Neue Flüchtlingsquoten bis März 2024
Kreis Harburg muss dreimal so viele Flüchtlinge wie der Kreis Stade aufnehmen

Um den weiteren Zustrom an Flüchtlingen zu bewältigen, werden zusätzliche Unterkünfte benötigt. In Stade-Haddorf wurde jetzt in der dortigen bisher ungenutzten Notunterkunft die Hälfte der Container abgebaut, um sie Buxtehude zur Verfügung zu stellen | Foto: Malte Neumann
  • Um den weiteren Zustrom an Flüchtlingen zu bewältigen, werden zusätzliche Unterkünfte benötigt. In Stade-Haddorf wurde jetzt in der dortigen bisher ungenutzten Notunterkunft die Hälfte der Container abgebaut, um sie Buxtehude zur Verfügung zu stellen
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Auf diese Zahlen hat man in den Kreishäusern in Stade und Winsen bereits gewartet: Niedersachsen hat jetzt die neuen halbjährlichen Aufnahmequoten für Flüchtlinge festgelegt. Bis Ende März 2024 sollen dem Landkreis Stade 604 weitere Kriegsvertriebene aus der Ukraine sowie Asylsuchende aus anderen Ländern zugewiesen werden können. Das Soll für den Landkreis Harburg ist dreimal so hoch: Dort liegt die neue Quote bei 1.787 Geflüchteten.

"Es wird enger, es wird voller und damit steigt die Belastung für alle Beteiligten. Angesichts dieser Entwicklung stehen Länder und Kommunen vor einem schwierigen Herbst." Mit eindringlichen Sätzen beschrieb Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kürzlich die Herausforderungen, vor denen das Land angesichts steigender Flüchtlingszahlen steht. Die Ministerin brachte angesichts fehlender Unterkünfte sogar den Aufbau von winterfesten Zelten ins Spiel. Ihr sei bewusst, so Behrens, dass die "Kommunen bereits eine große Last" tragen würden.

Flüchtlingsquote im Kreis Stade mit 162 Prozent übererfüllt

Landkreis Harburg erfüllte Quote nur zu 49 Prozent
Diese Last dürfte mit der neuen Quote noch größer werden. Vor allem der Landkreis Harburg wird sich strecken müssen. Dieser hat seit Beginn des russischen Angriffskrieges knapp 4.000 Ukrainer und mehr als 2.100 Flüchtlinge aus anderen Herkunftsländern aufgenommen. Bis September wurde die vom Land festgesetzte Aufnahmequote lediglich zu 49 Prozent erfüllt. Um den Soll-Wert der bisherigen Quote zu erreichen, hätte der Landkreis Harburg 586 weitere Flüchtlinge aufnehmen müssen. Diese sogenannte Unterquote ist jetzt auf das neue, bis Ende März 2024 geltende Aufnahme-Soll draufgeschlagen worden.

Erfüllungsquote im Landkreis Stade bei 162 Prozent
Besser stellt sich die Situation im Landkreis Stade dar. Der hatte die letzte Aufnahmequote (Stichtag: 30. September) mit 162 Prozent deutlich übererfüllt. Seit Kriegsausbruch wurden fast 4.400 Ukrainer registriert, wobei rund 1.000 den Landkreis wieder verlassen haben. Hinzu kommen mehr als 800 Flüchtlinge, die aus anderen Ländern stammen. Angesichts dieser hohen Erfüllungsquote hatte Landrat Kai Seefried (CDU) die Erwartung geäußert, dass dem Landkreis Stade vorerst keine weiteren Flüchtlinge durch die Landesaufnahmebehörde (LAB) zugewiesen werden.

Inwieweit sich Seefried mit dieser Erwartung gegenüber dem Land durchsetzen kann, bleibt abzuwarten. Fakt ist: Die Übererfüllung der bisherigen Quote wurde bei der Festlegung der neuen Zahlen bereits berücksichtigt. Die Berechnung des zu verteilenden Flüchtlings-Kontingents erfolge "vorwiegend auf Grundlage der Bevölkerungszahl und unter Berücksichtigung bestehender Über- und Unterquoten bei der Aufnahme", heißt es seitens des Landes. Das bedeutet, ohne die erhebliche Übererfüllung des bisherigen Aufnahme-Solls wäre die Quote für den Landkreis Stade wesentlich höher ausgefallen. Nach der neuen Quote ist rein rechnerisch davon auszugehen, dass die LAB dem Landkreis Stade wöchentlich etwa 20 bis 25 Flüchtlinge zuweist.

