Landkreis Harburg
"Hammer-Angreifer" von St. Pauli derzeit wieder in Psychiatrie

Ein Mann bedrohte Passanten und Polizisten u.a. mit einem Schieferhammer (Symbolbild) | Foto: Repro: MSR
  • Ein Mann bedrohte Passanten und Polizisten u.a. mit einem Schieferhammer (Symbolbild)
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Ein 39-Jähriger aus Dangersen, einem Ortsteil von Buchholz, bedrohte am vergangenen Wochenende nahe der Reeperbahn in Hamburg-St.-Pauli mehrere Passanten und Einsatzkräfte der Polizei mit einem Schieferhammer und einem Molotow-Cocktail (das WOCHENBLATT berichtete). Weil er auf die Aufforderung der Beamten, den spitzen Gegenstand und die Flasche fallen zu lassen, nicht nachkam, schoss die Polizei den offenbar psychisch gestörten Mann an. Er wurde vorerst in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Nicht das erste Mal, wie die Mutter des 39-Jährigen der "Bild"-Zeitung berichtet hat. Das Amtsgericht Tostedt bestätigt, dass der Mann unter Betreuung steht, die im Juli 2023 bis Juli 2026 verlängert wurde.

Nach Aussagen der Mutter (69) des "Hammer-Angreifers" gegenüber der "Bild" leide der Mann aus Dangersen seit etwa 20 Jahren an Suchtproblemen und "psychischen Ausnahmezuständen". Die Familie habe geahnt, dass der 39-Jährige gefährlich sein könnte. Er sei in den vergangenen Jahren immer mal wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten, u.a. wegen Körperverletzung. Doch trotz mehrerer Anordnungen zur Unterbringung in der Psychiatrie sei er jeweils nach sechs Wochen wieder entlassen worden. Die Mutter erhebt in dem Interview auch Vorwürfe gegen Richter und die Behörde, die aus ihrer Sicht falsch gehandelt hätten.

Weshalb eine dauerhafte Einweisung schwierig ist

Ganz klar: Niemand sollte ohne Grund langfristig in einer Psychiatrie untergebracht werden. Weshalb eine dauerhafte Einweisung allerdings auch bei einem offensichtlich für andere gefährlichen Menschen so schwierig ist, erläutert Amtsgerichtsdirektorin Dr. Astrid Hillebrenner.

Für den „Hammer-Angreifer" von St. Pauli ist am Amtsgericht Tostedt ein Betreuungsverfahren anhängig, im Rahmen dessen für den 39-Jährigen eine Berufsbetreuerin bestellt wurde. Diese regelt die in den ihr zugewiesenen Bereichen die Angelegenheiten des Betroffenen, informiert Tostedts Amtsgerichtsdirektorin Dr. Astrid Hillebrenner. 

"Bestätigen kann ich auch, dass der Betroffene bereits mehrfach im Psychiatrischen Krankenhaus Lüneburg (PKL) untergebracht war, weil er an einer psychischen Krankheit leidet." Wenn - wie im vorliegenden Fall - der Betreuerin der Aufgabenkreis „Entscheidung über eine freiheitsentziehende Unterbringung“ zugewiesen ist, kann diese bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 BGB den Betroffenen unterbringen: „Eine Unterbringung des Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, ist nur zulässig, solange sie erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt“ (d.h. bei Eigengefährdung).

Ärztliches Gutachten vor Gerichtsentscheidung

Gemäß § 1831 Abs. 2 BGB ist dies aber nur mit Genehmigung des Betreuungsgerichts zulässig. Zuvor ist immer ein ärztliches Gutachten bzw. eine ärztliche Stellungnahme einzuholen, an der sich das Gericht bei seiner Entscheidung hinsichtlich des „Ob“ der Unterbringung sowie hinsichtlich der Dauer orientiert. Das Gericht hat den Betroffenen vor jeder Entscheidung persönlich anzuhören. Der Betreuer hat die Unterbringung gemäß § 1831 Abs. 3 BGB zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind; dies hat er dem Betreuungsgericht unverzüglich anzuzeigen.

Davon zu unterscheiden ist die Unterbringung nach § 16 NPsychKG: „Die Unterbringung einer Person ist nach diesem Gesetz nur zulässig, wenn von ihr infolge ihrer Krankheit oder Behinderung im Sinne des § 1 Nr. 1 eine gegenwärtige erhebliche Gefahr (§ 2 Nrn. 2 und 3 NPOG) für sich oder andere ausgeht und diese Gefahr auf andere Weise nicht abgewendet werden kann.“ (d.h. bei Eigen- und / oder Fremdgefährdung).

Das Betreuungsgericht habe seine Entscheidung immer auf die Tatsachengrundlage zum Zeitpunkt der Entscheidung zu stützen. Dies gelte sowohl hinsichtlich der Anordnung der Unterbringung als auch bezüglich der Beendigung der Unterbringung. Der Unterbringungsbeschluss könne zum Beispiel aufzuheben sein, wenn ein Betroffener in der Psychiatrie medikamentös eingestellt worden ist, er seine Medikamente zuverlässig einnimmt und die Ärzte daher zu der Einschätzung kommen, dass die Voraussetzungen der Unterbringung nicht mehr gegeben sind.

Schuldfähigkeit oder Schuldunfähigkeit klären 

"Zu den Umständen, die zu den Unterbringungen des Betroffenen geführt haben, sowie den Zeitpunkten und der jeweiligen Dauer der Unterbringungen vermag ich aus Datenschutzgründen nichts mitzuteilen", sagt die Richterin. "Die Ermittlungsbehörden – Staatsanwaltschaft und Polizei – haben jedoch die Möglichkeit, die Betreuungsakte anzufordern, auszuwerten und die gewonnenen Ergebnisse in ihre Ermittlungen einzubeziehen. Auch ist anzunehmen, dass der Betroffene im Rahmen des in Hamburg geführten Ermittlungs- bzw. Strafverfahrens zu der Frage begutachtet werden wird, ob er zum Tatzeitpunkt vermindert schuldfähig oder sogar schuldunfähig war." 

Zur "einstweiligen Unterbringung" heißt es in der Strafprozessordnung: „Sind dringende Gründe für die Annahme vorhanden, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit oder verminderten Schuldfähigkeit begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird, so kann das Gericht durch Unterbringungsbefehl die einstweilige Unterbringung in einer dieser Anstalten anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.“ Eine verminderte Schulfähigkeit kann u.a. wegen einer krankhaften seelischen Störung oder der verminderten Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen, angenommen werden.

Bis zum Abschluss des Strafverfahrens gilt Unschuldsvermutung

Dr. Astrid Hillebrenner: "Im Rahmen des vorgenannten Ermittlungsverfahrens wird die Staatsanwaltschaft Hamburg prüfen, ob der Betroffene einer Straftat hinreichend verdächtig ist und ggf. Anklage beim zuständigen Gericht erheben. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gilt für den Betroffenen die Unschuldsvermutung."

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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