Das raten Experten
So finden Sie Weihnachten Kraft und Ruhe

Autorin Swantje Werner | Foto: Helms

Diesen Text hat uns Leserreporterin Swantje Werner (Klimateam Konsum und Ernährung, Parents for Future Buchholz) zur Verfügung gestellt: 
Dieses Jahr hat uns allen viel abverlangt: ob als Eltern kranker Kinder, als überlastete Berufstätige mit ständigen Ausfällen im Kolleginnen-Team, als Mieter mit Sorge vor der nächsten Nebenkostenabrechung, als europäische Nachbarn eines Landes, dessen Bevölkerung gerade in Kälte, Hunger und Elend gebombt wird, oder als Bewohner eines Planeten, auf dem die Lebensgrundlagen an zahllosen Orten zugleich auf dramatische Weise bedroht sind. Über die Weihnachtstage ein wenig zur Ruhe kommen, Zeit mit den Menschen teilen, die einem am wichtigsten sind, vielleicht sogar einen kleinen gemeinsamen Kraftvorrat anlegen für das neue Jahr - diesen Wunsch haben viele Menschen.
Verblüffenderweise braucht aber gerade das Zur-Ruhe-Kommen in vielen Fällen Planung, Klarheit und entschiedenes Handeln, sagen Psychologen aus Buchholz und Umgebung. Dies gilt ganz besonders, wenn es in Familien oder Partnerschaften Konflikte gibt, die eigentlich schon das ganze Jahr über schwelen.
Der Buchholzer Psychotherapeut Frank Falk rät, sich in solchen Fällen vor den Festtagen einen Notizzettel zu machen: Darauf werden die schwierigen Themen notiert. Den Zettel legt man dann bewusst beiseite, um sich mit mehr Offenheit und Wohlwollen auf die Feiertage einlassen zu können, zugleich aber die Gewissheit zu haben, dass es nicht um falsche Harmonie geht, sondern man sich nach den Feiertagen für ein klärendes Gespräch über diese Themen verabreden kann.
Es kann sogar sinnvoll sein, Stoppsignale zu verabreden, um den Dauerbrenner-Streitthemen an Weihnachten gemeinsam Einhalt zu gebieten, sagt die Buchholzer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Gundula Göbel. Möglicherweise sind zusätzlich persönliche Beruhigungs- und Ablenkungsstrategien wichtig: kurz vor die Tür gehen, einen Tee kochen, ein Buch zur Hand nehmen, ein Puzzle legen, den Hund streicheln oder auch sich bildlich vorstellen, dass man von einer Schutzschicht umgeben ist, an der Kritik und unerbetene Bewertungen abprallen – am besten in einem ruhigen Moment üben, eventuell sogar vor dem Spiegel.
Weil in hochstrittigen Paar- und Familienkonstellation die Beteiligten, trotz aller guten Vorsätze, schnell in alte Muster hineingeraten, kann es gut sein, „das System zu irritieren“, sagt die Buchholzer Psychotherapeutin Dr. Hanna Cronjäger. Das bedeute konkret: „Wir treffen uns vielleicht Heiligabend nicht wie sonst bei Oma am Küchentisch, sondern im Wintergarten der Tante.“ Vielleicht verändere sich die Atmosphäre auch in Richtung Ausgleich und Schutz, wenn eine gute Freundin oder der Partner zum Weihnachtsbesuch mitkomme oder das Beisammensein etwas kürzer ausfalle.
Unsere Erwartungen an diese Tage überfordern uns oft selbst, sagt der ärztliche Psychotherapeut Dr. Martin Sandner aus Buchholz. Deshalb könne ein bewusst einfaches Programm die Chance auf Gemeinsamkeit und Gelassenheit sogar erhöhen. Wer versucht, im Alleingang alles besonders schön und festlich zu gestalten, ist besonders gefährdet, sich zu übernehmen und letztlich selbst zu kurz zu kommen, warnt Diemut Sontag, Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie in Maschen. „Aufgaben an andere verteilen und nicht perfekt sein wollen“, lautet Gundula Göbels Rat. Wichtiger als ein kompliziertes Menü seien bei Familientreffen oft so grundlegenden Dinge wie frische Luft in der Wohnung, ausreichend Bewegung und fest eingeplante Rückzugsmöglichkeiten.
