Vier Tage Woche
Sinnvolles Arbeitskonzept oder jugendliche Faulheit?

Foto: Fokussiert

Die Rufe nach einer Vier-Tage-Woche werden lauter. Auch in Buchholz engagieren sich junge Menschen der Generation Z für eine kürzere Arbeitswoche. Paul Paulsen, der sich im Jugendrat engagiert, ist einer von ihnen. Aber ist die Forderung nach einer Vier-Tage-Woche gerechtfertigt?

Work-Life-Balance oder Verweichlichung?

WOCHENBLATT-Leserinnen und -Leser sind sich uneinig. In einer Online-Umfrage stimmten 50 Prozent für "Ja, die Forderung ist gerechtfertigt". 33 Prozent stimmten für "Nein", 16 Prozent waren sich nicht sicher. Auch einige Leserzuschriften erreichten das WOCHENBLATT. Hier eine Auswahl:

Andreas Heyck

Obwohl ich sonst keine Leserbriefe schreibe, möchte ich mich zu den Worten von Herrn Paulsen äußern. Die Meinung, dass die junge Generation nicht faul ist, teile ich nicht. Auch das komplette Gegenteil ist sicher nicht richtig. Aber eine Vier-Tage-Woche halte ich nicht für praktikabel, da die Arbeit ja nicht weniger wird. Die Belastung des Einzelnen würde eher zunehmen. Und die Annahme, dass die Arbeitgeber mehr Leute einstellen, gehört in die Kategorie Märchen. Im Übrigen fehlen dazu die Fachkräfte.

Zur gesundheitlichen Belastung würde ich da eher sagen, dass das gesündeste eine Null-Tage-Woche wäre. Wie auch Facebook-Nutzer bekomme ich bei dem Gedanken, dass diese Generation meine Rente bezahlen soll, Schweißausbrüche.

Eckhard Böttcher

Ob die Vier-Tage-Woche nun gerechtfertigt-richtig ist oder nicht, lasse ich mal dahingestellt. Ich bin seit Mai Rentner und habe 49 Jahre durchgearbeitet. Die letzten drei bis vier Jahre habe ich in der Vier-Tage-Woche gearbeitet, freitags frei. Im Nachhinein die beste Unterschrift meines Lebens! Das nenne ich Lebensqualität! Ich habe immer gerne gearbeitet, bin Handwerker, auch mit Rückenschmerzen. In den letzten Jahren hat der Spaß an der Arbeit aber rapide abgenommen. Dank Vorgesetzten, die nie mit Handarbeit Geld verdienen mussten.

Ich glaube nicht, dass die jüngere Generation faul oder sonst etwas ist, die haben wahrscheinlich nur früher erkannt, dass es sich nicht lohnt, sich mit den hoch dotierten, überschlauen Vorgesetzten über Arbeit zu unterhalten. Arbeit macht Spaß, wenn man auf Augenhöhe ist, wertgeschätzt wird und nicht für blöd erklärt wird. Außerdem sind die Vorschläge jüngerer Arbeitnehmer nicht die schlechtesten.

Marion Ruchelka

„Gesundheitsbewusster Arbeiten“ klingt auf den ersten Blick gut. „Gesundheitsbewusster leben“ ist wohl aber das eigentliche Thema! Egal, ob wir Menschen 30, 40, 50 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten - was uns letztlich gesund erhält, sind - neben Bewegung an der frischen Luft und ausgewogener Ernährung - gute Beziehungen und die Bereitschaft, Konflikte zu lösen und füreinander da zu sein. (Stichwort „Ehrenamt“ usw.). 

Wenn mehr Freizeit zugleich Medienkonsum, „soziale Netzwerke“ und Fast Food bedeuten sollte, wird eine Kürzung der Arbeitszeit kaum zielführend sein.

Und ich wünsche allen heute unter 30 - Jährigen von Herzen, dass auch sie Pflege und medizinische Hilfe bekommen können, wenn sie es eines Tages benötigen und dass ihre Kinder eine Chance haben, noch ausreichend beschult zu werden. 

Nur wie soll das bei einer Vier-Tage-Woche abgedeckt und finanziert werden können?

Margot Kübler

Immer schon gab es eine Spaltung zwischen den Berufsgruppen, egal ob 42/40-, später 37,5-Stunden-Woche. Wochenendarbeit, Sonntag, Feiertag, Tag-, Spät- und Nachtschicht.

