Buchholz' Bürgermeister Jan-Hendrik Röhse im Interview: "An der Straße hängt nicht meine Glückseligkeit"
os. Buchholz. In Winsen hat Bürgermeister André Wiese gerade seine zweite Amtszeit angetreten. In Buchholz befindet sich Stadtoberhaupt Jan-Hendrik Röhse (55) noch mitten in seiner ersten Amtszeit. Diese endet offiziell am 31. Oktober 2021. Im Interview mit WOCHENBLATT-Redaktionsleiter Oliver Sander zieht Röhse ein vorläufiges Fazit und verrät, wann er über eine zweite Amtszeit entscheiden wird.
WOCHENBLATT: Wie fällt Ihr Fazit bis jetzt aus?
Jan-Hendrik Röhse: Wir haben mit dem Canteleu-Quartier, dem Stadtumbau West und "Buchholz 2025plus" wichtige Projekte auf den Weg gebracht, die für unsere Stadt sehr wichtig sind. Zudem haben wir den Anstoß für den TIP Innovationspark Nordheide gegeben, der eine riesige Chance für Buchholz ist.
WOCHENBLATT: Läuft also alles glatt?
Röhse: Na ja, die Umsetzung zieht sich leider hin. Die Planungsprozesse, die nicht in unserer Hand liegen, sind viel zu lang. Nehmen Sie den Kreisel an der Kreuzung Hamburger Straße/Nordring: Bei ihm dauert allein die Planung ein Jahr. Das dauert nicht nur den Bürgern viel zu lang, auch ich halte das für unbefriedigend.
WOCHENBLATT: Sie haben den TIP Innovationspark angesprochen, der jetzt entwickelt wird. Gibt es Planungen für ein weiteres Gewerbegebiet?
Röhse: Wir haben viele Spitzenunternehmen in Buchholz, in unseren Gewerbegebieten gibt es keine freien Flächen mehr. Intern machen wir uns Gedanken, wo wir noch Gewerbeflächen entwickeln können. Das wird nicht einfach, denn verkehrsgünstig gelegene Flächen gibt es nicht ohne Ende.
WOCHENBLATT: Wie sieht es mit Wohngebieten aus?
Röhse: Ich sehe derzeit keine größeren neuen Wohngebiete, zumal dann die Infrastruktur mitwachsen müsste. Wir müssen z.B. immer die Schulen mit in die Planungen einbeziehen. Hier sind wir am Rande unserer Kapazitäten. Von daher ergibt es für mich Sinn, dass wir uns auf kleinere Einheiten wie etwa an der Wiesenstraße konzentrieren.
WOCHENBLATT: Das wohl wichtigste Projekt ist derzeit "Buchholz 2025plus", für das am kommenden Samstag die Projektwerkstatt stattfindet. Zentraler Punkt neben der Schaffung neuer Wohnungen ist der Bau der Umgehungsstraße. Wie sehen Sie das Projekt?
Röhse: Eines vorneweg: Am Bau der Straße hängt nicht meine persönliche Glückseligkeit. Sie ergibt aber für mich Sinn und ich halte sie auch zwingend für notwendig, wenn wir weiter wachsen wollen. Wir werden auch in Zukunft immer Individualverkehr haben, unabhängig von der Motorentechnik. Es wird uns nicht gelingen, große Mengen des Verkehrs auf die Schienen zu verlagern. Wir erleben regelmäßig, dass die Bahnunternehmen schon heute an ihrer Kapazitätsgrenze angekommen sind. Zudem brächte der Bau einer Straße weitere Vorteile.
WOCHENBLATT: Welche meinen Sie?
Röhse: Wenn wir die Innenstadt vom Durchgangsverkehr befreien, könnten wir sie autoarm gestalten und z.B. auch den Fahrradverkehr stärken. Das ist heute wegen des Platzmangels schwierig. Zudem laufen wir immer mehr Gefahr, dass wir den 30-Minuten-Takt des Buchholz Busses wegen des starken Verkehrs nicht mehr halten können. Damit machen wir den ÖPNV unattraktiv.
WOCHENBLATT: Was sagen Sie den Kritikern, die den Bau einer neuen Straße für kontraproduktiv für den Klimaschutz halten?
Röhse: Die Straße führt in der favorisierten Variante zu 80 Prozent über Ackerflächen, die heute konventionell bewirtschaftet werden. Von daher bin ich der Meinung, dass der Straßenbau mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz vereinbar wäre. Zudem hat mir bis heute keiner eine schlüssige Alternative für eine Umgehungsstraße genannt. Ich bin gespannt, ob der Kompromiss, den wir mit der Politik vereinbart haben, weiter trägt.
WOCHENBLATT: Verwaltung und Politik haben wegen der knappen Finanzen kaum noch Möglichkeiten, viel zu gestalten. Wie sehr nervt Sie das?
Röhse: Es ist tatsächlich traurig zu sehen, dass die freie Spitze, also die Mittel, die wir frei investieren können, trotz wachsender Steuereinnahmen immer kleiner wird. Ein Großteil dieser Situation ist der Kinderbetreuung geschuldet. Hier bin ich von der Landesregierung enttäuscht.
WOCHENBLATT: Warum?
Röhse: Weil die Kommunen die Kosten zu tragen haben und sich die Landesregierung nicht ihrer Verantwortung stellt. Keiner in Hannover hat daran gedacht, dass die Kommunen zahlreiche Erzieherinnen und Erzieher einstellen müssen. Das wird immer schwieriger. Wir konnten in Sprötze nicht mit der vollen Stärke starten, weil wir nicht genügend Erzieherinnen gefunden haben. Das halte ich für einen Skandal. In Hannover wird das Problem leider nur weggelächelt.
WOCHENBLATT: Was steht in der Zeit bis zur Kommunalwahl im September 2021 an?
Röhse: Neben den genannten großen Projekten ist die weitere Entwicklung des Krankenhauses wichtig. Wir müssen dafür sorgen, dass es erhalten und ausgebaut wird. Die Planungen für neue Parkplätze sind demnächst abgeschlossen. Zudem wird uns die Organisation des Baubetriebshofes beschäftigen. Wir müssen auch schauen, wie wir die Verwaltungsorganisation anpassen, um dem Fachkräftemangel bestmöglich begegnen zu können. Letztlich möchten wir ein Buchholzer Klimaforum initiieren und das Thema Klimaschutz personell im Rathaus verorten. Wir wollen da ganzheitlich denken.
WOCHENBLATT: Was viele Bürger interessiert: Treten Sie 2021 für eine zweite Amtszeit an?
Röhse: Das werde ich im Frühjahr 2021 entscheiden, wenn auch die Parteien ihre Kandidaten für die Kommunalwahl benennen. Ich möchte mich nicht zu früh festlegen, weil bis dahin viele Faktoren die Entscheidung beeinflussen können. Ich bin da im Moment ganz gelassen.
WOCHENBLATT: Herr Röhse, vielen Dank für das Gespräch.
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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