Gedanken einer Mutter zu Corona und den Folgen
Die vergessenen Kinder
Mit der Abschaffung der Maskenpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen enden am Freitag, 7. April, alle Auflagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Für Petra V. (Name von der Redaktion geändert) ist das Thema Corona noch lange nicht erledigt. "Wie kann man eine Pandemie de facto für beendet erklären, wenn das, was sie bei uns verursacht hat, gar nicht beendet und auch ein Ende nicht in Sicht ist", fragt die Mutter aus dem Landkreis Harburg. Ihr Sohn leidet bis heute heftig unter den Nachwirkungen der Erkrankung - nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Petra V. hat ihre Gedanken aufgeschrieben:
"Vor fast zwei Jahren hatte unser Sohn, damals zwölf Jahre alt, einen Infekt. Seit langer Zeit das erste Mal, dass wir wieder in ein Restaurant gehen konnten unter einigermaßen normalen Bedingungen. Noch während wir dort saßen, wurde ihm schlecht und er hatte heftige Bauchschmerzen. Diese blieben, wurden so heftig, dass er teilweise morgens nicht zur Schule gehen konnte, die gerade erst wieder mit Präsenzunterricht gestartet war. Wir hangelten uns durch bis zu den Sommerferien, in denen es nicht gut, aber besser wurde.
Als im August die Schule wieder begann, wurde zum ersten Mal deutlich, was Corona verursacht hatte. Die Bedingungen waren katastrophal, die Kinder teilweise mittlerweile in der Pubertät und nicht mehr ansprechbar. Unser Sohn wurde immer stiller, weinte häufig, wenn er aus der Schule kam. Wir waren völlig hilflos. Ein anberaumter Elternabend zeigte ein desaströses Bild des Klassenverbandes. Die Klassenlehrer räumten ein, dass sie keinen Plan hätten, wie sie das ändern könnten.
Unser Sohn blieb immer häufiger wegen massiver Bauchschmerzen zu Hause, teilweise saß er würgend neben mir im Auto, wenn ich ihn zur Schule fuhr. Eine überlastete Kinderärztin erklärte uns, dass sie uns nicht helfen könne. Ein Psychologe wurde eingeschaltet und alle möglichen Erkrankungen wurden ausgeschlossen. Lange Wartezeiten wechselten sich mit ergebnislosen Arztterminen ab. Wir waren erleichtert, dass sich keine schlimme Erkrankung zeigte, aber auch immer verzweifelter, weil wir unserem Sohn nicht helfen konnten.
Eine Belastungsprobe für die ganze Familie. Die Geschwister, die sich zurückgesetzt fühlten und nur schwer akzeptieren konnten, dass ihr Bruder zu Hause blieb. Wir als Eltern mit völlig verschiedener Herangehensweise, der eine verständnisvoll und entlastend, der andere fordernd und verständnislos. Was das mit unserem Sohn gemacht hat? Er wurde immer stiller, hat sich immer mehr zurückgezogen und wurde ein Schatten seiner selbst. Aus dem freundlichen und aufgeschlossen Kind wurde ein stiller und zurückgezogener Teenager.
Im April wird er für drei Wochen in eine Schmerzklinik gehen. Für die Zeit danach bräuchten wir eigentlich einen Psychotherapeuten, aber leider gibt es aktuell niemanden, der ihn aufnehmen könnte. Von einer Praxis vor Ort wurde uns eine Unterbringung in einem Kinderheim vorgeschlagen, die ein Konzept für sozial benachteiligte Kinder geschaffen haben, um sie wieder in die Schule zu bringen. Aber ist das wirklich der richtige Weg? Wir wissen es nicht und es zeigt sich immer deutlicher, dass es niemand weiß. Dass sich niemand dafür zuständig fühlt, uns zu helfen. Die Ärzte haben uns deutlich gemacht, dass wir mit unserem Verhalten den Rückzug unserer Sohnes noch unterstützt haben. Woher sollten wir das wissen?
Laut Flyer der Klinik ist jedes fünfte Kind von Schmerz betroffen. Seit Corona sind die Zahlen noch einmal deutlich angestiegen. Wenn diese Zahlen stimmen, dann können wir damit nicht allein sein. Dann gibt es vielleicht noch mehr Eltern und Kinder, die sich hilflos, ratlos, verzweifelt und ausgegrenzt fühlen. Die würden wir gerne finden, damit wir es vielleicht gemeinsam schaffen, dass wir gehört werden und die Unterstützung bekommen, die es wirklich braucht. Das Land stellt Unsummen zur Verfügung, um den Lernrückstand aufzuholen. Wo sind die Gelder, die es bräuchte, vernünftige Hilfskonzepte aufzusetzen, damit Schule wieder als sicherer Ort empfunden werden kann?
Melden sie sich unter schmerzkinder@gmail.com, vielleicht können wir zusammen etwas ändern und uns gegenseitig unterstützen." (os/nw).
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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