Achtung Lebensgefahr: Nächtliche Rituale an einem geheimnisvollen Ort
Rätselhafte Spuren im Wald: Das Mysterium um die Großsteingräber von Grundoldendorf
jd. Grundoldendorf. Die sanft geschwungene Kuppe, die sich unweit des Dörfchens Grundoldendorf erhebt, ist wegen ihres markanten Baumbestandes schon von Weitem erkennbar. Das Wäldchen auf der Anhöhe wirkt wie eine Insel inmitten der von Wiesen und Feldern geprägten Landschaft. Was dem Betrachter aus der Ferne verborgen bleibt: Dieser Hügel mit seinen vier Großsteingräbern aus der Jungsteinzeit ist eine Heimstatt der Toten - seit fünfeinhalb Jahrtausenden. Und in Todesgefahr begeben sich auch heute noch diejenigen, die dieses kleine Waldgebiet betreten. Doch was hat es mit diesem geradezu mystisch anmutenden Ort auf sich? Birgt er ein dunkles Geheimnis? Denn eines steht fest: Hier werden noch immer geheimnisvolle Rituale vollzogen.
Als die kleine Gruppe aus schwarz gewandeten Gestalten am Waldrand angelangt ist, werden Kerzen entzündet. Die Neumondnacht ist rabenschwarz, nur schemenhaft sind die Stämme der alten Baumriesen zu erkennen, an denen die kleine Prozession schweigend vorbeischreitet. Nach wenigen Schritten ist das Ziel erreicht: Uralte Steingräber, umgeben von hohen Buchen, die wie die Säulen einer Kathedrale in den dunklen Himmel emporragen.
Dann beginnt die kultische Handlung: Begleitet von einem monotonen Murmeln der anderen, tritt einer aus der Gruppe hervor und verteilt Kerzen auf den Steinsetzungen des Hünengrabes. Aus Zweigen legt er merkwürdige Symbole. Schrille Schreie hallen durch die Nacht.
Was wie Szenen aus einem Mystery-Thriller wirkt, könnte sich in ähnlicher Weise in dem kleinen Waldgebiet "Im Dohrn" bei Grundoldendorf abgespielt haben. "Immer wenn wir hier vor Ort waren, haben wir Spuren von irgendwelchen Ritualen gefunden", berichtet der Stader Kreisarchäologe Daniel Nösler. Mal entdeckte er Reste von Kerzenwachs auf den Steingräbern, mal fanden sich Stöckchen auf dem Waldboden, die zu bestimmten Zeichen zusammengefügt waren.
Von rituellen Handlungen zeugen auch aus Moos gebildete Nester und in den Steingräbern verstreute Blüten. "Zu den auffälligsten Funden zählen Tarotkarten, die an den Bäumen neben den Gräbern niedergelegt waren", so Nösler. Was für eine Art von Kult damit ausgeübt wird, erschließt sich dem Archäologen allerdings nicht.
Ihn verwundert es aber auch nicht, dass diese Hünenbetten auf viele Menschen eine geradezu magische Anziehungskraft ausüben: "Schließlich handelt es sich hier um die imposantesten Großsteingräber in der ganzen Region." Bereits den auf die Steinzeit folgenden Kulturen hätten diese Gräber als mystische Plätze gedient. Das sei heutzutage nicht anders.
Nösler warnt jedoch Privatleute eindringlich davor, das Wäldchen jetzt noch zu betreten. Es ist seit dreieinhalb Jahren offiziell für alle Besucher gesperrt. "Achtung Lebensgefahr! Betreten streng verboten", verkünden vom Landkreis aufgestellte Schilder. Grund für das Betretungsverbot sind die Buchen. Die zum Teil 250 bis 300 Jahre alten Bäume haben das Ende ihrer Lebenszeit erreicht. Sie können jederzeit umstürzen und dabei einen Menschen mit in den Tod reißen.
Ein Kahlschlag kommt laut Nösler nicht in Frage. Das Wäldchen ist ein wertvolles Biotop, in dem u.a. geschützte Fledermauspopulationen leben. Aber die andere Möglichkeit, nämlich regelmäßig die Bäume zu untersuchen und morsche Exemplare zu entfernen, scheitert am Geld. Ein Baumschutzgutachten habe ergeben, dass mit jährlichen Kosten im mittleren fünfstelligen Bereich zu rechnen sei, so Nösler. So bleibe nur die komplette Sperrung als kostengünstige Lösung, so der Kreisarchäologe. "Die Verbotsschilder mussten wir aufstellen, um im Schadensfall nicht haften zu müssen."
Grabräuber plünderten die Steinkammern
Die vier Grundoldendorfer Hünenbetten weisen eine Länge von 29 bis 51 Metern auf und sind sechs bis acht Meter breit. Errichtet wurden sie um 3.500 vor Christus. Jede Anlage enthält eine aus großen Steinen errichtete Grabkammer.
Obwohl Grabräuber die Steinkammern schon in grauer Vorzeit plünderten, konnten die Archäologen noch Keramikgefäße, Geräte aus Feuerstein und Skelettreste bergen. Nachgewiesen werden konnte eine rund 2.000-jährige Nutzung bis in die Bronzezeit hinein. Aufgrund der gefundenen Knochen ließ sich feststellen, dass u.a. ein Mann im Alter von 55 bis 65 Jahren bestattet wurde.
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