Stadtwerke geben ihre Einschätzung
Packen unsere Stromnetze noch mehr E-Autos?
E-Autos erobern die Straßen Deutschlands - und das schon seit einigen Jahren, denn die Verkehrswende ist in vollem Gang. So waren zu Beginn des Jahres im Landkreis Harburg 8.185 Fahrzeuge mit E-Kennzeichen zugelassen - die Tendenz ist steigend. Statt Benzin oder Diesel schlucken diese allerdings Strom und müssen daher regelmäßig an die Steckdose angeschlossen werden. Doch sind unsere regionalen Stromnetze überhaupt für die zusätzliche Belastung ausgelegt? Oder steht mit zunehmender E-Mobilität eine Überlastung der Netze bevor? Das WOCHENBLATT hat bei den Stadtwerken Buchholz und Buxtehude nachgefragt.
"Aktuell gibt es definitiv kein Problem", sagt Sven Sölter, technischer Leiter der Stadtwerke Buchholz. Das bedeute, dass das Netz in den nächsten drei bis fünf Jahren gut aufgestellt sei. Dann müsse punktuell aufgerüstet werden. Es müssten etwa Leitungen erneuert oder neue, leistungsstärkere Transformatoren errichtet werden. Denn die Anfrage rund um private Ladestationen für E-Fahrzeuge steige derzeit enorm, weiß Sven Sölter.
Mit einem alten Kühlschrank vergleichbar
Auch die Stadtwerke Buxtehude werden ihre Stromnetze bedarfsgerecht verstärken, sehen derzeit aber ebenfalls kein Problem. "Ein E-Fahrzeug mit einer Fahrleistung von 10.000 km pro Jahr benötigt täglich fünf bis sechs kWh. Vergleichbar mit einem alten Kühlschrank", erklärt Prokurist Daniel Berheide. Für einen normalen Hausanschluss in einem Einfamilienhaus sei das also locker machbar. Ein Mehrfamilienhaus stelle eine größere Herausforderung dar, da die Netzanschlüsse auf eine geringe Gleichzeitigkeit ausgelegt seien. Hier kämen dann intelligente Ladesysteme zum Einsatz, bei denen sich mehrere Wallboxen eine noch verfügbare Anschlussleistung teilen.
Wärmepumpen und PV-Anlagen als Faktoren
Doch es sind nicht nur die E-Mobile, auch Wärmepumpen brauchen Strom und belasten das Netz. Zudem kann es zu Problemen bei der Einspeisung von Strom kommen, nämlich dann, wenn das Netz für zu große Mengen nicht ausgelegt ist. Photovoltaik-Anlagen (PV) und neu entstehende Windparks werden hier zu immer größeren Faktoren. Besonders Letztere könnten irgendwann dafür sorgen, dass etwa das Umspannwerk an der Bremer Straße in Buchholz zu klein werden könnte, so Sven Sölter. Eine Aufrüstung liege dann allerdings in der Verantwortung der EWE.
"Wir gehen davon aus, dass sich die Anzahl der Wärmepumpen in unserem Netz stark erhöhen wird. Auch hier gilt, dass viele Netzanschlüsse bereits ausreichend dimensioniert sind", sagt Daniel Berheide. Für große Wärmepumpen, z.B. für Mehrfamilienhäuser oder Gewerbeimmobilien, müsse eine Verstärkung des Netzanschlusses rechtzeitig mit den Stadtwerken Buxtehude abgestimmt werden.
Eine weitaus größere Herausforderung sei, insbesondere an den sonnenreichen Tagen, die Masse an PV-Anlagen, mittlerweile etwa 1.000 Stück, die ihren Solarstrom in das Netz einspeisen. "Hier zahlt sich aus, dass seit ein paar Jahren gleichzeitig Speichersysteme für den PV-Strom verbaut werden, denn die Anlagen werden häufig zur Optimierung des Eigenverbrauchs gekauft oder bei uns gepachtet. Bisher führt die Netzeinspeisung nicht zu Überlastungen oder Ausfällen. Damit das so bleibt, werden wir insbesondere auch die Entwicklung der Einspeisung in unserer Netzausbauplanung berücksichtigen", so Daniel Berheide.
Analyse des Netzes
Natürlich, so der technische Leiter Sven Sölter, seien die Stadtwerke Buchholz stetig in der Analyse ihres Netzgebietes. Da kommen digitale Zähler (der technische Fachbegriff lautet „moderne Mess-einrichtungen“ bzw. auch Smart Meter genannt) zum Einsatz, die den Stromverbrauch besser veranschaulichen als die alten Zähler. Sie zeigen neben dem aktuellen Stromverbrauch auch tages-, wochen-, monats- und jahresbezogene Verbrauchswerte für die vergangenen zwei Jahre an. Die Einführung der digitalen Zähler wurde 2016 gesetzlich beschlossen und soll der Energiewende zugutekommen. Die Stadtwerke Buchholz haben bereits 2017 schrittweise damit begonnen, die Geräte bei Bestands- und Neukunden einzubauen. Das wird bei den betroffenen 22.000 Stromkunden bis 2032 andauern.
Versorgungssicherheit als Priorität
"Es geht darum, digital auszuwerten, was gerade im Netz passiert, und darauf entsprechend zu reagieren", erklärt Sven Sölter weiter. So könne einer Überlastung vorgebeugt werden, etwa indem Lasten verlagert werden und intelligent gesteuert wird. Gerade in Neubaugebieten gibt es eine erhöhte Nutzung von E-Ladesäulen, PV-Anlagen und Wärmepumpen. Laut Sölter müsse an diesen Gebieten gesondert geschaut werden, welcher Bedarf entsteht. Das Wichtigste sei, die Versorgungssicherheit der Menschen zu gewährleisten. Dass es punktuell zu Engpässen kommen kann, räumt er ein. "Wir arbeiten mittels Szenarienanalyse proaktiv daran, Engpässen vorzubeugen. Das ist aber natürlich viel Theorie", sagt Sven Sölter.
Dimmung nur bei Gefährdung
Auch die Stadtwerke Buxtehude steuern ihr Netz intelligent. "Damit es punktuell nicht zu Überlastungen des Netzes kommt, soll eine kurzzeitige Leistungsreduzierung (Dimmung) des Strombezugs von flexiblen Verbrauchseinrichtungen möglich sein, also Wallboxen, Wärmepumpen, Speichern. Dabei ist die Grundvoraussetzung stets eine Gefährdung oder Störung der Netzsicherheit", sagt Daniel Berheide. Ähnlich werde das bereits erfolgreich bei speziellen Wärmepumpentarifen durchgeführt. Der Haushalt selbst bleibe davon aber unberührt: Kühlschrank, Waschmaschine und Internet laufen weiter wie bisher. Für die Ansteuerung der flexiblen Verbrauchseinrichtungen sei dann der Einbau der intelligenten Messsysteme und Steuerungstechnik notwendig.
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