Vorbereitungszeit kann jedoch lohnend sein, wenn es darum geht, dem Austausch untereinander bewusst Raum und vielleicht auch eine Form zu geben. Dazu gehört unter Umständen zunächst einmal die Klärung der wichtigen Frage, zu welchen Zeiten Handys und Laptops mal ausgeschaltet bleiben.
Prinzipiell sei das Ende des Jahres eine gute Gelegenheit, Dinge zu würdigen, die man (gemeinsam) erlebt und getan hat und damit aus der Geschwindigkeit und Getriebenheit im Alltag einen Moment auszusteigen, sagt die Buchholzer Psychologin und Paartherapeutin Birgit von Spee. Spannend können Fragen nach den „drei Highlights des Jahres“ sein oder der Austausch über gemeinsame Projekte im vergangenem Jahr - sei es der gemeinsame Ausflug im Sommer oder die anstrengende Bad-Renovierung im Herbst. Auch Kartenspiele wie die “Talkbox für Familie, Freunde und Gruppen“ oder die „100 Fragen“ der Organisation School of Life können dazu beitragen, sich noch einmal anders kennenzulernen. So etwas geht aber auch im Do-it-Yourself-Verfahren, erläutert Cronjäger: „Kleine und große Familienmitglieder können zum Beispiel sechs Fragen vorbereiten, jeder Frage wird eine Ziffer von eins bis sechs zugeordnet, dann wird reihum gewürfelt und der Betreffende muss die jeweilige Frage ehrlich beantworten.“
Zwar sollten Spiele in Familien mit Kindern grundsätzlich eher einfach und zeitlich überschaubar sein, sagt Gundula Göbel. Es sei aber durchaus möglich, ein Thema zu Weihnachten oder Silvester ausführlicher zu diskutieren: „Man kann etwa überlegen: Was wollen wir als Familie nächstes Jahr tun, für den Klimaschutz, für andere Menschen oder für die Natur?“ Gemeinsame Ziele außerhalb der Familie zu benennen, biete die Chance, sich innerhalb der Familie neu zu verbünden.
Besonders schwierig ist das Fest für Alleinstehende, zumal in Zeiten, in denen lang geplante Besuche unter Umständen wegen akuter Erkrankungen komplett ausfallen müssen. „Liebevoll in Beziehung sein, heißt aber nicht immer, dass man sich räumlich nah sein muss“, sagt Cronjäger. „Ich kann auch jemandem einen Brief schreiben, den ich vielleicht nicht einmal abschicke, sondern für mich hinlege, um in Gedanken bei dem Betreffenden zu sein.“
Möglichkeiten, an den Feiertagen Gemeinsamkeit zu erleben, bieten auch die Buchholzer Kirchen. Eine Übersicht über das Programm findet sich beispielsweise auf den jeweiligen Internet-Seiten. Und getreu dem einfachen, aber schwer umzusetzenden psychologischen Motto „Sei Dein eigener Gast“, gibt es viele Dinge, die man nicht nur für andere, sondern auch für sich selbst tun kann: Einen Film heraussuchen, es sich gemütlich machen mit Duft, Musik, Wärmekissen, Kerzen und so weiter und, sofern es die Gesundheit zulässt, auch Spaziergänge fest einplanen. Vielleicht ist es dabei sogar möglich, beim Nachbarn zu klingeln und diesen ein friedliches Weihnachten zu wünschen – und damit ein paar Worte und ein Lächeln austauschen.

Redakteur:

Oliver Sander aus Buchholz

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