Wegen Finanzierungslücke
Angst vor dem Krankenhaus-Sterben

Kai Uffelmann | Foto: Krankenhaus
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Die im Mai vom Bundeskabinett beschlossene Krankenhausreform wird derzeit vom Bundestag beraten. Die Reform sieht ein neues Finanzierungsmodell und Ablösung der Fallpauschalen sowie eine stärkere Spezialisierung der Kliniken vor. Die für die Krankenhausplanung zuständigen Länder befürchten, dass deshalb viele kleinere Krankenhäuser, insbesondere im ländlichen Raum, schließen müssen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in dieser Woche, er wolle die Wünsche der Länder berücksichtigen. Das WOCHENBLATT befragte die Geschäftsführung für die Krankenhäuser Buchholz und Winsen, Kai Uffelmann, Klaus-Jörg Bossow und Franziska von Breunig, wie die aktuelle Situation der Krankenhäuser ist und wie sie die Reform beurteilen.

Hintergrund: Die wirtschaftliche Situation vieler Krankenhäuser hat sich durch die nicht refinanzierten Kostensteigerungen der Jahre 2022 und 2023 massiv verschärft. Dies betrifft nicht nur die Krankenhäuser in Buchholz und Winsen, sondern mehr als 80 Prozent der Standorte bundesweit. "Hier sehen wir eindeutig ein Versagen des aktuellen Finanzierungssystems, das dringend einer umfassenden Reform bedarf.
Besonders hervorzuheben ist, dass die geplanten Maßnahmen der Regierung nicht ausreichen, um die Lücken zwischen Kosten und Erlösen aus den letzten Jahren zu schließen. Es braucht einen Inflationsausgleich und die vollständige Refinanzierung der gestiegenen Personalkosten. Zusätzlich wird der enorme bürokratische Aufwand durch die geplanten Vorhaltevergütungen die Kernprobleme der Krankenhäuser nicht lösen", so die Geschäftsführer.
Die Einführung einer bundesweit einheitlichen Krankenhausplanung auf Basis von Leistungsgruppen könne im Landkreis Harburg nur die Umsetzung nach dem Modell Nordrhein-Westfalen bedeuten. Zusätzliche Modifikationen seien abzulehnen.
Für die Zukunft sei es entscheidend, dass die Finanzierung von Strukturkosten nachhaltig und zielgenau erfolge. Der Transformationsfonds spiele hier eine zentrale Rolle und sollte durch Bund, Länder und Krankenkassen finanziert werden.
"Wir stehen für einen konstruktiven Dialog mit der Politik und den relevanten Akteuren, um gemeinsam tragfähige Lösungen für die aktuellen Herausforderungen zu finden und die Zukunft der Krankenhausversorgung zu sichern", erklärt das Geschäftsführungsteam.

WOCHENBLATT: Herr Uffelmann, wie hoch wird das Minus am Jahresende sein und was sind die Hauptgründe dafür?
Kai Uffelmann: Für das Jahr 2024 rechnen wir mit einem Defizit von rund elf Millionen Euro. Dank unseres eigenen Konsolidierungsplans können wir jedoch bereits positive Effekte sehen, sodass unser Jahresergebnis unter dem im Wirtschaftsplan angesetzten Defizit und deutlich unter dem eingeplanten Defizitausgleich des Landkreises (15 Millionen Euro) bleiben wird. Wir setzen weiterhin gezielt Maßnahmen um, die im letzten Quartal zu einer weiteren Stabilisierung unserer finanziellen Situation beitragen sollen.
Die Hauptursachen für die schwierige wirtschaftliche Lage sind jedoch die nicht refinanzierten Kostensteigerungen der Jahre 2022 und 2023, insbesondere bei den Personalkosten und der Inflation. Der Bund schreibt Preise für unsere Krankenhausleistungen fest, die eine finanziell auskömmliche Patientenbehandlung nicht ermöglichen. Diese Preise decken nicht die tatsächlichen Kosten, die für eine hochwertige und nachhaltige Patientenversorgung erforderlich sind.

WOCHENBLATT: Herr Bossow, sind die Krankenhäuser zum „Spielball“ der Politik geworden? Wie lange kann das noch funktionieren?
Klaus-Jörg Bossow: In gewisser Weise könnte man das so sagen. Die Krankenhäuser befinden sich in einem Spannungsfeld zwischen Bund und Ländern. Die Verantwortung für die Finanzierung wird oft hin und her geschoben, was zu einer erheblichen Unsicherheit führt und wir überlebensnotwendig auf den Landkreis angewiesen sind. Auf Dauer ist diese Situation nicht tragbar. Ohne eine nachhaltige und ausreichende Refinanzierung der Betriebskosten – insbesondere der gestiegenen Personalkosten und der nicht ausgeglichenen Inflation – werden viele Krankenhäuser finanziell nicht überleben können.

WOCHENBLATT: Frau von Breunig, wie sehen Sie die Vielzahl an Vorschlägen des Gesundheitsministers, und wie wirkt sich das auf die Motivation der Mitarbeiter aus?
Franziska von Breunig: Die Vielzahl an Vorschlägen zeigt, dass dringender Handlungsbedarf besteht, doch leider fehlen bisher konkrete Umsetzungen. Trotzdem gehen unsere Mitarbeiter mit dieser Situation für uns vorbildlich, nahezu bemerkenswert positiv um. Sie beweisen täglich eine große Flexibilität und Einsatzbereitschaft, um den Herausforderungen im Gesundheitswesen zu begegnen. Trotz der Unsicherheiten sind sie hoch motiviert, weiterhin eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen. Dies verlangt unsere größte Wertschätzung ab! Es muss aber jetzt kurzfristig greifbare Veränderungen geben, um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern.

WOCHENBLATT: Herr Uffelmann, wie macht man ein Krankenhaus effizienter? 
Kai Uffelmann: Ein Krankenhaus effizienter zu gestalten bedeutet, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen, ohne dabei die Versorgungsqualität zu gefährden. Ein Beispiel dafür ist die Verlagerung der HNO-Abteilung nach Winsen, was uns erlaubt, Synergien zu nutzen und die Fachkräfte dort gebündelt einzusetzen. Durch eine gezielte Zentralisierung bestimmter Leistungen können wir eine höhere Auslastung der Abteilungen erreichen, was langfristig zu einer besseren Kosteneffizienz führt, ohne dass die Versorgung der Patienten leidet.

WOCHENBLATT: Frau von Breunig: Was bedeutet „Ambulantisierung“ und wie könnte dies helfen, kostengünstiger zu arbeiten?
Franziska von Breunig: Mit Ambulantisierung ist gemeint, dass bestimmte medizinische Behandlungen, die traditionell stationär durchgeführt wurden, zunehmend im ambulanten Bereich angeboten werden. Dies umfasst zum Beispiel kleinere operative Eingriffe oder bestimmte diagnostische Verfahren. Durch diese Verlagerung können die Krankenhäuser stationäre Kapazitäten für schwerere Fälle freihalten, während die ambulante Behandlung kostengünstiger abläuft und gleichzeitig die Behandlungsqualität erhalten bleibt.
Damit Krankenhäuser dieses Konzept erfolgreich umsetzen können, müssen sie jedoch ihre Strukturen entsprechend anpassen können. Dies erfordert einerseits zwingend die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern, andererseits auch ausreichend Zeit für die Umsetzung, um langfristig eine effiziente und patientenorientierte Versorgung zu gewährleisten.

Redakteur:

Bianca Marquardt aus Tostedt

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