtlichen Einordnung geht dahin, dass die vorgenannten Fahrerlaubnisklassen für Lichterfahrten nicht ausreichend sind", heißt es in dem Schreiben an die kommunalen Spitzenverbände.

Niedersachsen-CDU fordert Rechtssicherheit für Lichterfahrten

CDU fordert Klarheit und einheitliche Lösungen

Auf all diese Probleme hat vor ein paar Tagen auch die CDU-Opposition im niedersächsischen Landtag hingewiesen. Sie forderte die rot-grüne Koalition in Hannover auf, eine landesweit einheitliche Regelung zu schaffen. Schließlich seien die Lichterfahrten "mehr als nur ein Spektakel", betont der Zevener CDU-Landtagsabgeordnete Dr. Marco Mohrmann, der auch agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion ist. Diese Fahrten würden nicht nur das Gemeinschaftsgefühl stärken, sondern auch das Verständnis für die Landwirtschaft. Mohrmanns Forderung: "Wir brauchen eine klare Haltung und pragmatische Lösungen, um diese Veranstaltungen zu sichern."

Landkreis Stade: Genehmigung nach Versammlungsrecht

Diese pragmatische Lösung hat der Landkreis Stade für sich getroffen, indem er von den Vorgaben aus Hannover abweicht und die Lichterfahrten nach dem Versammlungsrecht und nicht nach dem Straßenverkehrsrecht genehmigen will (siehe Kasten). Diese Regelung könnte ein Vorbild für andere Landkreise sein und dafür sorgen, dass die beliebten Trecker-Korsos weiterhin zur weihnachtlichen Vorfreude beitragen.

Bereits im Vorjahr hat der Landkreis Stade Lichterfahrten als Versammlungen genehmigt. Voraussetzung für eine Genehmigung ist, dass der Versammlungsgrund ausreichend dargelegt wird. Das heißt: Wer eine Lichterfahrt anmeldet, muss Angaben zum Versammlungszweck machen. "Insbesondere der Aspekt der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung spielt hier eine Rolle", sagt Landkreis-Sprecher Daniel Beneke. Denkbar seien das Verteilen von Handzetteln, Transparente an den Fahrzeugen oder auch eine Kundgebung am Zielort.

Lichterfahrten - ja oder nein?

Wenn es sich um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes handelt, stellen versicherungsrechtliche Aspekte nach Einschätzung des Landkreises Stade kein Problem mehr dar und auch das Anbringen dekorativer Beleuchtung wie etwa Lichterketten wäre möglich. Zudem seien die Führerscheine der Klassen L und T ausreichend, weil die Fahrten dann quasi als "Bauern-Protest" dem landwirtschaftlichen Zweck dienen. Allerdings müssen die Treckerfahrer mindestens 18 Jahre alt sein. Angemeldet werden müssen die Lichterfahrten beim Ordnungsamt des Landkreises Stade.

Landkreis Harburg genehmigt nach StVO

Bei seiner bisherigen Position bleibt der Landkreis Harburg: "Wir bewerten die Lichterfahrten weiterhin als Veranstaltungen im öffentlichen Straßenverkehrsraum", erklärt Landkreis-Sprecher Andres Wulfes. Demnach erfolge eine Genehmigung entsprechend den Vorgaben des Landes nach der Straßenverkehrsordnung. Die Sicherheit der Teilnehmer der Trecker-Korsos sowie der Zuschauer stehe im Vordergrund. Der Landkreis erteile entsprechende Auflagen, etwa zur Absicherung der Strecke. Die Führerscheine der Klassen L und T seien nicht ausreichend, um im Konvoi mitfahren zu dürfen.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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