Buchholz droht der Schuldenkollaps
Doppelhaushalt eingebracht: Verbindlichkeiten steigen bis 2023 voraussichtlich um fast 60 Prozent auf 87,4 Millionen Euro
os. Buchholz. Trotz Rekordsteuereinnahmen droht der Stadt Buchholz der finanzielle Kollaps. "Das Ende der Fahnenstange ist erreicht. Wir müssen uns sehr genau überlegen, was wir uns künftig noch leisten können und wollen!" Das sagte Erster Stadtrat und Finanzdezernent Dirk Hirsch bei der Einbringung des ersten Doppelhaushaltes in der Geschichte der größten Stadt im Landkreis Harburg. Allein im Wirkungszeitraum des Entwurfs - die Haushaltsjahre 2019 und 2020 - sollen die Schulden von derzeit rund 52,2 Millionen Euro auf ca. 68,9 Millionen Euro im Jahr 2020 ansteigen. Nimmt man die mittelfristige Finanzplanung - drei weitere Jahre bis 2023 - hinzu, steigt der Schuldenberg voraussichtlich gar auf rd. 87,4 Millionen Euro an. "Wir haben ein massives strukturelles Problem", erklärte Hirsch.
Schuld an der misslichen Lage sind für den Finanzdezernenten vor allem steigende Pflichtausgaben. Diese sorgten dafür, dass die positive Entwicklung bei den Steuereinnahmen nicht zu einer besseren Haushaltslage führt. "Wenn sich an der Finanzierung nichts ändert, wird sich die Lage nicht verbessern", prognostizierte Hirsch. Als Beispiel nannte er die von der Landesregierung beschlossene Beitragsfreiheit in Kindertagesstätten. Wie befürchtet, gleiche das Land die wegfallenden Elterngebühren nur in geringem Maße aus, sodass allein in Buchholz 800.000 Euro Mehrkosten pro Jahr im städtischen Haushalt auflaufen.
Leider wirke sich die positive Entwicklung der Steuereinnahmen negativ auf die Zahlungen an den Landkreis Harburg aus. Der Satz liegt derzeit bei 48,5 Prozent. In diesem Jahr führt die Stadt Buchholz an den Landkreis rund 22,66 Millionen Euro an den Landkreis ab, 2020 sollen es bereits 24,85 Millionen Euro sein. "Ich hoffe, dass die Politiker im Landkreis über eine Anpassung diskutieren, um die Kommunen zu entlasten", betonte Hirsch. Die Probleme von Buchholz belasteten auch die meisten anderen Kommunen.
Dabei sprudeln dank der guten konjunkturellen Lage die Einnahmen. Die Gewerbesteuereinnahmen sollen von jetzt rund 19,5 Millionen Euro auf ca. 21,8 Millionen Euro im Jahr 2020 steigen, die Gemeindeanteile der Einkommens- und Umsatzsteuer von jetzt 23,3 Millionen Euro auf 25,3 Millionen Euro in 2020.
Wegen der höheren Ausgaben - u.a. gibt die Stadt für die Kitabetreuung bis 2020 fast zwei Millionen Euro pro Jahr mehr als jetzt (10,9 Mio. in 2020) aus - bleiben am Ende aber nur mickrige 462.600 (2019) bzw. 773.700 Euro (2020) für Investitionen über. Gleichzeitig stehen in Buchholz aber millionenschwere Investitionen an, die bereits auf den Weg gebracht sind. Für den Neubau des Mühlentunnels sind z.B. in 2019 zwei Millionen Euro vorgesehen, in 2020 und den drei Folgejahren jeweils zwischen 3,3 und 3,4 Millionen Euro. Der Stadtumbau West in Bahnhofsnähe schlägt in 2019 mit 810.000 Euro zu Buche, in 2020 mit 1,92 Mio. Euro und in 2023 bereits mit 6,22 Mio. Euro. In den Kanalbau investiert die Nordheidestadt in den kommenden beiden Jahren rd. 5,83 Mio. Euro. Folge: Der allergrößte Teil der Investitionen muss mit neuen Schulden finanziert werden.
Finanzdezernent Hirsch appellierte an die Politiker, das kommende Jahr, in dem erstmals kein eigener Haushalt aufgestellt werden muss, zu nutzen, um eine Prioritätenliste für die Investitionen zu erstellen. Hirsch: "Ein Immer-weiter-so kann es nicht geben!" Ansonsten drohe schon bald der finanzielle K.o: Nämlich dann, wenn die Tilgung alter Kredite über neue Kredite erfolgen müsste.
Für einen Lacher sorgte Ratsfrau Imme-Janne Schoof (Buchholzer Liste) mit ihrer Zwischenfrage: "Kann es nicht sein, dass Sie sich verrechnet haben?" Antwort Dirk Hirsch: "Schön wäre es!"
AUF EIN WORT
Es ist Zeit, auch mal "Nein" zu sagen
Wer Dirk Hirsch bei seinem Vortrag zum Doppelhaushalt zuhörte, dem konnte angst und bange werden. Finanziell ist es nicht fünf vor zwölf, sondern eher Punkt zwölf. Viele Entscheider haben viel zu tun, um die Situation zu verbessern.
Auf ein Wort
Die Lokalpolitiker tun gut daran, Dirk Hirschs Appell zu verfolgen und eine Prioritätenliste für Investitionen zu erstellen. Anträge wie jüngst der FDP, die Bürgersteige der Adolfstraße behinderten- und seniorengerecht umzubauen, sind ehrbar, aber künftig hintenanzustellen. Es ist Zeit, auch mal "Nein" zu sagen.
Die Politiker von CDU und SPD müssen über ihre Abgeordneten in Hannover Druck auf die Landesregierung aufbauen, deutlich mehr Kosten für die Kinderbetreuung zu übernehmen. Erst die Beitragsfreiheit zu beschließen, sich dafür bejubeln zu lassen, dann aber die Co-Finanzierung auf ein Minimum zu beschränken und so die Kommunen in Bredouille zu bringen, ist wenig sinnvoll.
Und schließlich können die Politiker, die auch im Kreistag sitzen, die Sorgen der Kommunen dorthin tragen und darauf dringen, dass die Kreisumlage so gesenkt wird, dass die Kommunen entlastet werden, ohne den Kreis in weitere finanzielle Schwierigkeiten zu bringen. Oliver Sander
Redakteur:Oliver Sander aus Buchholz | |
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