Offenbar zwei sesshafte Wölfe in der Region
Kalb von Wolf getötet?
lt. Wiegersen. Landwirt Karsten Ehlen aus Wiegersen ist sich sicher: Ein Wolf hat vor einigen Tagen eins seiner Angus-Kälber getötet. Um den Verdacht bestätigen zu können, hat Stades ehrenamtlicher Wolfsberater Ulrich Geertz eine DNA-Probe zum Wolfsbüro in Hannover (siehe Kasten) geschickt. Bis das Ergebnis vorliegt, könnte aber viel Zeit verstreichen.
Wie berichtet, werden alle Spuren von vermeintlichen Wolfsattacken aus dem gesamten Bundesgebiet im Senckenberg-Institut im hessischen Gelnhausen analysiert. Laut eines Sprechers des Umweltministeriums stehe nicht fest, ob es Wochen oder sogar Monate dauern könnte, bis das DNA-Ergebnis vorliege. Das Institut wurde für seine Methoden in der Vergangenheit bereits kritisiert.
Für Karsten Ehlen besteht indessen kein Zweifel daran, dass ein Wolf seine Herde angegriffen hat und für den Tod des Kalbs verantwortlich ist. In der Vergangenheit habe es immer wieder versuchte Angriffe und auch Risse von Wildtieren in der Umgebung gegeben. "Das war nur eine Frage der Zeit, bis das erste Nutztier stirbt", sagt Ehlen.
Auch Frank Sulzer, Förster und Besitzer der Fortsverwaltung Wiegersen, hält es für sehr wahrscheinlich, dass ein Wolf das Kalb getötet hat. Er geht davon aus, dass inzwischen zwei Wölfe im Kreis Stade sesshaft geworden sind. Sie seien mehrfach beobachtet und auch auf Wildkameras festgehalten worden.
Es seien auch mehrere Fälle bekannt, bei denen ein Wolf Reh- und Damwild gerissen habe. Das sei zum Beispiel anhand der Bissspuren an der Kehle der toten Tiere zu erkennen, so Sulzer.
"Wir beobachten sogar, dass sich das heimische Wild an die Präsenz des Wolfes angepasst hat", berichtet der Förster. So würden die Tiere plötzlich manche Bereiche meiden. Das mache es für Jäger schwieriger, den Wildbestand zu regulieren.
Für die Zukunft prognostiziert Frank Sulzer, dass man nicht drumherum komme, einzelne Wölfe zum Abschuss freizugeben, wenn sich ihr Bestand weiter erhöhen sollte. Diese Entscheidung obliege aber der Politik und den Behörden.
Frank Sulzer glaubt nicht, dass der Wolf eine Bedrohung für das heimische Wild oder gar den Menschen ist. Leider passe das Wildtier aber nicht in unsere heutigen Strukturen hinein und sei vor allem für Landwirte und Hundehalter ein Problem. Er werde zudem von vielen als "störend" empfunden und seine Präsenz löse große Verunsicherung bei vielen Menschen aus. "Das Thema Wolf ist emotional überfrachtet", sagt Sulzer.
Das sieht Wolfsberater Ulrich Geertz, einer von insgesamt 140 Wolfsberatern in Niedersachsen, ähnlich. Ihm ist daran gelegen, sachlich an das Thema heranzugehen und beide Seiten zu verstehen. Grundsätzlich sollte man dem Wolf mit Respekt begegnen, brauche ihn aber nicht zu fürchten. Der Mensch passe nicht ins Beuteschema des Wolfes, dieser sei aber ein Wildtier, dem man vorsichtig gegenübertreten sollte. Letztendlich sei der Wolf aber auch nicht gefährlicher als ein Wildschwein, von denen es deutlich mehr in der Region gebe, so Geertz.
Karsten Ehlen hat derweil schlaflose Nächte, weil er sich Sorgen um seine Nutztiere macht. Seine Existenz mit der Direktvermarktung von regionalem Fleisch zu verdienen, werde ohnehin immer schwieriger, so der Landwirt. Mit dem Wolf als zusätzlichem Unsicherheitsfaktor müsse er womöglich seine Tiere bald einsperren, um sie zu schützen. Von der Politik fühlt Ehlen sich jedenfalls mit seinen Problemen allein gelassen.
Bislang 1.124 Nutztierschäden
Laut dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) gibt es seit dem Wolfsmonitoringjahr 2011/2012 in Niedersachsen wieder permanentes Wolfsvorkommen. Sich ausbreitende und anwachsende Populationen weisen ein exponentielles Wachstum auf. Diese Entwicklung zeichnet sich auch bei den Meldungen von Wolfsvorkommen an das Wolfsmonitoring ab. So sei die Anzahl von rund 130 Meldungen im Jahr 2011/2012 auf mehr als 3.200 Meldungen im Monitoringjahr 2018/2019 angestiegen. Bislang seien 1.124 Nutztierschäden (Stand: 7. Januar 2020) im Rahmen des niedersächsischen Wolfsmanagements und -monitorings dokumentiert.
In Niedersachsen gibt es 23 festgestellte Wolfsrudel, sechs Wolfspaare und einen residenten Einzelwolf und somit insgesamt wohl gut 300 Tiere (Stand: Dezember 2019).
Das Wolfsbüro in Niedersachsen
Seit Juli 2015 gibt es das Wolfsbüro im NLWKN. Dort werden Meldungen über Nutztierschadensfälle bearbeitet sowie alle Maßnahmen des niedersächsischen Wolfsmanagements koordiniert und genetische Untersuchungen zur Bestimmung von Wolfsvorkommen in Auftrag gegeben. Außerdem ist das Wolfsbüro zentrale Anlaufstelle für die Beratung von Bürgern und Nutztierhaltern und wirkt bei der Öffentlichkeitsarbeit mit. Das Wolfsbüro arbeitet dabei im Auftrag des Umweltministeriums u. a. mit verschiedenen Behörden, der Landwirtschaftskammer, der Landesjägerschaft Niedersachsen, den Wolfsberatern und den anerkannten Wolfsauffangstationen zusammen.
Anliegen des Wolfsbüros ist es zudem, Konflikte mit Tierhaltern zu mindern und in der Bevölkerung die Akzeptanz für Wölfe zu fördern. Im Rahmen dessen hat das Niedersächsische Umweltministerium die „Richtlinie Wolf“ erlassen. Diese sieht sogenannte „Billigkeitsleistungen“ zum finanziellen Ausgleich bei Nutztierschadensfällen vor und bietet finanzielle Unterstützung bei Präventionsmaßnahmen in Form einer vorsorglichen Beschaffung von wolfsabweisenden Schutzzäunen und Herdenschutzhunden.
• www.nlwkn.niedersachsen.de (Stichwort Wolfsbüro)
Redakteur:Lena Stehr |
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