Präventions-Symposium in Buchholz
"Mehr Zivilcourage ist dringend nötig!"
In einer Einkaufsmeile prügelt ein Mann auf eine wehrlose ältere Frau ein. Von den umstehenden Menschen greift niemand ein. Rettungskräfte, die sich um eine nach einem Sturz verletzte Frau kümmern, werden plötzlich von dieser attackiert. Passanten gehen achtlos daran vorbei. "Wir erleben jeden Tag Anfeindungen, bei denen es offensichtlich keine Grenzen mehr gibt. Dem muss dringend Einhalt geboten werden", mahnt Gewaltpräventions-Experte Jens Mollenhauer. Mehr "Bürgermut statt Bürgerwut" fordert er deshalb im gleichnamigen Symposium zum Thema Zivilcourage, das jetzt für alle Interessierten in Buchholz stattfindet.
Jens Mollenhauer arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Polizeihauptkommissar in Hamburg-Mitte und war bei der Behörde Leiter des Jugendschutzes. Darüber hinaus bietet er seit über 30 Jahren erfolgreich Anti-Gewalttraining und Selbstverteidigungskurse in Kindergärten, Schulen und für Erwachsene an. Der in Amelinghausen (Landkreis Lüneburg) lebende Familienvater sitzt zudem im Sprecherrat des Bundesnetzwerks Zivilcourage, das Veranstalter des Buchholzer Symposiums ist.
Den Hintergrund Andersdenkender besser verstehen
Am jährlichen bundesweiten "Tag der Zivilcourage" warb Mollenhauer jetzt in einer Einkaufspassage in Buchholz für die Veranstaltung. Unterstützt wurde er von den erfahrenen Theatermachern Kai Helm aus Jork und Ali Wichmann aus Hamburg, die der Initiative "Pro Palaver - Debatte statt Attacke" angehören. Sie schlüpften in polizeiähnliche Uniformen der "Gesinnungshüter" Schlegel und Opitz und fühlten den Passanten mit beim ersten Hören heiteren, aber durchaus hintersinnigen Fragen und kleinen Experimenten auf den Zahn. "Wir geben den Leuten die Gelegenheit, die eigene Position in Gesellschaftsfragen klarer zu erkennen und den Hintergrund Andersdenkender besser zu verstehen", erklärt Kai Helm gegenüber dem WOCHENBLATT. Hier wie beim Symposium, wo Helm und Wichmann ebenfalls mitwirken, wollen sie mittels Spielszenen den "Fluchtreflex 'Wegsehen, Weghören, Weggehen'" der Teilnehmer möglichst "in aktives Verhalten verwandeln". "Das Symposium soll aufrütteln, im Alltag noch energischer Position zu beziehen und sich einzumischen, wo es gefordert ist, und mit dieser Zivilcourage die Demokratie zu stärken", betont Jens Mollenhauer.
Fehlende Zivilcourage bei Überfall selbst erlebt
Gefragt nach der Motivation für sein unermüdliches Engagement, blickt Mollenhauer zurück: "Ich selbst wurde 1983 als junger Polizist in meiner Freizeit auf dem Hamburger Dom von einer Jugendbande, den 'Streetboys', zusammengeschlagen, und man trat auf mich ein, als ich schon auf dem Boden lag. Zwei junge Kollegen von der Polizei, die mit mir die Ausbildung begonnen hatten und mit mir in ihrer Freizeit unterwegs waren, liefen weg. Diese Erfahrung hat dazu geführt, dass ich mich seitdem umfangreich mit Zivilcourage beschäftige."
- Das Zivilcourage-Symposium "Bürgermut statt Bürgerwut" mit Fachvorträgen, Diskussionen und Workshops findet am Freitag und Samstag, 27. und 28. Oktober, jeweils von 10 bis 17 Uhr in der Buchholzer St.-Paulus-Kirche und im Gemeindehaus (Kirchenstraße 4) statt. Die Festlegung der Teilnahmegebühr erfolgt nach eigenem Ermessen und Möglichkeiten. Eine kostenlose Veranstaltung zum Thema Zivilcourage gibt es am 27. Oktober um 20 Uhr in der St.-Paulus-Kirche. Dort spricht Lydia Freienberg, Kriminalhauptkommissarin und Beauftragte für Jugendsachen bei der Polizeiinspektion Harburg, mit einem Stalking-Opfer. Zudem wird der preisgekrönte Dokumentarfilm "Die Seele brennt" von Regisseurin und Autorin Liz Wiskerstrauch gezeigt, woran sich eine Diskussion mit ihr anschließt. Mehr Infos unter www.bundesnetzwerk-zivilcourage.de.
- Sechs Regeln für den Ernstfall: Das Bundesnetzwerk Zivilcourage hat sechs Regeln für Zivilcourage zusammengestellt, die im Ernstfall beachtet werden sollten:
1.) Hilf, aber bring dich nicht in Gefahr!
2.) Rufe die Polizei unter 110!
3.) Bitte andere um Mithilfe!
4.) Präge dir Tätermerkmale ein!
5.) Kümmere dich um das/die Opfer!
6.) Sage als Zeuge aus!
Redakteur:Christoph Ehlermann aus Salzhausen |
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