WOCHENBLATT-Serie "Blick über die Elbe", Teil 7
"Speeldeel Fründschaft" erhält plattdeutsche Kultur in Altengamme

- Die Tochter des Reeders, Christine Christiansen (gespielt von Lisa Trentz, li.), versucht mit einem gespielten Anruf von einer unangenehmen Situation abzulenken. Steuermann Jonny Tetens (Stefan Timm) und Privatsekretärin Mia Brinkmann (Ann-Cathrin Albers) sind sichtlich irritiert
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Wer sich auf hamburg.de über den Stadtteil Altengamme im Bezirk Bergedorf schlaumachen möchte, findet unter dem Abschnitt "Norddeutsche Gebräuche erhalten" einen kleinen Text über drei Vereine, die das "historische Erbe" der Region am Leben halten. Genannt werden der Vierländer Kultur- und Heimatverein De Latücht, der Häkelbüdelclub und der Verein Speeldeel Fründschaft. Doch bedauerlicherweise ist der besagte Text nicht sonderlich aktuell, denn von den drei Vereinen existiert heute nur noch einer: die Speeldeel Fründschaft, die plattdeutsche Theaterstücke mit viel Leidenschaft auf die örtliche Bühne bringt. Um den 1949 gegründeten Verein geht es im siebten Teil der WOCHENBLATT-Serie "Blick über die Elbe".
Am Tag Hebamme, am Abend Darstellerin
Eine ist Lehrerin, ein anderer Kaufmann, ein Weiterer ist Banker und wieder eine ist Hebamme, doch eines haben alle gemeinsam: Sie sind Laiendarsteller im 1949 als Unterhaltungsklub Freundschaft gegründeten Verein in Altengamme. 1952 wurde die Umbenennung zu Speeldeel Fründschaft beschlossen, passend zum plattdeutschen Programm der Theatergruppe. Dieses Jahr lädt der Verein mit "Rund um Kap Hoorn" zu seinem 75. Jubiläumsstück ein. Das WOCHENBLATT besuchte eine von vielen Proben.
"Wir arbeiten seit September an diesem Stück", erzählte Heike Barnstorf, zweite Vorsitzende der Speeldeel Fründschaft. Es handelt von Seemännern, die ohne Schiffsflotte dastehen und die Zeit als Kneipenwirte überbrücken. Die Tochter des Reeders, der die neuen Schiffe anfertigt, taucht in der Kneipe "Kap Hoorn" auf, um dort als Köchin anzufangen. Zuvor lief sie ihrem Vater davon, da dieser sie mit einem reichen Geschäftsfreund verheiraten wollte. Nun sind ihr zwei Detektive auf den Fersen.
Es ist ein Katz-und-Maus-Spiel, begleitet von Liebe und Intrige, das das Publikum garantiert zum Lachen bringt (vorausgesetzt die Zuschauenden verstehen Plattdeutsch).

- Die Tochter des Reeders ist eifersüchtig
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Prominente Unterstützung vor der Bühne
Doch was die Speeldeel Fründschaft neben der Sprache ebenfalls von vielen anderen Theater-Vereinen unterscheidet: Sie erhält professionelle Unterstützung aus der Hamburger Theaterszene. Wolfgang Sommer, selbst ausgebildeter Schauspieler sowie Regisseur – bekannt für seine Engagements am Thalia Theater, Altonaer Theater und am Deutschen Schauspielhaus sowie am ebenfalls plattdeutschen Ohnsorg Theater – führt bereits seit mehr als zehn Jahren bei dem kleinen Verein in Altengamme Regie.
"Sie haben mich vor fast 15 Jahren angerufen, da sie einen Profi wollten. Ich bin vorbeigekommen und, wie's so oft ist, seitdem geblieben", schilderte Sommer. Auch wenn er den Verein nicht mit seinen Erfahrungen mit professionellen Schauspielern vergleichen könne, stehe für ihn fest: "Sie rocken den Saal."

