Pflegeheimplätze zum Teil deutlich teurer
Es droht der Gang zum Sozialamt
![Liebevolle Pflege ihrer Angehörigen ist vielen Menschen wichtig. Die Erhöhung der Kosten übersteigt vielfach die finanziellen Möglichkeiten | Foto: DAK](https://media04.kreiszeitung-wochenblatt.de/article/2022/07/01/4/507804_L.jpg?1656658991)
- Liebevolle Pflege ihrer Angehörigen ist vielen Menschen wichtig. Die Erhöhung der Kosten übersteigt vielfach die finanziellen Möglichkeiten
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Die Sozialämter auch in den Landkreisen Harburg und Stade bereiten sich darauf vor, in Kürze deutlich mehr Anträge von Pflegebedürftigen bzw. von deren Angehörigen zur Übernahme ungedeckter Pflegeheimkosten bearbeiten zu müssen.
Hintergrund: Viele Einrichtungen haben zum 1. Juli den zu zahlenden Eigenanteil der Bewohnerinnen und Bewohner drastisch erhöht. In einem Pflegeheim in Jesteburg (Landkreis Harburg) beträgt das Entgelt pro Pflegetag für einen Bewohner mit Pflegegrad 1 („geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“) künftig z.B. 53,93 Euro pro Tag - 55 Prozent mehr als bislang.
Der Eigenanteil setzt sich aus den drei Kostenblöcken Investitionskosten, Unterkunft und Verpflegung sowie dem sogenannten einrichtungseinheitlichen Eigenanteil (Aufwendungen für Pflege und Betreuung) zusammen. Wer sich den Eigenanteil nicht (mehr) leisten kann, dem bleibt nur der Gang zum Sozialamt. Auf Grundlage des zwölften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB XII, Sozialhilfe) können Pflegebedürftige dort ungedeckte Heimkosten geltend machen bzw. deren Übernahme durch den Landkreis beantragen. Bei einer Nichtzahlung der Heimkosten droht den Bewohnern im schlimmsten Fall der Rausschmiss durch den Betreiber des Pflegeheims. "Das ist unseres Wissens im Landkreis Harburg aber bislang nicht vorgekommen", betont Landkreissprecher Bernhard Frosdorfer. Betreiber, Bewohner und Sozialämter hätten bisher immer eine Lösung gefunden.
Die Pflegeheimbetreiber begründen die Preiserhöhung u.a. mit deutlich gestiegenen Personalkosten wegen des ab 1. September geltenden "Tariftreuegesetzes", stark gestiegener Preise für Lebensmittel und erheblicher Preissteigerungen bei der Energie. In einem Schreiben an Angehörige, das dem WOCHENBLATT vorliegt, legt ein Pflegeheim aus Jesteburg seine Kalkulation offen: Demnach erhöhen sich die Gesamtkosten für Personal, Lebensmittel, Energie, Steuern, Wirtschafts- und Verwaltungsbedarf um 12,7 Prozent auf etwa 3,94 Millionen Euro pro Jahr. Die Preiserhöhung sei notwendig, um "bei erheblich gestiegenen Kosten und zu Zeiten des Fachkräftemangels Ihnen den gewohnt hohen Standard in der Pflege, Unterbringung und Verpflegung bieten zu können". Den Angehörigen einer Bewohnerin, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, stellt das nicht zufrieden. "Ich könnte mit den höheren Kosten leben, wenn der Personalschlüssel deutlich erhöht würde. Daran habe ich aber meine Zweifel", sagt er. Er habe den Eindruck, dass viele Einrichtungen jetzt "Gewinne abgreifen, ohne das Pflegeangebot auszubauen". Er befürchtet, dass sich immer weniger Menschen noch einen Platz im Pflegeheim werden leisten können. Er und seine Frau, beide Jahrgang 1964, könnten das später mit Sicherheit nicht.
Der GKV-Spitzenverband, die Interessenvertretung der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen, nimmt den Bund und die Bundesländer in die Pflicht. Der Bund müsse Bewohner stärker entlasten. Der zusätzliche Vergütungszuschlag, auf den die Bewohner seit Anfang dieses Jahres einen Anspruch haben und der je nach der Aufenthaltsdauer in der stationären Einrichtung bis zu 70 Prozent betrage, reiche auf Dauer nicht aus, erklärt GKV-Pressereferent Jens Ofiera. Den aktuellen Eigenanteil von derzeit durchschnittlich 2.179 Euro könne sich ein Durchschnittsverdiener nicht leisten, weil das Alters-einkommen in den allermeisten Fällen gar nicht so hoch sei.
Ofiera kritisierte zudem die Bundesländer, die ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Übernahme der Investitionskosten in den Einrichtungen nicht nachkämen. Diese würden an die Bewohner weitergereicht - immerhin im bundesweiten Durchschnitt 466 Euro pro Monat.
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Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz |
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