Offener Brief zu den Vorgängen in Apensen: "Frau Raffzahn und die Ignoranten"

Siegfried Stresow Foto: tk

Jetzt meldet sich der Ex-Ratsvorsitzende Siegfried Stresow zu Wort

jd. Apensen. Wiederholt sorgte Apensen in den vergangenen Wochen für Schlagzeilen: Die Vorgänge um die Suche nach einem Nachfolger für den aus gesundheitlichen Gründen ausgeschiedenen Samtgemeinde-Bürgermeister Peter Sommer (parteilos) riefen die Kommunalaufsicht des Landkreises Stade auf den Plan. Es ging um die Beauftragung eines Headhunters. Die Kosten in Höhe von 35.000 Euro sollte nach dem Willen der Politik die Kommune tragen. Das ist laut Kommunalaufsicht aber nicht zulässig (das WOCHENBLATT berichtete mehrfach). Die Behörde in Stade tadelte zudem eine Gehaltszulage für die kommissarische Rathaus-chefin Sabine Benden. In Apensen zeigen sich die Verantwortlichen dennoch weiter uneinsichtig. Diese sture Haltung hat nun ein Urgestein der Apenser Politik veranlasst, sich zu Wort zu melden: Siegfried Stresow (SPD), ehemaliger Beckdorfer Bürgermeister und langjähriger Ratsvorsitzender der Samtgemeinde Apensen, hat einen offenen Brief verfasst. Das WOCHENBLATT druckt das Schreiben an dieser Stelle weitgehend ungekürzt ab:

"Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Man könnte auch sagen, der Strippenzieher der Apenser Puppenkiste hält die Fäden fest in der Hand (Anm. d. Red.: gemeint ist der CDU-Politiker Rolf Suhr) und die Marionetten tanzen nach seiner Pfeife. Das wäre nicht weiter erwähnenswert, wenn es nicht gerade um die Mitglieder im Samtgemeinderat Apensen gehen würde.

Abstruse Angelegenheiten erschüttern derzeit die Geestgemeinde Apensen, und der ganze Landkreis Stade schaut amüsiert zu, und kommentiert die Ereignisse mit Hohn und Spott. Ein unerträglicher Zustand, der unverzüglich beendet werden muss.
Zwei Attribute aus Apensen sind seit Jahrzehnten hinlänglich bekannt: Neben der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung im Landkreis Stade ist die Streitfähigkeit der Samtgemeinde-Politiker ebenfalls immer ein Thema. Aber jetzt scheint alles aus dem Ruder zu laufen, die neuerlichen Hiobsbotschaften aus Apensen erreichen einen bisher unerreichten Höhepunkt. Die Headhunter-Suche nach einem neuen Bürgermeister, die Raffzahn-Affäre der Verwaltungschefin, und nun die Absage an Landrat Michael Roesberg, der die Mitglieder des Verwaltungsausschusses einbestellt hatte.

Wie konnte es zu der Entwicklung kommen? Seit drei Monaten ist der langjährige Bürgermeister Peter Sommer im vorzeitigen Ruhestand, sein Nachfolger soll im Mai 2019 gewählt werden. Man hat den Eindruck, dass Frau Raffzahn (Anm. der Red.: gemeint ist die kommissarische Rathauschefin Sabine Benden) diesen Moment gar nicht abwarten konnte - nach dem Motto: Jetzt bin ich die Herrin in der Samtgemeinde, nun werde ich euch mal zeigen, wie es richtig gemacht wird. Und wer sie dabei in ihrer eingebildeten vermeintlichen Gedankenfreiheit steuert, merkt sie gar nicht.

Und ein Großteil der Samtgemeinde-Politiker merken es auch nicht, die heben nur noch die Hand, wenn es von ihnen erwartet wird. Sie sind politische Dilettanten und nur noch Erfüllungsgehilfen von einem Duo aus Größenwahn und Hochmut. Da lobe ich mir den neuen Beckdorfer Bürgermeister, einer der wenigen, der die Zeichen der Zeit erkannt hat und seinen eigenen Fraktionschef (Anm. d. Red.: Rolf Suhr) zum Rücktritt aufgefordert hat, ebenso Frau Raffzahn, die die gleiche Aufforderung erhielt. Hut ab, Jan Gold, endlich mal einer mit Arsch in der Hose.

Den Gesprächstermin bei Herrn Roesberg abzusagen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Ich bin mir sicher, dass der Landrat den Politikern eine Brücke bauen wollte, um weiteren Schaden in der Kommune und der Verwaltungsspitze zu vermeiden, jetzt aber läuft die Samtgemeinde Gefahr, unter Zwangsverwaltung gestellt zu werden. Herr Roesberg hat nicht zum Kaffeekränzchen geladen, sondern die Mitglieder des Verwaltungsausschuss einbestellt, um auf die prekäre Lage der Samtgemeinde einzugehen. Dieses zu ignorieren ist nicht nur höchst unverantwortlich, es ist auch grob fahrlässig.

Ich weiß, die Kommunalverfassung gibt es nicht her, aber im Mai wäre es angebracht, nicht nur eine neue Rathauschefin oder einen Rathauschef zu wählen: Einen neuen Samtgemeinderat und Verwaltungsausschuss könnten wir auch gebrauchen. Um diesem politischen Spuk von der Samtgemeinde abzuwenden, kann ich die Ignoranten, die beim Landrat nicht angetreten sind, nur auffordern, unverzüglich ihren Rücktritt einzureichen und ihr Mandat zurückzugeben. Und nehmt Frau Raffzahn bitte gleich mit."

"Keine billige Retourkutsche"

Der SPD-Politiker Siegfried Stresow gehörte 22 Jahre dem Samtgemeinderat Apensen an, davon 12 Jahre als Ratsvorsitzender. Der langjährige Beckdorfer Bügermeister legte im vergangenen Jahr sämtliche politische Ämter in der Samtgemeinde nieder. Grund waren Streitigkeiten um einen Kindergarten-Neubau in Beckdorf. Stresow geriet in Konflikt mit der CDU und den Grünen. Seine jetzige Reaktion sei "keine billige Retourkutsche" und auch keine Abrechnung mit seinen politischen Gegnern, versichert Stresow, der als Gegenspieler des CDU-Granden und Sauensieker Bürgermeisters Rolf Suhr galt. "Mein Schreiben ist vielmehr der Versuch, dieses unerträgliche Schauspiel zu beenden und Apensen aus den negativen Schlagzeilen herauszuholen", erklärt Stresow. 

Redakteur:

Jörg Dammann aus Stade

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