- Ab und an zeigt der Regisseur, wie es gemacht werden muss
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Die Stücke sucht sich die Fründschaft selbst aus. Sommer erarbeitet dann die Inszenierung, verteilt frühzeitig die Rollen, damit alle ihre Texte lernen können, und plant das Bühnenbild. "Wir haben hier einen Tischler, der macht die Requisiten. Besser geht's nicht", sagte der Regisseur.
Nächstes Jahr werde Sommer allerdings keine Zeit für den Verein finden. "Ich begleite Heidi Mahler auf ihrer Abschiedstournee durch Deutschland", erläuterte er im Gespräch mit dem WOCHENBLATT.
Als letzter Verein übrig geblieben
"Vierlandens gewachsene Kulturwerte dürfen nicht verloren gehen" – unter diesem Motto veranstaltete der Verein De Latücht plattdeutsche Lesungen, Klönabende, Fahrradtouren und vieles mehr. Doch im Juni 2019 wurde bekanntgegeben, dass der Verein aufgelöst wird. Der Posten des Vorsitzenden konnte nicht neu besetzt werden. "Damit endet eine 32 Jahre lange Tradition", schrieb das Hamburger Abendblatt.
Mehr als 50 Jahre hatte der Häkelbüdelclub auf dem Buckel, in dem sich Frauen des Dorfes trafen, um unter anderem Vierländer Trachten sowie Kissenhüllen mit Vierländer Stickerei anzufertigen. "Den gibt es auch schon eine ganze Weile nicht mehr", weiß Heike Barnstorf von der Speeldeel Fründschaft.

- Detektiv Schnüffel (gespielt von Carl-Hermann Kröger, li.) und Detektiv Falkenoog (Christian Kröger) gehen vor ihrem Auftritt noch einmal aufmerksam ihre Texte durch
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Ihr Verein ist damit der letzte der drei Altengammer Kultur-Bewahrer. Gleichzeitig ist er mit dem 75. Jubiläum aber auch der Älteste. "Es ist immer eine Frage des Nachwuchses", sagte Regie-Assistenz Conny Elsken zum Aus der anderen Vereine. Auch der Fründschaft mangle es an jungen Mitgliedern. "Unsere Jüngste ist Anfang 30, ein Weiterer ist Mitte 30", führte sie aus. Barnstorf ergänzte: "Fünf sind Anfang 40, danach kommt dann 20 Jahre nichts. Der Rest ist über 60."
Doch unter den Zuschauenden finde der Verein viel Anklang bei jungen Menschen. "Die machen da ein richtiges Fest draus", schilderte die zweite Vorsitzende erfreut.

- Mit ihrer Verkleidung täuscht Christiansen nicht nur den Steuermann, sondern auch die Detektive
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Stück feiert diesen Freitag Premiere
Am Freitag feiert das 75. Jubiläumsstück der Speeldeel Fründschaft "Rund um Kap Hoorn" im Gasthof Hitscherberg, Kirchwerder Hausdeich 153 in Hamburg, Premiere. Es wird insgesamt achtmal aufgeführt. Alle Termine im Überblick:
- Freitag, 21. Februar, 20 Uhr
- Samstag, 22. Februar, 20 Uhr
- Sonntag, 23. Februar, 15.30 Uhr
- Freitag, 28. Februar, 20 Uhr
- Samstag, 1. März, 20 Uhr
- Sonntag, 2. März, 15.30 Uhr
- Samstag, 8. März, 20 Uhr
- Sonntag, 9. März, 15.30 Uhr
Der Eintritt kostet 15 Euro. Bei den Abendvorstellungen gibt es eine Auswahl an Speisen, die vorab genossen werden können. Der Einlass beginnt um 18 Uhr. Vor den Nachmittagsvorstellungen können die Gäste Kaffee und Kuchen genießen. Der Einlass beginnt 14 Uhr.
"Blick über die Elbe"
Die WOCHENBLATT-Serie "Blick über die Elbe" berichtet über interessante Themen von der schleswig-holsteinischen und hamburgischen Seite der Elbe. Es geht um Sehenswürdigkeiten, Besonderheiten, Kuriositäten und andere Dinge, die die Neugier der Redaktion geweckt haben. Hier finden Sie alle bisherigen Artikel aus der Serie:
Redakteur:Armon Böhm aus Winsen |
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