Pflegekammer Niedersachsen
Präsidentin ohne Vertrauensbasis
(bim). Die Kammerversammlung der umstrittenen Pflegekammer Niedersachsen hat sich einstimmig für die nachträgliche Anschubfinanzierung durch die Landesregierung ausgesprochen und will bereits gezahlte Mitgliedsbeiträge erstatten. Wie berichtet, sollen im Haushalt 2020 sechs Millionen Euro für die Pflegekammer eingestellt werden. Gespalten sind die Kammermitglieder indes beim Vertrauen in ihre Präsidentin Sandra Mehmecke. Deren Rücktritt fordert nun die niedersächsische CDU.
Nach dem Willen von SPD und CDU sollte die Pflegekammer dauerhaft beitragsfrei bleiben. Die Kammer sprach sich aber zunächst nur für eine Beitragsfreiheit für die Jahre 2018, 2019 und 2020 aus. Die Kammerversammlung will danach jährlich neu über die Frage der Mitgliedsbeiträge entscheiden.
Damit Rückerstattungen möglich sind, muss die Beitragsordnung der Pflegekammer jedoch erst noch angepasst werden. Laut der aktuellen Beitragsordnung besteht eine Beitragspflicht für Mitglieder der Pflegekammer Niedersachsen. Mitglieder zahlen in der Regel einen Mitgliedsbeitrag in Höhe von 0,4 Prozent ihrer Bruttoeinkünfte. In einer der nächsten Sitzungen der Kammerversammlung soll eine Änderung der Beitragsordnung beschlossen werden.
So umstritten wie das bürokratische Konstrukt der Pflegekammer ist auch die Kammerpräsidentin selbst. So ging es in Sitzung am Mittwoch auch um die Frage, ob die Kammerversammlung der Präsidentin Sandra Mehmecke das Misstrauen ausspricht. Ergebnis: 14 von 27 der anwesenden (der insgesamt 31) Mitglieder sprachen sich in einer geheimen Abstimmung gegen Mehmecke aus. Allerdings wäre laut Satzung eine Zwei-Drittel-Mehrheit für ihre Abwahl nötig gewesen.
Ein Unding für die Landes-CDU: „Die Zwangsmitglieder haben kein Vertrauen in ihre Kammer, und die Versammlungsmitglieder haben kein Vertrauen in ihre Präsidentin. In der aktuellen Situation können wir nicht bis Sommer auf Entscheidungen warten. Will die Kammer noch eine Chance auf Erfolg haben, muss Präsidentin Mehmecke unverzüglich zurücktreten und Platz für eine neue Führung machen", sagt der sozialpolitische Sprecher Volker Meyer.
Der erst Ende Januar ins Amt berufene Übergangsmanager der Pflegekammergeschäftsführung, Georg Gabriel, hatte seinen Rückzug angekündigt, falls Mehmecke im Amt bleibt.
Unbeliebte Interessenvertretung
Die Pflegekammer Niedersachsen soll Interessenvertretung der größten Gruppe der Beschäftigten im Gesundheitswesen gegenüber der Öffentlichkeit, der Politik und anderen Akteuren im Gesundheitswesen sein. Darüber hinaus berät die Pflegekammer Niedersachsen Behörden in Fragen der Gesetzgebung und soll so Einfluss nehmen auf die weitere Entwicklung der Pflege in Niedersachsen.
Umstritten ist die Kammer aber beim überwiegenden Teil der rund 90.000 niedersächsischen Fachkräfte der Altenpflege, der Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege wegen der Zwangsmitgliedschaft und der verlangten Zwangsmitgliedsbeiträge, zu deren Zahlung die zwangsverpflichteten Mitglieder in einem rüden Schreiben kurz vor Weihnachten 2018 erstmals aufgefordert wurden.
Zwei Kritikpunkte, die Pflegekräfte gegenüber dem WOCHENBLATT damals geäußert hatten: Niedersachsen könnten wegen der Zwangsmitgliedschaft die Pflegefachkräfte "davonlaufen", denn für eine Kammermitgliedschaft gilt der Ort der Berufsausübung. Da die Pflegekammern bislang Ländersache sind und es in Hamburg keine gibt, könnten sich die in der Metropolregion zwangsverpflichteten Mitglieder auch eine Arbeitsstelle in der wenige Kilometer entfernten Hansestadt suchen.
Und: "Nun sollen diejenigen, auf deren Schultern der Pflegenotstand ausgetragen wird und die für ihre Arbeit unangemessen niedrige Bezahlung erhalten, eine Pflegekammer finanzieren."
Nach vielen Protest-Aktionen im ganzen Land, auch in den Landkreisen Harburg und Stade, sowie einer Petition, der sich binnen kurzer Zeit mehr als 50.000 Menschen anschlossen, hatte die Politik Ende 2019 eingelenkt und die Abschaffung der Zwangsmitgliedsbeiträge beschlossen.
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