"Kein Ermessensspielraum"

Jobcenter-Sprecher Nils Friedrich im Empfangsbereich in Buchholz | Foto: bim
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Jobcenter-Sprecher bittet um Verständnis für seine Kollegen / Messerattacke hat Spuren hinterlassen

bim. Buchholz. Der 52-jährige Arbeitsuchende, der im vergangenen September im rheinischen Neuss eine Jobcenter-Sachbearbeiterin mit dem Messer attackierte und tötete, steht seit Mittwoch vor Gericht. Der Fall hat die Jobcenter-Mitarbeiter bundesweit schockiert - auch in Buchholz und Winsen. Bei der Gewährung von Leistungen geraten die Sachbearbeiter häufiger in die Kritik. Nils Friedrich, Pressesprecher der Jobcenter im Landkreis Harburg, erklärt: "Das Problem für die Kollegen im Leistungsbereich ist, dass sie zumeist keinen Ermessensspielraum haben. Wenn wir nicht helfen können, wird das bisweilen als Willkür oder böse Absicht gewertet." Er erläutert, wie die Leistungen des Jobcenters gewährt werden:
Unterschieden wird zwischen der Grundsicherung (Sozialhilfe) für Ältere und nicht Erwerbsfähige und dem Arbeitslosengeld (ALG) II, umgangssprachlich als Hartz IV bezeichnet, der Grundsicherung für arbeitsfähige und arbeitsuchende Personen.
ALG II ist gedacht als Übergang zwischen dem nach zwölf Monaten auslaufenden ALG I und der Wiederaufnahme einer Arbeit. Dabei spielt es keine Rolle, ob jemand zuvor ein Jahr oder 30 Jahre lang berufstätig war. "Das wird oftmals als Ungerechtigkeit empfunden. Aber der Gesetzgeber geht davon aus, dass langjährige Arbeitnehmer schnell wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden können", so Friedrich.
Der ALG II-Regelsatz beträgt für Alleinstehende 384 Euro. Hinzu kommen Miete und Kosten für Heizung.
ALG II-Antragsteller müssen dem Jobcenter eine Menge Daten und Unterlagen liefern, u.a. einen Mietnachweis und Kontoauszüge. Eine Checkliste vorzubereiten, sei angesichts der verschiedenartigen Fälle schwierig, so Friedrich. Er rät Betroffenen, frühzeitig beim Jobcenter vorstellig zu werden und nicht erst, wenn der Kühlschrank leer ist und sich die Mahnungen im Briefkasten häufen.
Nils Friedrich wirbt um Verständnis für seine Kollegen. Aufgabe der Mitarbeiter sei es, bedarfsgerecht Leistungen zu gewähren. "In vielen Fällen können wir nicht mehr tun, weil wir keine gesetzlichen Handlungsgrundlagen haben", so Friedrich. Es komme zwar vor, dass Post nicht ankommt oder angesichts des Arbeitsaufkommens liegenbleibt. Absichtlich würden Anträge aber nicht verschleppt.
In den Jobcentern in Buchholz und Winsen arbeiten 150 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit, darunter 60 im Leistungsbereich und 50 in der Arbeitsvermittlung. Sie betreuen derzeit 11.400 Kunden, davon 8.000 Erwerbsfähige, die einer Arbeit nachgehen könnten oder es tun. Nicht einmal 200 Kunden mussten im Januar Leistungskürzungen hinnehmen. Friedrich: "Bei den allermeisten Kunden haben versäumte Termine zu dieser Kürzung geführt und nicht die Weigerung und schon gar nicht die wiederholte Weigerung, sich um eine Beschäftigung zu bemühen."
Die Unzufriedenheit der Jobcenter-Kunden stuft er angesichts von 160 Beschwerden im vergangenen Jahr als vergleichsweise gering ein, wobei der Grundsatz gilt: Jede Beschwerde helfe, besser zu werden.
Was die Sicherheit der Mitarbeiter angeht, wurden diese geschult, gefährliche Gesprächsverläufe zu erkennen und gegenzusteuern. Außerdem wurden die Präsenzzeiten des Wachdienstes auf die Öffnungszeiten ausgedehnt.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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