Flüchtlingsquote für den Landkreis Stade wurde gekürzt

Kreis Stade: Noch ist genug Platz

Die Verteilung der Geflüchteten auf die Städte und (Samt-)Gemeinden im Landkreis Stade erfolgte bislang reibungslos. Das dürfte auch künftig der Fall sein, denn noch gibt es ausreichende Kapazitäten. Einige Kommunen haben die Zeit genutzt, um weitere Unterbringungsmöglichkeiten zu schaffen. Wie beispielsweise Stade. Dort geht jetzt die dritte sogenannte Großunterkunft in Betrieb. Die Stadt hatte zum 1. März das ehemalige Gebäude des Jobcenters angemietet und es nach dem Vorbild des früheren Kreis-Jugendamtes in Ottenbeck umgebaut. Dort wurden aus Büroräumen überwiegend Zweibettzimmer, in denen vorwiegend ukrainische Mütter mit ihren Kindern untergebracht sind.

"Die neue Unterkunft im Ex-Jobcenter bietet rund 110 Plätze und kann ab sofort belegt werden", berichtet Stades Stadtrat Carsten Brokelmann auf WOCHENBLATT-Nachfrage. Die ersten Bewohner seien bereits eingezogen. Darunter gebe es auch einige Geflüchtete, die aus von der Stadt angemieteten Häusern ausziehen müssen, deren Mietvertrag jetzt ausgelaufen ist. Stade muss nach der neuen Quote rund 120 weitere Flüchtlinge aufnehmen. Brokelmann ist zuversichtlich, das zu schaffen. "Diese Menschen kommen ja nicht mit einem Schlag." Er rechnet mit fünf bis sechs Personen, die Stade pro Woche zugewiesen werden. Das sei problemlos zu bewältigen.

Als "eiserne Reserve" dient weiterhin das Container-Quartier in Haddorf. Dort waren im vergangenen Winter 40 Wohncontainer aufgestellt worden, die mit jeweils zwei Personen belegt werden können. Bisher musste die Stadt nicht auf diese Unterkunft zurückgreifen. Wie berichtet, wird jetzt sogar die Hälfte der Container an die Stadt Buxtehude abgetreten. Dort kann man die zusätzlichen Unterbringungsmöglichkeiten sicher gut gebrauchen, da Buxtehude bei der Aufnahme von Flüchtlingen bisher unter dem Soll lag.

Flüchtlingsquote: Jork ist Spitzenreiter, Buxtehude Schlusslicht

Kreis Harburg: Kritik von der Politik

"Als Konsequenz dieser neuen Quote muss der Landkreis Harburg vermutlich die Belegungszahlen in den Unterkünften erhöhen", meint der Buchholzer CDU-Landtagsabgeordnete Jan Bauer. Wurden Zimmer bisher mit zwei Personen belegt, müssen dort künftig mindestens drei Bewohner untergebracht werden. Eine glückliche Lösung sei das sicher nicht, so Bauer. Aber im gesamten Kreisgebiet gebe es so gut wie keine weiteren Unterbringungsmöglichkeiten. Bauer geht davon aus, dass dem Landkreis jetzt knapp 60 Flüchtlinge pro Woche zugewiesen werden. Bisher war es etwa die Hälfte.

Der CDU-Politiker sieht das Land in der Pflicht, mehr Kapazitäten durch die Schaffung zusätzlicher Erstaufnahmeeinrichtungen zu schaffen. Man könne nicht einfach den Landkreisen munter Flüchtlinge zuweisen, obwohl klar sei, dass etliche schon jetzt ihre Kapazitäten ausgeschöpft hätten. Es gebe im Kreis Harburg so gut wie keine Leerstände mehr bei Wohnimmobilien. Andere Landkreise hätten das gleiche Problem. Daher müsse sich die Landesregierung schleunigst nach geeigneten Gebäuden umschauen, um darin Großunterkünfte einzurichten.

Im Blick hat Bauer beispielsweise ehemalige Bundeswehr-Standorte, in denen noch Kasernen vorhanden sind. "Das ist natürlich keine ideale Lösung, aber das Land muss solche Puffer schaffen, um die Kommunen bei der Unterbringung von Flüchtlingen nicht zu überfordern." Auf keinen Fall dürfe es wieder so weit kommen, dass vor Ort Turnhallen zu Notquartieren umfunktioniert werden, so Bauer. Schulen und Schüler können nicht die Leidtragenden sein, wenn das Land Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen hat.

Dabei müsse aber auch die Frage gestellt werden, wie künftig mit denjenigen umgegangen wird, die ohne jegliche Bleibeperspektive nach Deutschland kommen, meint der Landtagsabgeordnete. Er halte es für unsinnig, Menschen ohne Aussicht auf die Gewährung von Asyl weiterhin auf die Landkreise zu verteilen.

Wer aus sicheren Ländern komme, sollte künftig in einer zentralen Einrichtung des Landes bleiben, bis das Asylverfahren abgeschlossen ist. Bei einer Ablehnung des Asylantrages könnte dann auch schneller abgeschoben werden.

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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