Das Ehrenamt ist in Gefahr
Vereine und private Veranstalter finden keine Helferinnen und Helfer
Sterben jetzt die Volksfeste?
Zahlreiche Veranstaltungen lockten am vergangenen Wochenende in den Landkreisen Harburg und Stade die Menschen an. Tausende Besucherinnen und Besucher kamen z.B. zum Erntefest in Helmste und zu Norddeutschlands größtem Flohmarkt in Tostedt. Überall herrschte, nicht zuletzt wegen des herrlichen Spätsommerwetters, beste Laune. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Grund: Es wird immer schwieriger, ehrenamtliche Helferinnen und Helfer zu halten und neue zu akquirieren.
Diese Erfahrung hat auch Uwe Müller gemacht. Er war erstmals als Marktmeister für den reibungslosen Ablauf des Flohmarkts in Tostedt verantwortlich. Bis zu 30 Ehrenamtliche hätte er beschäftigen können. Menschen, die beim Aufbau helfen und Händlern ihre Plätze zuweisen. Mit 20 Ehrenamtlichen musste der Marktmeister am Ende auskommen. Vor allem mehr Helfer mit technischen Fähigkeiten, die zum Beispiel Kabel verlegen können, wünscht Uwe Müller sich im nächsten Jahr.
Warum bleiben ehrenamtliche Helfer aus? Möglicherweise sei lediglich Schwellenangst der Grund, mutmaßt Uwe Müller. "Das frühe Aufstehen am Veranstaltungstag ist sicher auch ein Hinderungsgrund", sagt er.
Bei der Belohnung der Helfer probiert der Marktmeister in diesem Jahr etwas Neues aus. Das früher übliche gemeinsame Essen ersetzt ein Ausflug - zum spaßigen Ostfriesenabitur nach Wittmund.
• "Es wird schwieriger", sagt Peter Prior, Manager des Buxtehuder Handball-Bundesligisten BSV über die Suche nach ehrenamtlicher Unterstützung. Auch wenn die Bundesliga professionelle Arbeit bedeutet - für vieles ist freiwilliges Engagement nötig. "Etwa beim Ordnungsdienst und beim Auf- und Abbau in der Halle Nord", so Prior. Viele der Freiwilligen seien 20 Jahre und länger dabei. "Wir werden aber alle älter", so der Manager. Nachrücker für den Job gebe es wenige. "Hat vielleicht jemand Lust?", fragt Peter Prior und freut sich auf Angebote. Das Nachlassen von ehrenamtlichem Engagement mache sich zudem im Nachwuchsbereich der Handballerinnen bemerkbar. "Mütter und Väter, die das Catering übernehmen, werden weniger."
• Auch der Harsefelder Ortsverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) sucht händeringend Unterstützung. Durch die Corona-Pandemie habe sich die ohnehin schon knappe Anzahl der Helfer noch einmal reduziert, erklärt die Vorsitzende Leea Lauri-Gaulke. Für die Organisation der Ausflüge, Spielenachmittage, Suppennachmittage und Stuhlyoga stehen insgesamt noch etwa zehn Ehrenamtliche zur Verfügung. "Jedes unserer Angebote wird im Durchschnitt von rund 30 Senioren angenommen", so Lauri-Gaulke. Für sie wäre es eine Katastrophe, wenn die AWO ihre Arbeit einstellen würde. "Wir hätten wahrscheinlich noch viel mehr Teilnehmer, wenn wir Fahrdienste anbieten könnten", ist sich die Vorsitzende sicher. "Aber das ist nicht mehr zu schaffen. Es macht sehr viel Spaß, aber die Aufgaben müssen auf mehrere Schultern verteilt werden."
• "Dass wir uns wieder bei Veranstaltungen und Festen treffen können, ist doch wunderbar. Diesen sozialen Aspekt müssen wir herausstellen, auch bei der Gewinnung von ehrenamtlichen Helfern", sagt Arno Reglitzky. Der Vorsitzende von Blau-Weiss Buchholz und Organisator des Buchholzer Stadtlaufs hat in der jüngeren Vergangenheit mehrfach erlebt, wie schwierig es ist, Helferinnen und Helfer für die Veranstaltungen zu gewinnen. Viele Ehrenamtler hätten ihm nach vielen Jahren gesagt, dass sie genügend für die Allgemeinheit geleistet hätten und sich nun um sich selbst kümmern wollten. Das sei verständlich. Reglitzky sieht die jüngere Generation in der Pflicht, die Lücken zu füllen: "Wo aber sind die Jüngeren? Da kommt nichts!" Eine mögliche Lösung sei, die Öffentlichkeitsarbeit erheblich zu verstärken. "Das Ehrenamt schafft so viel Gutes für die Gesellschaft. Das darf nicht verschwinden!"
(tk/os/ts/wd).
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Lieber Leserinnen, liebe Leser, sucht Ihr Verein, Ihre Institution oder Ihre Initiative auch noch ehrenamtliche Helferinnen oder Helfer? Dann schreiben Sie uns eine E-Mail (Stichwort: Ehrenamt) mit einer Kurzbeschreibung des Aufgabenbereichs an red-bux@kreiszeitung.net (für den Landkreis Stade) oder an red-buch@kreiszeitung.net (für den Landkreis Harburg).
"Ehrenamt ist das Rückgrat der Gesellschaft - Warum ehrenamtliches Engagement so wichtig ist"
"Auf ein Wort" von WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Oliver Sander
Am vergangenen Wochenende bin ich auf verschiedenen Veranstaltungen mit vielen Organisatoren ins Gespräch gekommen. Ein Thema stach heraus: Weil es zunehmend schwierig ist, ehrenamtliche Helfer zu halten bzw. neue hinzuzugewinnen, ist der Fortbestand vieler Veranstaltungen in Gefahr. Das muss jedem klar sein. Das Hauptproblem ist: Viele Ehrenamtler sind in die Jahre gekommen und wollen jetzt ihre Freizeit genießen. Das kann ich gut nachvollziehen. Gleichzeitig fehlt der Unterbau: Viele junge Menschen haben andere Pläne, als sich für die Allgemeinheit zu engagieren. Die Auswirkungen zeigten sich z.B. in Winsen, wo der Junior-Kiesel - die Auszeichnung für ehrenamtlich tätige Jugendliche - in diesem Jahr mangels Anwärtern nicht vergeben wurde. Zum Problem trägt bei, dass viele Schüler durch die Ganztagsschule so spät nach Hause kommen, dass sie kaum Zeit für ehrenamtliches Engagement haben.
Das Ehrenamt ist eine tragende Säule für das gesellschaftliche Leben in Deutschland. Ohne Ehrenamtler würde das Rückgrat der Gesellschaft brechen. Deshalb sollte sich jeder fragen, ob er oder sie nicht doch ein paar Stunden pro Woche erübrigen kann, um sich in Vereinen, bei Veranstaltungen oder in karitativen Einrichtungen einzubringen. Nur dann bleibt das gesellschaftliche Leben so bunt, wie es jetzt ist.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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