Je weniger tarifgebundene Unternehmen, desto schwieriger für die arbeitende Bevölkerung. Da, wo es machbar ist, also in vier Tagen die Fünf-Tage-Stundenzahl reinzuarbeiten, bin ich voll dafür, denn alle, auch die Umwelt, profitieren davon. Allerdings, das, was manche der Generation Z verlangen, nämlich 35 Stunden statt 37,5 bis 40 und bei vollem Lohnausgleich, das schadet der Wirtschaft und ist mir zu egoistisch.

Alexander Sparr

Mein Vater hat als einfacher Arbeiter bei Blohm + Voss 60 Stunden die Woche gearbeitet, um uns als Familie einen kleinen, gewissen Wohlstand zu erarbeiten. Wir hatten eine tolle Kindheit, ohne Luxus, ohne Smartphones, ohne schulfreie Freitage, um auf die Straße zu gehen und ohne vegane, laktosefreie Hafermilch.

Mit dieser Arbeit hat mein Vater dazu beigetragen, dass Deutschland ein wohlhabendes Land mit Wohlstand in der Mittelschicht wurde. Die Grundgedanken der Generation Z sind nachzuvollziehen, aber völlig fern der Realität. Die junge Gesellschaft ist viel zu satt, ohne auch nur einmal etwas dafür tun zu müssen. Der Wohlstand der Gesellschaft steht in vielerlei Hinsicht auf dem Spiel, die Vier-Tage-Woche trägt ihren Teil dazu bei.

Mit 35-Stunden-Wochen und irrsinnigen Gewerkschaftsforderungen wird es bald keinen Platz mehr für die Hirngespinste geben. Wohlstand kommt durch Arbeit, nicht durch Work-Life-Balance und Vier-Tage-Wochen.

Stefanie Prothmann

Grundsätzlich begrüße ich diesen Vorschlag sehr. Ich hatte das Glück, meine Überstunden schon mehrfach an einem Freitag abbummeln zu können, da der Freitag in unserer Firma nur ein halber Arbeitstag ist.

Dabei konnte ich feststellen, dass ich mich wesentlich besser erholt habe, als wenn ich nur das Wochenende gehabt hätte. Insofern würde ich mich über eine Vier-Tage-Woche sehr freuen.

Allerdings halte ich einen vollen Lohnausgleich bei gleichzeitiger Reduktion der Arbeitszeit für völlig übertrieben. Den meisten Betrieben geht es nicht so gut, dass dies finanzierbar wäre. Von daher müsste die Arbeitszeit an den anderen Tagen aufgestockt werden oder man müsste sich einen Lohnverzicht leisten können.

Weiterhin sollte der Arbeitnehmer flexibel bleiben, um z.B. Krankheiten oder Urlaube von Kollegen abfedern zu können. Das heißt, evtl. dann doch mal freitags arbeiten zu müssen. In vielen Berufen ist es ja ohnehin nicht möglich, keine Sieben-Tage-Woche anzubieten, z.B. Krankenhäuser, Polizei, öffentlicher Nahverkehr.

Ich denke, bei entsprechender Flexibilität der Arbeitnehmer hätte man den Arbeitgebern gegenüber gute Argumente, um allmählich die Vier-Tage-Woche zu etablieren.

Stefanie Lohmann

Ich kann es schon nicht mehr hören, wenn es heißt, die Generation Z sei faul, nur weil sie eine Vier-Tage-Woche will und auf ihr mentales und körperliches Wohlbefinden achtet. Ich gehöre zu den sog. Millennials, also eine Generation früher, und selbst ich habe diese Meinung schon damals gehabt, als ich ins Arbeitsleben gestartet bin. Ich konnte bei genug älteren Kollegen beobachten, dass sie überarbeitet waren, ständig unter Stress standen und wirklich unglücklich waren, weil sie keine Zeit für irgendetwas hatten. Es entspricht ja auch wirklich der Wahrheit, dass fünf oder sogar sechs Tage die Woche acht Stunden zu arbeiten (und das habe ich alles selbst schon gemacht, auch über längere Zeit), das eigene Privatleben komplett auf Eis legt. Von seiner Gesundheit, je nach Tätigkeit, mal ganz zu schweigen. Jeder, der Kinder oder zu pflegende Angehörige hat, wird das wohl ähnlich sehen.

Eine 40-Stunden-Woche ist doch heutzutage vollkommen unzeitgemäß. Was nützt es mir schon, viel Geld zu verdienen, wenn ich keine Zeit habe, oder vom Arbeiten viel zu müde bin, um es auszugeben?

