Beerdigungen in Coronazeiten
Tempos statt Umarmung
os. Buchholz. "Trauerfeiern nur unter freiem Himmel und mit Abstand abhalten zu dürfen, ist nach wie vor eine befremdliche Situation." Das sagt Denny Kautzsch vom Bestattungsinstitut Ruhelotsen aus Buchholz. Die Coronakrise und die damit verbundene Kontaktsperre erfordert auch von Bestattern und Pastoren ein Umdenken und eine Abkehr von gewohnten Riten. Das wird bislang von den allermeisten akzeptiert, doch niemand verhehlt, dass die Situation oft verstörend ist.
Bundesweit dürfen derzeit Trauerfeiern vor Beerdigungen nur unter freiem Himmel und mit maximal zehn Teilnehmern durchgeführt werden. Die Kapellen auf den Friedhöfen sind geschlossen. Angehörige und Freunde müssen auch am Grab die allgemein gültigen Abstandsregeln beachten - schwierig in einer Ausnahmesituation, die eigentlich Nähe erfordert. "Bislang haben wir einen Menschen in den Arm genommen, um ihn zu trösten. Das ist derzeit nicht möglich", berichtet Denny Kautzsch. Stattdessen reiche er dem Trauernden ein Paket Taschentücher oder erkläre, dass er ihn jetzt gerne in den Arm nehmen würde, es aber wegen der besonderen Krisenzeit nicht dürfe. "Vielen Menschen hilft bereits eine Geste und das Wissen, dass man sie hätte trösten wollen", so Kautzsch.
Besonders schwer sei die Durchführung einer Trauerfeier für einen an Corona Verstorbenen. "Wir dürfen diesen nicht mehr waschen und anziehen, weil er sofort in einer speziellen Hülle gelagert werden muss", berichtet Kautzsch. Die Bestatter müssten zudem während der Zeremonie Schutzanzüge tragen. "Die an Corona Verstorbenen werden mehr verscharrt als beerdigt", kritisiert Kautzsch.
Die Beschränkung der Teilnehmerzahl ist für Tim Lühning vom Bestattungsinstitut Lühning aus Neu Wulmstorf eine der gravierendsten Änderungen. Gerade älteren Menschen sei das nur schwer zu vermitteln, vor allem, wenn der Verstorbene stark in seinem Dorf verwurzelt gewesen sei und z. B. durch die Mitgliedschaft in der Freiwilligen Feuerwehr oder im lokalen Schützenverein viele Freunde hatte.
Lühning hat auf die besonderen Anforderungen während der Beerdigung reagiert und ein spezielles System aus den USA gekauft, mit dessen Hilfe der Sarg automatisch versenkt werden kann. Grund: Auch Sargträger müssen sich an die Abstandsregeln halten.
Auch für Wilhelm Nordmann, Pastor der ev.-luth. Kirchengemeinde St. Paulus in Buchholz, bedeuten die neuen Regeln eine "ziemliche Umstellung". Neben der beschränkten Teilnehmerzahl nennt er auch die Beratungsgespräche vor der Trauerfeier, in denen Angehörige aus dem Leben des Verstorbenen erzählen. Viele Vorgespräche fänden derzeit am Telefon statt. Das sei Nach- und Vorteil zugleich. Ein Nachteil sei, dass er mitunter die Angehörigen erst am Grab selbst das erste Mal zu Gesicht bekommt. Der Vorteil: "Ich habe das Gefühl, dass man durch die erzwungene Distanz oft schneller auf den Punkt kommt."
Bislang gingen die Deutschen gut mit dem sensiblen Thema um. "Unsere Zivilisation ist daran zu messen, wie sie mit der Würde des Lebens umgeht", erklärt Pastor Nordmann. Diese Würde sei z. B. in Italien nachhaltig gestört worden. Dort mussten viele Coronatote ohne jeglichen Abschied beerdigt werden. "Das empfinden die Angehörigen als tiefe Kränkung und Verletzung", erklärt Nordmann.
Viele Angehörige hoffen offenbar darauf, dass die Beschränkungen bald aufgehoben werden. Bestatter Denny Kautzsch berichtet, dass viele Angehörige von Verstorbenen, die in Urnen bestattet werden sollen, die Gefäße mit der Asche über mehrere Wochen lagern.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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