Inklusion
Barrieren in den Köpfen beseitigen
In Deutschland leben rund acht Millionen Menschen mit einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung. Deren Teilhabe am Alltag ist trotz der im Jahr 2008 in Kraft getretenen UN-Behindertenrechtskonvention immer noch mehr oder weniger stark eingeschränkt. Vielfach wurden im öffentlichen Raum u.a. taktile Leitsysteme auf Gehwegen aufgebracht oder an Ampeln akustische Signale installiert. Aber bei Weitem noch nicht flächendeckend. Und manchmal ist gut gemeint auch schlecht gedacht, wenn die Bevölkerung über deren Nutzen nicht ausreichend aufgeklärt ist. "Barrierefrei zum Nulltarif - geht das?" lautet daher der Titel einer Wanderausstellung und einer Öffentlichkeitskampagne des "Netzwerks - barrierefrei leben".Barrierefreies Planen
muss Normalität werden
"Erst wenn die Barrieren in den Köpfen beseitigt sind, kann barrierefreies Planen von Anfang an zur Normalität werden", sind Ellen Kühn, Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Lüneburg-Harburg, und Petra Kohls vom Inklusionsbeirat des Landkreises Harburg überzeugt. "Es nützt nichts, zum Beispiel taktile Leitsysteme für Menschen mit Sehbehinderung im öffentlichen Raum zu haben, wenn sie mit Mülltonnen, Blumenkübeln, Außenbestuhlung oder Fahrrädern zugestellt werden. Diese Leitstreifen werden mit Steuergeldern finanziert, sind aber nicht nutzbar von Menschen, die darauf angewiesen sind."Probleme von Menschen
mit Behinderung
In einem Film (siehe QR-Code), der im Rahmen des Aktionstags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im vergangenen Mai entstand, berichten Menschen mit Behinderung, mit welchen Problemen und Unverständnis sie im Alltag zu kämpfen haben. Dazu gehören zum Beispiel Rampen, die für Menschen im Rollstuhl gedacht, aber zu steil zum Befahren sind, Fahrstühle an Bahnhöfen, die regelmäßig ausfallen, oder zu hoch hängende Bankautomaten und unerreichbare Öffnungen von Leergutautomaten. Auch wohlgemeinte Hilfen können für Menschen mit Behinderung unangenehm werden, wenn sie ihnen einfach aufgezwungen werden, ohne zuvor zu fragen, wie man helfen kann.
Menschen mit Behinderung wünschen sich mehr Offenheit von ihren Mitmenschen ohne Behinderung, dass sie als gleichwertige Menschen respektiert werden und dass ihre Bedürfnisse in der Stadtentwicklung berücksichtigt werden.
Es gibt noch viele weitere Beispiele, die zeigen, dass ein Verständnis für die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen vielfach fehlt. Hörgeschädigte Menschen brauchen für die Teilhabe an öffentlichen Sitzungen oder Kulturveranstaltungen meist keine Gebärdendolmetscher, sondern eine technische Anlage, die akustische Signale umwandelt und verstärkt. Für Menschen mit Sehbehinderung oder Leseschwäche helfen Piktogramme statt Beschriftungen sowie bei online zugänglichen Formularen und anderen Dokumenten eine PDF-Datei, die vergrößert werden kann, oder eine Vorlesefunktion.Unterstützung von Menschen,
die Entscheidungen treffen
"Wir brauchen Unterstützung von den Menschen, die Entscheidungen treffen. Und wir wollen Basisarbeit leisten", sagt Ellen Kühn. Die Wanderausstellung kann in Rathäusern, Banken und Schulen aufgestellt werden. Die Informationen gibt es auch über QR-Codes - sozusagen "to go".
Auch heranwachsende Generationen sollen für das Thema Barrierefreiheit sensibilisiert werden, damit barrierefreies Denken Normalität und von den künftigen Verantwortlichen umgesetzt wird. "Dafür wollen wir Studenten gewinnen, die mit uns in die Schulen gehen und dort Teenager zu Multiplikatoren ausbilden", erläutert Ellen Kühn. Auch könnten Schulprojekte zur Barrierefreiheit im eigenen Wohnort durchgeführt werden.
Bei ihrem Anliegen, das Thema Barrierefreiheit in die Köpfe zu bekommen, betonen Petra Kohls und Ellen Kühn: "Wir lamentieren nicht und erheben keine Vorwürfe. Wir wollen auf sachlicher Ebene etwas bewegen, um gemeinschaftlich neu zu denken." Gemäß der Aussage von Raul Aguayo Krauthausen, Aktivist für Inklusion und Barrierefreiheit: "Wer Inklusion will, findet einen Weg. Wer sie nicht will, findet Ausreden."
• Wer die Ausstellung ausleihen oder sich als Student einbringen möchte, meldet sich bei Petra Kohls, Inklusionsbeirat Landkreis Harburg, Tel. 01523-8797656, E-Mail: LKHarburg.inklusionsbeirat@gmail.com.
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