"Ersthelfer für die Seele"

Katharina Stiege engagiert sich seit
sieben Jahren im Kriseninterventionsteam der Johanniter | Foto: Johanniter
  • Katharina Stiege engagiert sich seit
    sieben Jahren im Kriseninterventionsteam der Johanniter
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Katharina Stiege absolvierte ihren 100. Einsatz in der Krisenintervention

(nw/tw). Immer wenn Katharina Stieges Notfallhandy klingelt, weiß sie, dass etwas Schreckliches passiert ist. Dann ist ein Mensch völlig unerwartet gestorben - bei einem Unfall, durch Suizid oder durch plötzlichen Kindstod. Seine Angehörigen brauchen Hilfe. Katharina Stiege gehört dem Kriseninterventionsteam der Johanniter an, das 2011 im Landkreis Harburg gegründet wurde. Alle 21 Teammitglieder arbeiten ehrenamtlich, haben einen Beruf, dem sie nachgehen und können trotzdem eine 24-Stunden-Bereitschaft an 365 Tagen im Jahr sicherstellen.
Seit Gründung des Teams ist Katharina Stiege dabei und hat gerade ihren 100. Einsatz absolviert. Doch Routine gibt es nie. Damit sie helfen kann, hat die Kakenstorferin eine umfassende Ausbildung bei den Johannitern absolviert und ist auf verschiedenste Situationen vorbereitet. "Ich habe gelernt - egal, was ich bei einem Einsatz vorfinde - es ist nicht mein Angehöriger, der gestorben ist und ich kann nicht helfen, wenn ich mich emotional zu sehr in die Situation reinhänge."
Was passiert ist, erfährt die 56-Jährige über die Einsatzmeldung, die aber keine Details enthält. Vor Ort bekommen sie und ihr Teampartner meist eine Einweisung von Polizei oder Rettungskräften, manchmal müssen sie ohne weitere Informationen direkt mit den Angehörigen Kontakt aufnehmen. Es sei gut, dass sie zu zweit da sind. Während einer den Bestatter anrufe oder noch etwas mit der Polizei regele, könne der andere sich komplett um den zu Betreuenden kümmern. "Ich richte mich dann nach den Menschen, die meine Hilfe brauchen. Manche möchten reden, stellen viele Fragen, andere möchten nichts sagen und schweigen. Die Bereitschaft zuzuhören oder zu schweigen ist sehr wichtig", sagt die Einrichtungsleiterin einer Pflegeeinrichtung.
Stiege helfe den Angehörigen in dieser Ausnahmesituation, sich zu "sortieren", sie sei eine Art "Ersthelfer für die Seele". Ein solcher Einsatz dauere oft zwei Stunden, manchmal auch länger. Erst wenn sich die Menschen konkrete Gedanken darüber machen, was sie in dieser Situation als nächstes tun können, weiß Stiege, dass ihr Einsatz bald beendet ist. "Überlegen die Angehörigen beispielsweise, wen sie jetzt anrufen könnten, weil er ihnen jetzt gut tut, dann sind sie in der Jetzt-Situation angekommen und können handeln." Wenn Stiege die Menschen, die sie betreut hat, verlässt, hinterlässt sie immer Informationsmaterial wie zum Beispiel Kontaktmöglichkeiten zu Trauercafés - um den Angehörigen auch für später einen Ansprechpartner an die Hand zu geben.
Damit Stiege als Helferin das Erlebte nicht mit nach Hause nimmt, gibt es vor Ort nach jedem Einsatz eine Nachbesprechung, durch die der Einsatz offiziell beendet wird. Beim nächsten Gruppenabend wird der Fall zudem noch einmal besprochen, damit der Helfer das Geschehene noch einmal reflektieren kann und für die Gruppe als ein Beispiel, aus dem sie etwas lernen kann.
Natürlich gibt es Einsätze, an die sich die Johanniterin immer erinnern wird: Den 17-Jährigen, der sich das Leben nahm, wird Stiege, die selbst Mutter von vier erwachsenen Söhnen ist, nicht vergessen. Ebenso wie den Familienvater, der in der Elbe ertrank, dessen Leiche aber nicht gefunden werden konnte. Oder den Bauarbeiter, der beim Bau einer Industriehalle in die Tiefe stürzte, weil an einer Stelle keine Sicherungsnetze gespannt waren. Bei allem Leid, das die Betriebswirtin hautnah erlebt hat, weiß sie, wie wichtig ihre Arbeit ist: "Es ist gut zu wissen, dass ich helfen kann, damit Menschen besser damit fertig werden, dass auf einmal jemand tot ist, der nicht tot sein sollte."

Ausbildung in der Krisenintervention
Die Johanniter suchen Menschen, die ehrenamtlich in der Krisenintervention mitwirken möchten. Die Grundausbildung hierfür findet an Wochenenden statt und startet am 6./7. Oktober im Ortsverband Buchholz. Interessierte können Kontakt aufnehmen unter: harburg@johanniter.de. Weitere Informationen unter: www.johanniter.de/harburg.

Redakteur:

Tamara Westphal aus Buchholz

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