Nach Brand in der Unterkunft
Gewerkschaft kritisiert Polizeiausrüstung
"Die Geschehnisse in Buchholz haben uns als Kollegen sehr getroffen und wirken sicherlich eine lange Zeit nach", sagen Patrick Seegers von der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und Christian-Tobias Gerlach, der bei der DPolG im Direktionsverband Lüneburg aktiv ist. Gemeint ist der Brand in der Flüchtlingsunterkunft an der Bremer Straße in Buchholz Anfang vergangener Woche, bei dem der Brandverursacher ums Leben kam und ein Polizist schwerverletzt wurde. Der 44-jährige Beamte erlitt schwere Verbrennungen, nachdem er gemeinsam mit einer Kollegin wegen Streitigkeiten in die Unterkunft gerufen worden war und sich in unmittelbarer Nähe zum Täter befunden hatte, als dieser die Explosion herbeiführte (das WOCHENBLATT berichtete). Im Zuge dessen wurde Kritik an der Schutzkleidung der Polizei laut, denn durch den hohen Kunststoffanteil der Dienstkleidung sei die Schutzwirkung im Brandfall äußerst gering, so Christian-Tobias Gerlach.
Material leicht entflammbar
"Die Uniform des Streifendienstes bietet keinerlei Schutz vor Feuer", sagt Patrick Seegers auf WOCHENBLATT-Anfrage. "Im Gegenteil, aufgrund des hohen Anteils an Polyester ist sie leicht entflammbar und kann sich zusätzlich beim Entzünden einbrennen." Das sei gerade in Betracht der Situation in Buchholz deutlich geworden. Dabei gibt es flammenhemmende Schutzkleidung, beispielsweise bei den Hundertschaften der Bereitschaftspolizei, deren Kleidung aus der robusten Aramid-Faser besteht. Ob das im Fall des 44-jährigen Polizisten nachhaltig geholfen hätte, könne Seegers allerdings nicht abschließend bewerten. "Wir kennen Fälle aus dem Kontext Fußball, wo sich enorm heiße Pyrotechnik auch durch dieses Material arbeiten konnte."
Dass die schwer entflammbare Schutzkleidung keinen allumfassenden Schutz bietet, bekräftigt auch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport. "Schwer entflammbare Bekleidung ist brennbar; der Schmelzpunkt bzw. Brennpunkt wurde hier nur heraufgesetzt. Es handelt sich nur um eine Unterstützung, um sich schnell bei einer entsprechenden Lage vom Ereignisort entfernen zu können", erklärt Pressesprecher Oliver Rickwärtz. Zudem biete schwer entflammbare Kleidung auch keinen Schutz vor dem Kontakt mit brennbaren Flüssigkeiten.
Gewerkschaft fordert Überprüfung
Wie Patrick Seegers verdeutlicht, äußere die DPolG keine pauschale Kritik an der Ausrüstung. Lediglich fordere sie, zu prüfen, ob es Möglichkeiten der Optimierung bei der Einsatzbekleidung gebe und ob der Bedarf bestehe, schwer entflammbare Kleidung auch im Alltag von Streifenpolizisten einzuführen. "Im Rettungsdienst beispielsweise gibt es nach unserem Kenntnisstand bereits andere DIN-Standards mit Bezug auf die Dienstkleidung."
Gleichzeitig sei auch klar, dass man sich nicht gegen alle Eventualitäten schützen könne. Dennoch, so Seegers, gebe es Prüfungsbedarf. "Wenn, wie in diesem Fall in Buchholz, die Kleidung zu einer Verschlimmerung der Verletzungen beiträgt, dann gilt es, das sachlich und umfassend zu analysieren, um Schlüsse und Lehren hieraus ziehen zu können."
Flammenhemmende Kleidung nur für Spezialeinheiten
Wieso Streifenpolizisten lediglich mit "normaler" Schutzkleidung ausgestattet sind und die schwer entflammbare Kleidung ausschließlich Spezialeinheiten sowie der Bereitschaftspolizei vorbehalten sind, weiß Oliver Rickwärtz. "Ein Bedrohungsszenario, das die Ausstattung des polizeilichen Alltags mit dieser Kleidung rechtfertigt, ist nicht gegeben. Diese Art von Bekleidung hat keinen Feuchtigkeitstransport und kann weder bei winterlichen noch bei sommerlichen Temperaturen den gewünschten wärmenden oder atmungsaktiven Effekt erzeugen."
Die Polizei Niedersachsen bezieht ihre Dienstkleidung über das Logistik Zentrum Niedersachsen (LZN). Es werde der Bedarf vor jeder Beschaffung mit den Nutzenden abgestimmt, erklärt Rickwärtz weiter. "Dies geschieht neben dem persönlichen Austausch innerhalb des bestehenden Gremienverbundes auch insbesondere über Erprobungen und Trageversuche. Eine aktuelle Lagebeurteilung fließt stets in die entsprechende Analyse mit ein."
Polizist braucht Unterstützung
Dass der Beruf des Polizisten bzw. der Polizistin in den vergangenen Jahren nicht leichter geworden ist, erklärt Patrick Seegers. "Die Kollegen begeben sich mit Überzeugung und Einsatzbereitschaft Tag für Tag für andere Menschen in Gefahr. Und genau das ist dem Kollegen vor Ort zum Verhängnis geworden. Er hat Familie, wird lange an den Folgen leiden und bedarf der Unterstützung."
Die Polizeiinspektion Harburg, unterstützt von ihrem Leiter Thomas Meyn, ruft gemeinsam mit dem Sozialfonds der Polizei zum Spenden auf. Die "Go-Fund-Me"-Aktion für den verletzten Beamten hat bereits mehr als 41.000 Euro eingebracht (Stand 19. Juli). 50.000 Euro ist die gesetzte Zielsumme, die u.a.für die medizinischen Behandlungen, Rehabilitation und die Anpassungen seines Zuhauses an seine neuen Bedürfnisse verwendet werden soll.
Zur Spendenkampagne kommen Sie über den folgenden Link:
https://www.gofundme.com/f/schwere-brandverletzung-von-christian
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