Politische Mehrheit wollte Status quo
Vorerst keine neuen Windparks im Kreis Stade
Um die Energiekrise zu überwinden, wollen Bund und Land den Ausbau der Windenergie forcieren. Mit dem Land-an-Wind-Gesetz hat die Ampel-Regierung die Vorgabe gemacht, dass bis zum Jahr 2032 bundesweit zwei Prozent aller Flächen für Windkraftanlagen ausgewiesen werden (siehe Kasten unten links). In Niedersachsen hatte der damalige Umwelt- und jetzige Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) mehrfach kritisiert, dass es in Sachen Windkraft nur schleppend vorangehe. Als schleppend kann man auch das Verfahren bezeichnen, mit dem die Windkraft-Planungen im Landkreis Stade wieder auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden sollen. Seit fünf Jahren arbeitet man im Kreishaus an einer Neufassung des Teilabschnitts Windkraft für das Regionale Raumordnungsprogramm (RROP), das Grundlage aller planerischen Aktivitäten ist. In der kommenden Woche soll die Politik endlich über den Entwurf der Verwaltung beraten.
"Wir hängen massiv beim Ausbau der Windenergie hinterher." Der Appell von Minister Lies vor ein paar Wochen war eindringlich. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine sei jedes Windrad ein Beitrag für Frieden, Freiheit und die Unabhängigkeit unserer Energieversorgung. Lies machte deutlich: "Mit kleinen Schritten lösen wir das Problem in Zeiten von Klima- und Wärmekrise aber nicht."
Doch was im Landkreis Stade jetzt beim Thema Windkraft passiert, ist nur ein solcher kleiner Schritt. "Die RROP-Neufassung für den Bereich Windkraft sieht - mit Ausnahme des Testwindparks in Krummendeich - keine neuen Windparks im Kreisgebiet vor", sagt der Leiter des Kreis-Planungsamtes, Simon Grotthoff. Bei manchen Parks vergrößere sich die Fläche ein wenig, bei anderen werde sie etwas reduziert. Einen nennenswerten Zubau an Rotoren werde es auf Grundlage dieser Planungsvorgaben nicht geben. "Wir halten in etwa den Status quo, was die installierte Leistung betrifft, und legen den Fokus auf das Repowering", erläutert Grotthoff.
Kreis-Politiker wollten nicht mehr Windkraft
Mehr ist politisch auch nicht gewollt gewesen, als sich die Planer im Kreishaus im Jahr 2017 an die Ausarbeitung eines neuen RROP-Textes zur Ausweisung von Windkraft-Vorranggebieten machen mussten. "Es gab eine Mehrheit in der Kreis-Politik, die sagte, es werde bereits ausreichend Windenergie im Landkreis Stade erzeugt", so Grotthoff. Eine Neufassung sei ja auch nur deswegen auf den Weg gebracht geworden, weil das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg die alte Fassung für unwirksam erklärt hatte. Geklagt hatten Windkraft-Projektierer. Es ging um die Aufstellung von Kriterien, wonach bestimmte "Tabuzonen" definiert sind, in denen Windräder auf keinen Fall stehen dürfen.
Alle diese Ausschluss-Kriterien, zu denen Wohnbebauung, Naturschutzgebiete oder auch Bodendenkmäler zählen, sind in der jetzt vorliegenden Fassung neu gewichtet und bewertet worden. Letztlich ging es darum, dass alles gerichtsfest formuliert ist. Welch erheblicher Aufwand damit verbunden war, wird daran deutlich, dass der Entwurf zwei öffentliche Beteiligungsverfahren durchlaufen musste, bei denen insgesamt 363 Stellungnahmen eingingen, die alle abgearbeitet werden mussten.
"Einige Stellungnahmen umfassten 20 bis 30 Seiten, verfasst von Rechtsanwälten", berichtet Kreisbaurätin Madeleine Pönitz. Darunter seien neben vielen Privatleuten auch Windkraft-Projektierer gewesen, die sich fälschlicherweise Hoffnung auf die Ausweisung neuer Vorranggebieten gemacht haben. Am Ende ist ein rund 3.100 Seiten starkes Konvolut herausgekommen, das die Politiker sich jetzt als Lektüre vornehmen können.
Wie geht es jetzt weiter?
Der Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt und Regionalplanung berät über den Entwurf auf seiner Sitzung am Mittwoch, 16. November, um 8.30 Uhr im großen Sitzungssaal des Kreishauses. Das letzte Wort hat dann der Kreistag, der am 8. Dezember den Satzungsbeschluss fassen soll. Danach muss das Amt für regionale Landesentwicklung in Lüneburg eine formaljuristische Prüfung vornehmen, bevor es einen Genehmigungsbescheid erteilt. Mit der Veröffentlichung im Amtsblatt - wahrscheinlich Ende März - hätte der Text dann Rechtskraft.
Damit ist das Thema Windkraft aber nicht ad acta gelegt. Im Gegenteil: Danach machen sich die Planer im Kreishaus an die nächste Neuauflage des RROP, um u.a. die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Windkraft zu erfüllen. Mehr dazu lesen Sie in einer der kommenden WOCHENBLATT-Ausgaben.
Bis zum Jahr 2027 mehr Flächen für die Windkraft
Zwei Prozent der Flächen in Deutschland sollen in den kommenden Jahren laut "Wind-an-Land-Gesetz" als Vorranggebiete für die Windkraft ausgewiesen werden. Die Vorgaben für die einzelnen Bundesländer unterscheiden sich je nach Landschafts- und Siedlungsstruktur. Für Niedersachsen hat der Bund folgende Werte festgelegt: Bis Ende 2027 sollen 1,7 Prozent der Landesfläche für die Windkraft-Nutzung bestimmt werden, Ende 2032 sind es dann insgesamt 2,2 Prozent.
Laut dem rot-grünen Koalitionsvertrag soll das 2,2-Prozent-Ziel aber bereits 2027 erreicht werden. Diese Zahl ist noch nicht auf die Ebene der Landkreise heruntergebrochen. Im Stader Kreishaus rechnet man aber damit, dass die Vorgabe für die Region, in der ein stärkerer Wind weht als in anderen Landesteilen, etwas höher als der Landesdurchschnitt ausfallen dürfte.
Auf jeden Fall wird der Landkreis Stade in den kommenden Jahren zusätzliche Vorrangflächen für die Windkraft festlegen müssen. Derzeit sind 1,7 Prozent des Kreisgebietes für Windparks ausgewiesen. Nach Angaben des Portals windbranche.de stehen im Landkreis Stade aktuell 242 Windräder mit einer Nennleistung von 523 Megawatt. Zum Vergleich: Das Ende 2021 stillgelegte AKW Brokdorf hatte eine Leistung von rund 1.400 Megawatt.
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