Rempe und Seefried fordern Inflationsausgleich
Krankenhausreform passiert Bundesrat: Landräte aus Stade und Harburg sind enttäuscht
Die von vielen Seiten kritisierte Krankenhausreform von Bundes-Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat am Freitag den Bundesrat passiert. Die Länderkammer lehnte den Antrag aus Bayern ab, den Vermittlungsausschuss anzurufen, damit noch Änderungen am Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vorgenommen werden. Bis auf Brandenburg stimmten alle SPD-geführten Landesregierungen gegen den Antrag. Auch Niedersachsen votierte gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses (einen ausführlichen Bericht dazu lesen Sie hier: bitte klicken). Die Landräte der Landkreise Harburg und Stade reagierten in einer ersten Stellungnahme enttäuscht auf das Bundesrats-Votum. Sie zeigen angesichts der desolaten Finanzlage der Kliniken keinerlei Verständnis für die Haltung Niedersachsens. Beide Landkreise unterstützen ihre kreiseigenen Krankenhäuser mit Liquiditätshilfen in zweistelliger Millionenhöhe, um die inflationsbedingte Finanzierungslücke auszugleichen. Die Landräte verlangen einen entsprechenden Inflationsausgleich seitens des Landes.
Die Stellungnahmen der Landräte
Rainer Rempe, Landrat des Landkreises Harburg:
"Ich bedaure die Entscheidung des Bundesrats zum KHVVG und insbesondere des Landes Niedersachsen, Möglichkeiten der Einflussnahmen und Veränderung nicht genutzt zu haben", erklärt der Harburger Landrat Rainer Rempe. Er hätte sich gewünscht, dass es zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses gekommen wäre, um Fehler in dem Gesetz noch zu korrigieren. Diese Chance sei nun vertan. "Grundsätzlich halte auch ich eine Krankenhausstrukturreform für notwendig und sinnvoll. Aber die Krankenhäuser befinden sich bundesweit in einer dramatischen Situation", sagt Rempe. Die finanzielle Situation der Kliniken in Niedersachsen sei so angespannt wie nie zuvor und aufgrund der erheblichen Sach- und Tarifkostensteigerungen der vergangenen Jahre bestehe akuter Handlungsbedarf.
"Auch unsere an sich wirtschaftlich gesunden kommunalen Krankenhäuser in Winsen und Buchholz befinden sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage", so Rempe. Er weist erneut darauf hin, dass die Häuser diese Schieflage allerdings nicht selbst zu verantworten zu haben. Umso wichtiger wäre eine Reform, die tatsächlich schnell eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser sicherstellt. "Das ist bei diesem Gesetz trotz immer wieder gemachter, anderslautender Versprechen des Bundes-Gesundheitsministers leider nicht erfolgt", stellt der Landrat fest. Damit komme der Bund seiner gesetzlichen Verpflichtung und Verantwortung zur auskömmlichen Finanzierung der Kliniken bisher nicht nach.
Rempe stellt klar: "Wir erwarten nun, dass eine neue Bundesregierung schnell handelt und einen Inflationsausgleich auch rückwirkend auf den Weg bringt. Das Land sehen wir in der Pflicht, die Notlage der Kliniken landauf, landab anzuerkennen und sich angemessen an notwendigen Defizitausgleichen zu beteiligen." Der Landkreis Harburg stehe uneingeschränkt zu seinen Krankenhäusern als wichtiger Teil der umfassenden und wohnortnahen medizinischen Versorgung und Teil der Daseinsvorsorge. Es sei aber definitiv nicht Aufgabe des Landkreises, dauerhaft als Ausfallbürge die finanziellen Lasten zu übernehmen, für deren Ausgleich der Bund zuständig und verantwortlich ist. Die Handlungsfähigkeit des Landkreises und seiner Städte und Gemeinden werde so deutlich eingeschränkt.
Kai Seefried, Landrat des Landkreises Stade:
„Es ist und bleibt ein richtiger Fehlstart für das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Dass der Bundesrat die Gesundheitsreform ohne die Anrufung des Vermittlungsausschusses oder weitere Verhandlungen für eine bessere Finanzierung hat passieren lassen, ist eine herbe Enttäuschung für uns“, sagt der Stader Landrat Kai Seefried. Leider hätten die massiven Bedenken der niedersächsischen Landkreise und der Klinikverbände, die sich in den vergangenen Wochen mit Resolutionen zu Wort gemeldet hatten, die Landesregierung zu keiner anderen Entscheidung bewegen können, stellt der Chef der Kreisverwaltung resigniert fest.
„Für die niedersächsische Kliniklandschaft ist diese Entscheidung verheerend“, sagt Seefried. Bereits heute seien 90 Prozent der niedersächsischen Kliniken nicht mehr in der Lage, den laufenden Betrieb finanzieren zu können. „Wie sollen die Krankenhäuser unter diesen Voraussetzungen den Reformprozess überstehen?“, fragt Seefried. Diese Frage und einen Appell zur Unterstützung hatte er noch am Dienstag an den Landesgesundheitsminister Dr. Andreas Philippi gerichtet. „Ich kann einfach nicht begreifen, dass die Bundesregierung und die Landesregierung einfach nur zuschaut und die Kliniken und auch die Träger, wie uns als Landkreis, in diese finanzielle Lage bringen“, sagt der Landrat.
„Da die niedersächsische Landesregierung die Reform ohne eine finanzielle Unterstützung der Kliniken und ihrer Träger umsetzen lässt, erwarten wir eine Erhöhung des kommunalen Finanzausgleichs durch das Land Niedersachsen, um das strukturelle Defizit beim Betrieb der Kliniken auszugleichen“, sagt Seefried mit Verweis auf die vom Kreistag vor drei Wochen in einer Sondersitzung beschlossene Resolution.
Landkreistag kritisiert Abstimmungsverhalten
Entsprechende Resolutionen haben etliche Kreistage beschlossen - auf Initiative des Niedersächsischen Landkreistages (NLT). Nach der enttäuschenden Abstimmung im Bundesrat kommt auch von dort Kritik. Der NLT bezeichnet es als "inkonsequent", dass die rot-grüne Landesregierung in der Länderkammer gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses gestimmt hat. "Anders als bisher vorgetragen, hält die Landesregierung die Existenz der für die flächendeckende Versorgung notwendigen Klinikstandorte offenbar durch das KHVVG für nicht gesichert", erklärt NLT-Hauptgeschäftsführer Hubert Meyer. Sonst hätte Niedersachsen doch wohl keinen gemeinsamen Entschließungsantrag mit Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern gestellt, in der die Sicherstellung einer Klinikversorgung in der Fläche gefordert wird.
"Ein Entschließungsantrag ändert hingegen nichts an dem vom Bundestag verabschiedeten Gesetz", meint Meyer. Es sei unrealistisch, dass eine neue Bundestagsmehrheit zeitnah "dieses verkorkste Reformgesetz" nachbessert. Der NLT sehe nun - wie gefordert - das Land Niedersachsen in der Verantwortung, eventuell notwendige Defizitausgleiche kommunaler Häuser wenigstens zur Hälfte mitzufinanzieren.
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