Was die Regierung verpasst hat, nämlich für ein gerechtes und ausreichendes Rentensystem zu sorgen, kann die Generation Z sowieso nicht mehr ausgleichen. Ist aber auch nicht ihre Aufgabe!

Klaus Rundt

Es ist ein sehr interessantes Thema, welches konträr zur demographischen Entwicklung unseres Volkes steht. Wie bekannt, fehlen zunehmend in fast allen westlichen Staaten die Arbeitskräfte und es kann nicht wirklich alles mit "Künstlicher Intelligenz" ausgeglichen werden. 

Wie bei einer solch verwirklichten Zukunft der Generationsvertrag noch erfüllt werden soll, ist wohl mehr wie fragwürdig; wie auch der von Ihnen zitierte Facebook-Nutzer mit recht befürchtet. 
Der Jugendrat sollte sich eher fragen, wie wirken sich die so genannten sozialen Medien und andere Massenmedien aus, die mehrheitlich fragwürdige Lebensweise bezüglich Ernährung, körperliche Betätigung und viele anderen Umstände des modernen Lebens; dazu gehören auch Elektrosmog und Strahlung des Handys vom Nachtschrank. 

Mir sind viele Menschen bekannt (auch 70-jährige), welche 70Stunden und mehr wöchentlich arbeiten, bei bester Gesundheit und weit weg von der "neuen Krankheit Burnout" sind. 
Man sollte dieses Thema Burnout ehrlich ganzheitlich betrachten und nicht mit dem Fokus auf die doch so wichtige Sache Arbeit, welche unser aller Existenz sichert und nur belastet, wenn sie nicht geliebt wird. Also schalten wir um auf Liebe zur Arbeit und auf optimal gestaltete Lebensumstände.

Marianne Savary

Für mich geht es in dieser Debatte nicht um die Frage von Verweichlichung. Mein Beruf, den ich 38 Jahre ausgeübt habe, war für mich ein fester Bestandteil meines Lebens und damit auch von Lebensqualität. Ich habe alles gegeben, um die Voraussetzungen (Studium, Examen) zur Ausübung meines Berufes zu schaffen. Natürlich war es manchmal auch stressig, aber ich hätte mir ein Leben ohne meinen Beruf nicht vorstellen können.

Es fällt mir schwer, die Probleme junger Berufstätiger nachzuvollziehen, die eine 4-Tage-Woche anstreben, damit sie kein Burnout erleiden.

Wie stehen diese Menschen zu ihrem Beruf? Was bedeutet ihnen ihre Tätigkeit? Wie Sinn stiftend und beglückend ist ihr Beruf oder ist er vor allem eine große Last, die man abschütteln muss? Haben zu viele womöglich die falsche Wahl getroffen? Die Frage von Verweichlichung ist in dieser Debatte alles andere als zielführend - eher ist sie vordergründig, ja polemisch.

Rico Meier

Meine Meinung zu diesem Thema ist, dass grundsätzlich natürlich jeder selbst entscheiden kann, wie viel er arbeiten möchte. Wenn er bzw. sie es sich leisten kann!

Naturgemäß verdienen Berufseinsteiger anfangs noch nicht so viel. Und wenn dann dieses wenige auch noch um 20 Prozent gemindert wird, weil nur Vier- statt Fünf-Tage-Woche, dann kann es schnell zu wenig werden. Und dann wird der Ruf nach Transferleistungen laut, zum Beispiel Wohngeldzuschuss von Vater Staat. Und da muss ich sagen, das geht mir gegen den Strich, würde ich ja mit meinen Steuern die „Faulheit“ der jungen Leute alimentieren. Daher: erst mal selbst seine Sporen verdienen! Junge Leute sind noch belastbar und müssen sich erst mal beweisen. Ich habe in jungen Jahren auch viele Überstunden im Büro gemacht und konnte trotzdem meinen Freizeitbeschäftigungen nachgehen und sogar noch Weiterbildungen besuchen.

Erst im Alter (Ende 50) wird man langsam müder und würde gerne den jungen Leuten den Vortritt lassen. Und vom Generationenvertrag in der Rentenversicherung möchte ich gar nicht erst anfangen; der würde ja dann noch weniger aufgehen. Das wird eh schon sehr schwierig werden.

Redakteur:

Leonie Lange aus Buchholz

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