Küstenschutzkonferenz in Stade
Deicherhöhung an der Elbe geht zu langsam voran
Es wird viel darüber geredet, aber es geht kaum voran: Der Küstenschutz ist ein elementares Thema für die Region entlang der Elbe. In dieser Woche wurde erneut über das Thema gesprochen. Landrat Kai Seefried hatte zu einer Zukunftswerkstatt in Sachen Küstenschutz ins Kreishaus eingeladen. Die Runde aus Experten und Politikern, darunter der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer (Grüne), war sich einig: Bei der zentralen Maßnahme des Küstenschutzes, der Deicherhöhung, muss das Tempo endlich angezogen werden. Doch die Vertreter der Deichverbände beklagten sich, dass ihnen bei den Deichbaumaßnahmen zu viele Steine in den Weg gelegt werden. Es geht um fehlendes Personal, aber auch um zu hohe Naturschutzauflagen.
"Mehr Aktualität geht bei diesem Thema heute gar nicht", begrüßte Gastgeber Seefried die Teilnehmer der Küstenschutzkonferenz. Er meinte damit die Sturmflut, die zuvor morgens gegen die Elbdeiche brandete. Angesichts des Klimawandels mit seinen zunehmenden Extremwetterereignissen wird es künftig häufiger Sturmfluten mit höheren Wasserständen geben. Daher müssen auch die Deiche entsprechend erhöht werden. Die für den Küstenschutz zuständige Landesbehörde, der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN), hat bereits reagiert und die Vorgaben für die künftige Mindesthöhe der Deiche nach oben korrigiert.
Elbdeiche müssen deutlich erhöht werden
Die erforderliche Referenzhöhe beim Deichausbau sei in den vergangenen Jahren zweimal bis auf aktuell einen Meter verdoppelt worden, berichtet Rainer Carstens von der NLWKN-Direktion. Außerdem sollen die Deiche so angelegt werden, dass später eine zusätzliche Aufstockung um einen weiteren Meter vorgenommen werden kann. Für die rund 77 Kilometer Hauptdeichlinie entlang der Elbe bedeutet dies konkret eine Erhöhung um bis zu 2,10 Meter, da einige Abschnitte schon jetzt unter dem Sollmaß liegen. Rund 575 Millionen Euro sind allein im Landkreis Stade für die Maßnahmen zum Küstenschutz veranschlagt, die in den kommenden 30 Jahren umgesetzt werden sollen. Dazu gehört neben der Deicherhöhung auch der Neubau von Sperrwerken.
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Das Geld für dieses Jahrhundertprojekt muss das Land bereitstellen. Umweltminister Meyer, er ist oberster Dienstherr des NLWKN, verwies bei der Tagung auf den Sonderrahmenplan des Landes, wonach in den kommenden 15 Jahren 85 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen, um den Folgen des Klimawandels beim Küstenschutz zu begegnen. Ob diese finanziellen Mittel ausreichen, bleibt fraglich. Ein "Riesenproblem" seien zudem die unzureichenden personellen Ressourcen, so Meyer. Dies habe bei den Planungen zum Deichbau und den Genehmigungsverfahren zu Verzögerungen geführt. Beim NLWKN standen bisher lediglich 230 feste Mitarbeiter im Bereich Hochwasser- und Küstenschutz zur Verfügung. Inzwischen seien 170 befristete in feste Stellen umgewandelt worden, so der Minister. Außerdem habe er erreichen können, dass in diesem Jahr 18 weitere feste Stellen hinzukommen.
Deichbau dauert zu lange
Die Praktiker vor Ort blieben aber skeptisch. "Warum dauert das alles bloß so lange?", fragte sich der Altländer Oberdeichrichter Wilhelm Ulferts. Er nannte als Beispiel die geplante Deichbaumaßnahme in Jork-Hinterbrack. Seit 2018 liefen dort die Planungen. "Doch bisher wurde der Deich nicht um einen Millimeter erhöht", kritisiert Ulferts. "Wenn wir so weitermachen, werden wir es niemals schaffen, in den kommenden 30 Jahren die gesamte Deichlinie zu erhöhen." Eine große Hürde seien die planungsrechtlichen Vorgaben, vor allem beim Naturschutz. "In Hinterbrack haben wir zwei Jahre allein mit dem naturfachlichen Konzept zugebracht", ärgert sich der Oberdeichrichter.
Zu viele gesetzliche Vorgaben
Ulferts zog auf der Zukunftswerkstatt einen Vergleich mit dem letzten großen Küstenschutzprojekt. Nach der verheerenden Sturmflut von 1962 wurden die Deiche innerhalb von nur 14 Jahren so erhöht, dass sie - abgesehen von wenigen Ausnahmen - im Jahr 1976 der bisher schwersten Sturmflut an der Nordsee standhielten. Ein solches Tempo würde er sich wieder wünschen. Doch damals seien die gesetzlichen Rahmenbedingungen weniger komplex gewesen. Allein die Bereitstellung von Ausgleichsflächen stelle einen immensen Aufwand dar. "Für zwei Kilometer Deichlinie sollen wir nun 15 Hektar als Ausgleich nachweisen", so Ulferts. Zuvor seien nicht einmal zwei Hektar erforderlich gewesen.
Der Oberdeichrichter möchte erreichen, dass der Deichbau künftig privilegiert wird und eine höhere Priorität als der Naturschutz erhält. Der Schutz der Küsten und der hinter den Deichen lebenden Menschen sei wichtiger. Ulferts verweist auf Schleswig-Holstein und Hamburg, wo keine Kompensationsflächen bei der Deicherhöhung verlangt werden. "Mir ist neu, dass es in den beiden Bundesländern eine andere Regelung gibt", erklärte Minister Meyer. Er will in seinem Haus die Sache nun prüfen lassen.
Landrat setzt sich für Masterplan ein
Er sei dankbar für den Dialog und die klaren Positionierungen, so das Fazit des Landrates. "Im Zentrum unserer Forderungen stehen nach wie vor eine ausreichende Finanzierung und notwendige Planungskapazitäten beim NLWKN sowie eine klare Beschleunigung der Bauvorhaben." Die Konferenzteilnehmer seien sich einig gewesen, dass die Planungen beim Deichbau deutlich schneller umgesetzt werden müssen, so Seefried. Dazu gehöre eine Entbürokratisierung von Vorhaben. Zudem sei beim Küstenschutz ein abgestimmtes Konzept aller Elbanrainer erforderlich. Der Stader Landrat bekräftigte abermals seine Forderung nach einem Masterplan Elbe.
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