Fehler liegt im System: Ist Rückkehr der Elbe-Kliniken in die Tarifbindung finanziell machbar?
jd. Stade. 2007 sind die Elbe-Kliniken aus der tariflichen Lohnbindung ausgestiegen. Mehr als zehn Jahre Bezahlung unter Tarif seien genug, sagen jetzt die Beschäftigten. Sie postierten sich mit Transparenten vor dem Kreishaus, um ihren Forderungen nach einer Lohnerhöhung Nachdruck zu verleihen. Drinnen berieten die Kreistags-Politiker über einen Antrag der Fraktion der Linken, eine Arbeitsgruppe zum Thema bessere Entlohnung für die Krankenhaus-Beschäftigten einzusetzen. In der Sitzung wurde deutlich, dass die Politik quer durch alle Fraktionen Verständnis für die Forderungen der Klinik-Mitarbeiter zeigt. Aber gleichzeitig war klar: Wer ehrlich an die Sache herangeht, muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Rückkehr in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) angesichts der gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen derzeit finanziell wohl kaum möglich ist.
Das Thema Krankenhausfinanzierung ist seit Jahren ein heiß umkämpftes Feld, bei dem die Krankenkassen als einer der Hauptakteure nicht bereit sind, freiwillig auch nur einen Millimeter ihrer Positionen preiszugeben. Die bittere Wahrheit ist: Das derzeitige Abrechnungssystem krankt, weil die Leistungen der Kliniken nicht kostendeckend abgerechnet werden. Dieser Systemfehler hat auch die Elbe-Kliniken zu einem Sparkurs gezwungen, unter dem die Beschäftigten leiden müssen, weil sie weniger Gehalt bekommen.
Die Erkenntnis, dass hier die "große Politik" handeln muss, ist auch zu den meisten Kreispolitikern durchgedrungen: Auf Antrag der SPD wurde eine Resolution verabschiedet, in der u.a. gefordert wird, künftig auch die Kosten für das Pflegepersonal in die Vergütung der Krankenhausleistungen einzubeziehen. Diese Kosten werden durch die jetzigen Fallpauschalen (siehe unten) nicht gedeckt. Zudem sollen Lohnerhöhungen dann von den Krankenkassen refinanziert werden.
Der Adressat dieses Appells, die Große Koalition in Berlin, hat aber gerade erst vor ein paar Tagen einen Beschluss auf den Weg gebracht, der für die Bemühungen im kleinen Stade kontraproduktiv sein könnte. Gesundheitsminister Jens Spahn (SPD) will bei den Krankenkassenbeiträgen die Parität wieder einführen: Ab 2019 sollen Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder "halbe-halbe" machen. Bisher war es so, dass die Versicherten den von meisten Krankenkassen erhobenen Zusatzbeitrag - er macht im Schnitt ein Prozent des Bruttolohns aus - allein tragen mussten. Die neue Regelung erhöht Lohnkosten für die Arbeitgeber, die womöglich Jobs streichen. Gibt es weniger sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, sinken wiederum die Einnahmen der Krankenkassen.
Solche Beitragswohltaten des Bundes können sich daher negativ auf die Elbe-Kliniken auswirken - wenn nämlich die Kassen sich auf sinkende Einnahmen berufen, um zusätzliche Gelder für die Krankenhäuser zu verweigern.
Eine Resolution ist zwar schnell verabschiedet, doch zu einer Lösung der Probleme vor Ort trägt sie herzlich wenig bei - genauso wenig wie wahrscheinlich der von den Linken beantragte und mit großer Mehrheit abgelehnte Arbeitskreis. Zu Recht hat der FWG-Fraktionschef Uwe Arndt darauf hingewiesen, dass den Politikern die fachliche Kompetenz fehle, um die komplexe Materie des Wirtschaftsbetriebes Krankenhaus so einfach zu durchdringen.
So bleibt es bei der bereits vom Kreisausschuss festgelegten Frist: Bis Jahresende soll die Geschäftsführung der Elbe-Kliniken Vorschläge präsentieren, wie man für die Beschäftigen eine bessere Entlohnung hinbekommt. An der Klinik ist bereits eine Arbeitsgruppe gebildet worden.
