Kleine Schätze aus dem Schlick

Christine Eberz und Will Helms vor dem Becken des Hansehafens, in dem die Pilgerzeichen gefunden wurden  Fotos: jd
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Reisesouvenir des Mittelalters: Im Stader Hafenbecken fanden sich rund 300 Pilgerzeichen

jd. Stade. Pilgern ist spätestens seit dem Erscheinen von Harpe Kerkelings Buch "Ich bin dann mal weg" wieder in. Besonders der typische Bildungsbürger bevölkert seitdem die klassischen Pilgerpfade wie den Jakobsweg. Auf Pilgertour zu gehen war aber schon vor mehr als 500 Jahren geradezu in Mode. Besonders beliebt war es, von den Wallfahrtsorten sogenannte Pilgerzeichen mitzubringen. Eine wahre Fundgrube für diese Souvenire des Mittelalters war das Stader Hafenbecken. Dort fanden sich nach den Grabungen vor fünf Jahren sich fast 300 dieser kleinen Metallzeichen. Deren Dokumentation ist so gut wie abgeschlossen. Im kommenden April stehen die Stader Funde im Mittelpunkt einer internationalen Fachtagung in Lüneburg.

Zu Tage gefördert wurden die Stader Pilgerzeichen aber von Menschen, die eigentlich gar nicht vom Fach sind: Die Mitglieder der Stader Arbeitsgruppe Archäologie bargen die meisten Funde aus dem Hafenschlick. Aus dem Kreis dieser Hobbyarchäologen ist Will Helms zu einem Experten Sachen Pilgerzeichen geworden. Helms hat in akribischer Kleinarbeit Bruchstücke zusammengesetzt und mit detektivischem Gespür die Herkunftsorte der einzelnen Zeichen bestimmt.

Der Stader Stadtarchäologe Dr. Andreas Schäfer weiß das Engagement seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter zu schätzen: Ohne die tatkräftige Unterstützung von Helfern wie Helms würden zahlreiche Zeichen noch immer darauf warten, katalogisiert zu werden. Dieser Schreibtischtätigkeit ist eine wahre "Drecksarbeit" vorangegangen: Unzählige Stunden wühlten Helms und Mitstreiter wie Christine Eberz im Schlick, schlämmten schaufelweise den Matsch mittels Gartenschlauch und Sieb aus, bis wieder eines der kleinen Zeichen aus Bleizinn zum Vorschein kam.

Bewerkstelligt wurde das alles auf dem Bauhof der Kommunalen Betriebe Stade. "Dort war der Aushub aus dem Hafenbecken zwischengelagert worden", berichtet Helms: "Eine Fachbetrieb hatte bereits den Auftrag erhalten, den Schlick wegen möglicher Schadstoffbelastung zu entsorgen." Dann habe man sich aber entschlossen, die Matschberge nach und nach auf Funde abzusuchen.

Eine gute Entscheidung, denn selbst Experten gingen die Augen auf angesichts der großen Menge an Pilgerzeichen, die im Stader Hansehafen lagen. "Dieser Fundreichtum legt die Vermutung nahe, dass die Zeichen bewusst ins Hafenbecken geworfen wurden - ähnlich wie bei einem Wunschbrunnen", meint Schäfer. Das sei aber nur eine Theorie. Aus Holland weiß Helms, dass die Pilgerzeichen auf ein Brett genagelt wurden, das im Haus an der Wand hing - offenbar als Andenken, so wie heutzutage viele ihre Autos mit Aufklebern vom Urlaubsort "verzieren", nach dem Motto: Seht alle her, wo ich überall schon war. Ein ähnliches preiswertes Urlaubsmitbringsel seien eben die Pilgerzeichen gewesen. Touristische Massenware gab es also schon im Mittelalter, wenn auch mit religiösem Hintergrund.

400 Wunder durch Maria

Im Stader Hafenbecken landeten Pilgerzeichen aus ganz Europa, darunter viele aus den berühmten Wallfahrtsorten wie Santiago de Compostela. Vereinzelt sind auch Abzeichen aus früheren Pilgerstätten in Norddeutschland gefunden worden. Dazu zählt eine kleine Wallfahrtskapelle in der Nähe von Stade: Rund 35 Kilometer von der Hansestadt entfernt befand sich bei Stinstedt die St. Joost-Kapelle, die von vielen Pilgern aufgesucht wurde, um den Heiligen Jodokus zu verehren.
Die erklärten Lieblingsstücke von Hobbyarchäologin Christine Eberz sind die Pilgerzeichen aus Elende (kl. Foto). Das Dorf südlich des Harzes war eine der bedeutendste Wallfahrtsstätten im norddeutschen Raum: Das Motiv des Pilgerzeichens stellt Maria dar. Der Marienfigur in Elende wurden rund 400 Wunder zugeschrieben. Grund genug für die Menschen, dort in Scharen hinzupilgern. 

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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