WOCHENBLATT fragt seine Leser
8. Mai 1945: Erinnerungen an das Kriegsende
(as). Es ist ein denkwürdiges Datum: Am 8. Mai 1945 wurde der Zweite Weltkrieg beendet - mit der Kapitulation der Wehrmacht wurde die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten beendet. Jetzt jährt sich das Datum zum 75. Mal. WOCHENBLATT-Leser lassen uns an ihren Erinnerungen teilhaben und berichten, wie sie diese Zeit erlebt haben.
Waffenstillstand -
was ist das?
Annemarie Kärger (82) aus Hittfeld erinnert sich noch gut an den 8. Mai 1945. "Es war ein heißer Sommertag. Wir - meine Eltern, mein jüngerer Bruder und ich - wohnten bereits in Jesteburg, weil wir 1943 in Hamburg ausgebombt wurden. Mit mehreren Nachbarn standen wir an diesem denkwürdigen Tag draußen und alle jubelten. Ich konnte diese Freude zunächst überhaupt nicht verstehen, denn ich war erst siebeneinhalb Jahre alt. Irgendjemand rief freudestrahlend: "Waffenstillstand!“ Was war das? Kein Fliegeralarm mehr, keine Bomben mehr, keine Tiefflieger mehr (die auch auf uns Kinder geschossen haben), keine Geschosse mehr, keine Angst mehr zu haben? Ich begriff die Situation überhaupt nicht, weil ich mit all dem aufgewachsen war und immer dachte, dass mich dieser Krieg das ganze Leben begleiten würde. Etliche Jahre danach gab es alljährlich den sogenannten Probealarm. Ich konnte den nie hören und hielt meine Ohren zu. Auch nach 75 Jahren habe ich nichts vergessen!"
Moisburg mit weißer
Fahne gerettet
Ella Öhms (77) aus Elstorf war bei Kriegsende noch ein Kleinkind, aber ihre Eltern und Großeltern haben ihr viel aus dieser Zeit erzählt. "Dass Moisburg nicht wie andere Orte in der Umgebung zerstört wurde, das haben wir meinem Großvater zu verdanken", ist sie überzeugt.
Ihr Großvater Johann Wegers hat am Ortsausgang in Richtung Grauen gewohnt. "Auch auf die Gefahr hin, von den Nazis erschossen zu werden, hat mein Opa die weiße Fahne auf dem Dach gehisst, als die Briten kamen", berichtet Ella Öhm. Ihr Großvater hatte im Ersten Weltkrieg sein Bein verloren, musste sich mühsam Stufe für Stufe auf der Leiter emporarbeiten. Schließlich sei es ihm gelungen, allein aufs Dach zu klettern und die Fahne dort gut sichtbar zu platzieren. "Das ärgert mich heute noch, dass niemand meinem Opa helfen wollte und er das mit seinem einen Bein allein machen musste", sagt Ella Öhm. Ihr Opa habe ihr berichtet, dass die Furcht vor den Nationalsozialisten auch gegen Kriegsende noch sehr groß gewesen sei. "Während Elstorf und andere Dörfer zerstört wurden, den Bewohnern die Fahrräder weggenommen und kaputt gemacht wurden, waren die Briten den Moisburgern gegenüber freundlicher gesinnt - weil sie gleich am Ortseingang die weiße Fahne meines Opas gesehen haben", so Öhms.
Bauernhof schwer
unter Beschuss
"Zum Ende des Krieges war ich siebeneinhalb Jahre alt und kann mich noch sehr gut, wenn auch mit kleinen Lücken, an die letzten Tage des Krieges in Ehestorf erinnern", sagt Hermann Reschke (82) aus Buchholz. "Meine Mutter und ich waren bei meiner Großmutter zu Besuch, die in einem kleinen Haus auf dem Grundstück von Gustav Böttcher in Ehestorf wohnte. Der Bauernhof von Böttcher steht heute noch, von Vahrendorf kommend, rechts am Eingang des Dorfes. Damals hatte das Haus ein Strohdach und beherbergte außer der Familie Böttcher auch Kühe, Schweine und Pferde. Wir waren zu dem Zeitpunkt im Keller des Hauses, als das Strohdach durch Beschuss vom Kiekeberg durch die dort befindlichen Engländer in Brand geschossen wurde. Alle Menschen und die freigelassenen Tiere stürmten in Panik aus dem Gebäude auf den großen Hof des Hauses. Ich lief in den zum Gelände gehörigen Eichenhof (Gelände mit vielen Eichen. Heute stehen dort Einfamilienhäuser), zusammen mit vielen wild durcheinander rennenden Tieren.
Meine Mutter irrte auf dem Hof umher und rief ständig meinen Namen. Menschen und Tiere wurden währenddessen vom Kiekeberg aus beschossen. Schließlich fand sie mich unverletzt auf dem Eichenhof.
Offensichtlich hatten die britischen Truppen mitbekommen, das sich in dem Bauernhaus auch deutsche Soldaten befanden. Ich hatte vorher erfahren, dass ein Angriff auf den Bismarckturm durchgeführt wurde, und die Soldaten erzählten von dem Angriff. Vom Haus beobachteten sie auch den Kiekeberg.
Auf dem Weg zu meiner Großmutter wurden wir auf der Straße zwischen Appelbüttel und Ehestorf von Tieffliegern beschossen und haben uns beim Anflug in den Graben rechts der Straße zwischen Bäume gehockt. Der Grund unseres Besuches in Ehestorf war die Furcht vor Angriffen auf die Stadt Hamburg.
Meine Mutter und ich verließen Ehestorf umgehend und gingen zu Fuß zurück nach Harburg, wo wir zur Untermiete wohnten, weil wir unser Haus durch einen Bombenangriff verloren hatten. Die Kapitulation erlebte ich kurz danach auf dem Dach des Hauses, in dem wir wohnten. Viele britische Panzer fuhren entlang der Bahnlinie in Richtung Hamburg.
Aufgrund des WOCHENBLATT-Artikels habe ich den Ort wieder einmal besucht und die Erinnerung wurde schmerzlich wieder wach. Obgleich, damals empfand ich als Siebeneinhalbjähriger das ganze Geschehen als sehr abenteuerlich."
Redakteur:Anke Settekorn aus Jesteburg |
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