Niedersachsen
Was tun, wenn man einem Wolf begegnet?
Eine WOCHENBLATT-Leserin aus Tostedt-Todtglüsingen (Landkreis Harburg) ist beunruhigt: Als sie bei zwei Spaziergängen mit ihrem Hund in einem Waldstück einen Tierkopf und einen angenagten Hüftknochen entdeckte, vermutete sie, dass es die Reste einer Wolfsmahlzeit waren. "Ich fühle mich nicht mehr sicher hier im Wald. Mir fehlt einfach auch die Transparenz, ob hier Wölfe umgehen, wenn ja, wie viele. Gibt es hier bereits ein Rudel und was mache ich, wenn meinem Hund und mir ein Wolf oder gleich das ganze Rudel begegnet?" Das WOCHENBLATT fragte bei Wolfsberatern in den Landkreisen Harburg und Stade nach.
Wolfsberaterin Svenja Oßenbrügge berichtet, dass es im Landkreis Harburg zurzeit zwei Wolfsrudel gibt: eines mit dem Namen "Buchholz" und eines in Garlstorf. "Zusätzlich scheint sich ein Paar im Bereich Winsen angesiedelt zu haben. Außerdem gibt es einzelne Rudel, deren Revier in unseren Landkreis ragt, hier wären das Schneverdinger Rudel und das Rudel in Scheeßel zu nennen", sagt Svenja Oßenbrügge.
"Wölfe bewegen sich hauptsächlich in ihren Revieren voran. Die Größe eines Wolfsreviers erstreckt sich auf 250 bis 350 Quadratkilometer. Das entspricht in etwa den Gemeindeflächen Rosengarten, Buchholz und Seevetal zusammen. Innerhalb ihres Reviers halten sich die Wölfe bevorzugt auf. Junge Wölfe verlassen aber auch oft Ihr Revier und erkunden die weitere Umgebung", erläutert die Wolfsberaterin.
Laut den Karten des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gab es 2021 keine nachgewiesenen Übergriffe, 2022 gab es vier Vorfälle mit 19 toten Nutztieren (davon neun Mal Gatterwild in Regesbostel, ein Rind im Everstorfer Moor, sieben Schafe in Winsen-Borstel, zwei Schafe in Krümse) und 18 verletzte Schafe. 2023 wurden bisher bei zwei Wolfsangriffen vier Schafe in Hanstedt und ein Schaf in Brackel getötet und zwei verletzt (ohne Gewähr auf Vollständigkeit).
Landkreis Stade
"Im Landkreis Stade gibt es aktuell offiziell keine Rudel, über Einzelwölfe kann ich nur sehr wenig sagen", erläutert Michael Ohlhoff, Wolfsberater des Niedersächsischen Umweltministeriums sowie u.a. Jagdaufseher, Revierhegemeister und Falkner.
In diesem Jahr seien der mit dem Wolfsmonitorng betrauten Landesjägerschaft Niedersachsen (LJN) aus dem Landkreis Stade bislang nur 33 Fotofallenbilder mit Wölfen übermittelt worden. "Hier ist noch viel Luft nach oben. Will heißen: Die Meldebereitschaft in der Jägerschaft Stade mit elf Hegeringen und knapp 240 Jagdrevieren ist mehr als dürftig oder - wie ich es in meinen Vorträgen gerne anmerke - eine Vollkatastrophe. Hier werden von den Jagdausübungsberechtigten immer wieder Ausreden wie 'ich will keinen Wolfstourismus in meinem Jagdrevier' oder 'meine Meldung interessiert niemanden' angeführt. Das ist alles totaler Quatsch, die Meldungen gehen nur an die LJN. Hier müssen wir Daten für die Politik liefern, aktuell haben wir keine residenten Wölfe in Stade, weil nicht gemeldet wird", sagt Ohlhoff.
Die von der Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. zur Verfügung gestellte APP sei einfach zu bedienen und könne von jedem, auch Nicht-Jägern, genutzt werden. Darüber können Sichtungen, Fotofallenbilder oder Kotfunde gemeldet werden (www.wolfsmonitoring.com/app).
Um mehr Wolfsmeldungen zu bekommen, wurde im aktuellen Niedersächsischen Jagdgesetzt Folgendes hinzugefügt: "An der systematischen Erfassung, Beobachtung und Überwachung des Wolfes (Monitoring) sollen die Jagdausübungsberechtigten im Rahmen ihrer Hegeverpflichtung mitwirken."
Ohlhoff: "Ich sehe das als Jäger auch als Dienst an der Gesellschaft, nur so wissen z.B. die Landwirte, Nutztierhalter und Pferdehöfe, was sich an Wolfsbewegungen in ihrer Umgebung aktuell abspielt. Wenn nichts gemeldet wird und die Bilder nur 'heimlich' unter den Jägern ausgetauscht werden, hilft das niemandem."
Im Kreis Stade wurde 2021 in Düdenbüttel ein Pferd von einem Wolf gerissen, 2022 waren es vier Schafe (u.a. in Drochtersen, Oederquart und Hamelwördenermoor) sowie drei Rinder (im Theisbrügger Moor, im Hamelwördenermoor und in Wolfsbruch), 2023 waren es bisher drei Schafe (in Balje, Oederquart und Großenwörden).
Das ist zu tun, wenn man einem Wolf begegnet:
- Bleiben Sie ruhig!
- Beobachten Sie den Wolf und halten Sie – wie zu anderen Wildtieren auch – respektvollen Abstand.
- Fühlen Sie sich unwohl, ziehen Sie sich langsam mit Blickrichtung zum Tier zurück. Rennen Sie nicht weg!
- Wenn das Tier Sie bemerkt, wird es sich in der Regel zurückziehen, geben Sie ihm Zeit und Raum dazu. Der Rückzug erfolgt meist nicht in panischer Flucht. Der Wolf entfernt sich z. B. durch langsames Davontraben und dreht sich evtl. auch mehrfach um.
- Wenn es die Situation zulässt, machen Sie Fotos. Verfolgen Sie das Tier aber nicht.
- Füttern Sie das Tier unter keinen Umständen!
- Locken Sie es nicht an, es könnte seine Vorsicht verlieren!
- Junge Wölfe sind häufig neugieriger als ausgewachsene Wölfe. Folgt Ihnen ein Tier wider Erwarten, halten Sie an. Treten Sie möglichst selbstsicher auf. Gehen Sie eher auf das Tier zu als von ihm weg. Machen Sie Lärm und versuchen Sie, das Tier einzuschüchtern, indem Sie sich z. B. groß machen, Arme und Kleidungsstücke schwenken, es anschreien oder auch mit Gegenständen bewerfen.
- Sollten Sie sich damit sicherer fühlen, können Sie auch Pfefferspray oder eine Trillerpfeife mit sich führen.
- Sind Sie mit einem Hund unterwegs, lassen Sie ihn nicht von der Leine, sondern behalten Sie ihn nahe bei sich.
- In der Paarungszeit der Wölfe (Januar bis März) Hunde im Wolfsgebiet nicht freilaufen lassen.
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