Den Politikern bleibt derzeit nicht viel mehr, als sich mit den Klinik-Beschäftigten zu solidarisieren. Weiterreichende Versprechungen, wie etwa die mögliche Zusage, die mehr als fünf Mio. Euro Zusatzkosten für den Wiedereinstieg in den Tariflohn über die Erhöhung der Kreisumlage für die Kommunen zu finanzieren, wären nicht seriös.
• Das WOCHENBLATT hat die Geschäftsführung zu diesem Thema befragt. Eine Antwort traf leider erst nach Redaktionsschluss ein. Diese wird in einem Folgeartikel veröffentlicht.
Das Problem mit der Fallpauschale
Die Kosten für die Behandlung eines Patienten rechnen die Kliniken mit den Krankenkassen über die sogenannte Fallpauschale ab. Das bedeutet: Für bestimmte OP's und Therapien gibt es einheitliche Sätze, die unabhängig davon gezahlt werden, wie aufwändig die Behandlung tatsächlich im Einzelfall war. Dieses Abrechnungssystem wurde 2004 eingeführt.
Vorher zahlten die Krankenkassen nach Liegetagen. Je länger ein Patient im Krankenhaus blieb, umso mehr Geld gab es. Mit den Fallpauschalen sollten die Kliniken dazu angehalten werden, die Patienten früher zu entlassen und so wirtschaftlicher zu arbeiten. Tatsächlich wurden die Liegezeiten fast halbiert.
Die Kehrseite der Medaille: Die Kliniken mussten mehr Patienten aufnehmen, um finanziell über die Runden zu kommen. Das führte unweigerlich zu einer höheren Arbeitsbelastung. Hinzu kommt, dass etliche Klinikbetreiber Personal reduziert haben, um nicht in die roten Zahlen zu rutschen.
KOMMENTAR: Woher das Geld nehmen?
Es ist das große Dilemma der Elbe-Klinken: Sie sind als GmbH organisiert, gehören aber dem Landkreis und der Stadt Stade, also öffentlich-rechtlichen Eigentümern. Diese sehen ein Krankenhaus auch auch weiterhin in der Pflicht, die wenig lukrative Grund- und Regelversorgung sowie die Notfallmedizin für den gesamten Landkreis zu gewährleisten. Ein Glück für die Patienten, denn eine privatwirtschaftlich betriebene Klinik würde rein profitorientiert agieren und "Rosinen picken" - also nur Abteilungen betreiben, die gewinnbringend arbeiten.
Um dieses breite Angebot kostendeckend vorhalten zu können und nicht wie rund zwei Drittel der niedersächsischen Krankenhäuser rote Zahlen zu schreiben, haben die Elbe-Klinken ihren Mitarbeitern einen Lohnverzicht abverlangt. Von einem moderaten Verzicht kann allerdings nicht mehr die Rede sein, wenn eine altgediente Krankenschwester mehr als 400 Euro unter Tarif bezahlt wird. Doch woher das Geld nehmen, wenn die Bundesregierung ihre angekündigten Versprechungen, die Krankenhausfinanzierung auf eine solide Basis zu stellen, wahr macht?
Ein weiteres Problem kommt in den nächsten Jahren auf die Elbe-Kliniken zu: Ihnen wurde im Herbst 2017 ein Förderzuschuss des Landes über 60 Mio. Euro bewilligt, um u.a. ein neues Bettenhaus in Stade zu bauen. Was als Geldsegen "abgefeiert" wurde, hat allerdings einen Haken: Diese Förder-Zusage bedeutet nur, dass das Land die Tilgung eines mindestens 20 Jahre laufenden Darlehens bis zur genannten Höhe übernimmt.
Die Finanzierungskosten rund um die Kredit-Beschaffung und die Zinsen müssen die Elbe-Klinken jedoch selbst aufbringen - was auf einen Eigenanteil von 20 Prozent hinausläuft. Hinzu kommen die laufenden Investitionen, um medizintechnisch auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Das bedeutet: die finanziellen Belastungen werden steigen.
Das klingt nach wenig Spielraum für höhere Löhne - was den Mitarbeiter aber bereits klar sein dürfte: In einem internen Rundschreiben hat die Klinikleitung mitgeteilt, dass sich "durch die Arbeit der Arbeitsgruppe an der unmittelbaren Vergütungshöhe allenfalls mittelbar etwas ändern" wird. Voraussetzung sei die "betriebswirtschaftliche Machbarkeit". Genau das dürfte der Knackpunkt sein.
Jörg Dammann
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