"Das alles läuft, ist wohl Satire"
Kritik an Mega-Wartezeiten in der Führerscheinstelle
tk. Stade. Die große Resonanz der WOCHENBLATT-Leserinnen und -Leser zu dem Artikel über Ärger mit der Führerscheinstelle des Landkreises Stade zeigt: Dort liegt etwas im Argen. Alle Mails an die Redaktion zeigen, dass es dort gewaltig hakt. Das WOCHENBLATT hatte berichtet, dass es nach bestandener Fahrprüfung oft Wochen dauert, bis der Führerschein endlich - und auch nur nach persönlicher Terminvereinbarung - im Straßenverkehrsamt abgeholt werden kann. Dass es dort in der Führerscheinstelle Probleme gibt und lange Wartezeiten die Regel sind, hatte der Landkreis auf WOCHENBLATT-Nachfrage allerdings verneint. Das kommentiert Felix Müller, dessen Tochter vier Wochen auf ihren Führerschein hat warten müssen, mit den Worten: Es wurde der Eindruck vermittelt, die Dinge seien in Stein gemeißelt und man solle froh und dankbar sein, nach so wenigen Wochen den Führerschein zu bekommen. "Das Scheitern wird schöngeredet", fasst er seine Kritik zusammen. Die Landkreis-Sicht, dass alles gut laufe, hält Müller "für Satire".
Katrin Schönwälder hat ebenfalls Erfahrungen mit der Führerscheinstelle gemacht, die auf alles andere als auf guten und schnellen Service hindeuten. Dass ihr Sohn endlich seine Fahrerlaubnis bekommen habe, liege wohl daran, dass sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde an den Vorgesetzten geschickt habe.
Was nachdrücklich das Missverhältnis zwischen langer Wartezeit und dem tatsächlichen Abholen aufzeigt: "Das Abholen vom Auto bis zur Rückkehr mit Führerschein hat nur vier Minuten gedauert."
Sven Bernert berichtete, dass sein Sohn am 4. August seine Fahrprüfung bestanden habe und er seinen Führerschein erst fünf Wochen später hätte bekommen sollen. Auch Bernert hat sich beim Amtsleiter beschwert. "Nur nicht abwimmeln lassen", rät er. Es gab daraufhin einen Termin am Folgetag. Das Abholen des Führerscheins dauerte drei Minuten, so der WOCHENBLATT-Leser. Der vorgesehene Zeitraum für diesen Verwaltungsakt habe aber 15 Minuten gedauert - was wohl in den nicht benötigten zwölf Minuten passiert?, fragt sich Bernert.
Kai Stürcken berichtet, dass er insgesamt 13 Wochen auf seinen Lkw-Führerschein gewartet habe. Zuerst sechs Wochen Wartezeit, bis er die Papiere abgeben konnte. Dann weitere sechs Wochen bis zum Abholungstermin. Es sei nicht möglich gewesen, bei der Abgabe der Papiere einen Termin zur Abholung zu vereinbaren. Auch das musste telefonisch geschehen. Wobei sich die telefonische Terminvereinbarung schon schwierig gestaltet. Stürcken hatte es drei Tage lang immer mal wieder probiert, bis er erfolgreich war.
Von einem Erlebnis genau andersherum berichtet Peter Feindt. Sein Sohn habe den Führerschein direkt nach der Fahrprüfung zwar bekommen - allerdings vier Wochen vor seinem Geburtstag und damit zu früh. Die Fahrerlaubnis musste wieder beim Straßenverkehrsamt abgegeben werden. Was allerdings geklappt hat: Am Geburtstag gab es das begehrte Dokument.
Dass nicht nur bei der Erstausgabe von Führerscheinen im Landkreis Stade jede Menge Geduld erforderlich ist, bestätigt auch Claus List, Vorstandsmitglied der AG Osteland. Er wollte seinen alten Führerschein gegen einen neuen austauschen. Wie beschwerlich das sein kann, hatte WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Jörg Dammann in der WOCHENBLATT-Ausgabe vom vergangenen Samstag beschrieben. Bei Claus List hat das ganze Prozedere von der Antragsabgabe bis zur Aushändigung mehr als ein Vierteljahr gedauert. "Eine Behörde muss zunächst alles dementieren", vermutet er als Grund fürs Negieren von Problemen.
• Das ist die Situation im Landkreis Harburg: In der Regel müssen die Führerschein-Neulinge nicht auf ihre Fahrerlaubnis warten. "Diese wird ihnen vom Prüfer direkt nach der bestandenen Prüfung ausgehändigt", erklärt Kreissprecherin Katja Bendig. Sollte jemand doch einmal seinen Führerschein bei der Kreisverwaltung abholen müssen, weil er seine Prüfung z.B. vor seinem Geburtstag absolviert hat, beträgt die Wartezeit auf einen Termin laut Bendig derzeit zwei Tage.
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KOMMENTAR
Der Bürger als Bittsteller
Mehrere Fahrschulen und Leserinnen und Leser haben mit sehr ähnlichen Schilderungen von Missständen in der Führerscheinstelle des Landkreises Stade berichtet. Der Landkreis wiederum sieht kein Problem. Das hatte Dezernentin Nicole Streitz im WOCHENBLATT gesagt.
Man kann darüber streiten, was eine angemessene Wartezeit ist, um einen Führerschein ausgehändigt zu bekommen. Ich sage: Mehrere Wochen sind zu viel. Mit Corona und seinen Folgen kann das nicht erklärt und auch nicht entschuldigt werden.
Dort, wo Bürgerinnen und Bürger auf Verwaltung treffen, sind sie keine Bittsteller, sondern dürfen eine Dienstleistung erwarten. Das klappt in Sachen Führerschein im Landkreis Stade offenbar nicht.
Das WOCHENBLATT wird nach angemessener Zeit erneut Leser und Fahrschulen zu diesem Thema befragen. Am liebsten würden wir natürlich vermelden: Läuft jetzt alles super! Tom Kreib
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